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Wie Jorge Gomondai starb

Er war der erste Tote nach einem fremdenfeindlichen Angriff in Dresden nach der Wende. Auch 20 Jahre danach denken noch viele Dresdner an ihn.

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Von Thilo Alexe

Dresden. Es geschah in der Nacht zum Ostersonntag 1991. In Weixdorf stieg der damals 28-jährige Mosambikaner Jorge Gomondai in eine Straßenbahn. Am Albertplatz drängte eine Gruppe von etwa einem Dutzend offenbar rechtsgerichteter Jugendlicher in die Bahn. Sie pöbelten Gomondai an, beleidigten den Afrikaner mit rassistischen Sprüchen. Was dann geschah, ist auch nach 20 Jahren nicht völlig klar. Möglicherweise ist Gomondai kurz nach dem Albertplatz in Todesangst aus der Tatra-Bahn gesprungen. Vielleicht stürzte er. Vielleicht wurde er herausgestoßen.

Die Fahrerin der Bahn bemerkte jedenfalls, dass die Tür im letzten Wagen ungeplant aufging. Sie stoppte. Ein Taxifahrer hielt auch, zusammen mit den Insassen eines anhaltenden Taxis versorgte er den schwer Verletzten. In der heutigen Uniklinik (damals Medizinische Akademie) wurde Gomondai mehrfach operiert, erlangte aber sein Bewusstsein nicht mehr. Eine Woche nach der Tat starb er am 6.April 1990 an seinen schweren Kopfverletzungen.

Dresden hat sich verändert

Der rassistisch motivierte Angriff auf den Schlachthofarbeiter, der 1981 in die DDR kam, hat Dresden verändert. Er hat gezeigt, wie stark sich rechtsradikale Strukturen in der turbulenten Nachwendezeit in der Stadt entwickeln konnten. Er hat aber auch gezeigt, dass eine breite Mehrheit den aggressiven und damit auch tödlichen Rassismus von Rechts ablehnt.

Etwa 7.000 Menschen formierten sich nach einem Gedenkgottesdienst am 11. April 1991 zu einem Protestzug und liefen zum Albertplatz, dem Ort des Angriffs. Dabei war der Linken-Landtagsabgeordnete Klaus Bartl, Chef der damaligen PDS-Fraktion. „Es kam zu Störungen durch Neonazis“, erinnert er sich. „Sie beschimpften die Teilnehmer.“ Die Polizei schritt ein. Wirbel verursachte auch das Verfahren gegen die Täter. Bartl, der selbst Rechtsanwalt ist, spricht von schlampigen Ermittlungen.

Offenbar seien die Beamten erst von einem Sturz unter Alkoholeinwirkung ausgegangen. Erst unter dem Eindruck des großen Medieninteresses an dem Fall sei die Arbeit der Beamten besser geworden. Auch die Mutter von Jorge Gomondai, Louisa Nhandima, bezeichnet das Verfahren im Rückblick als mangelhaft.

1993 wurden schließlich drei Angeklagte vor dem Landgericht Dresden verurteilt. Der Hauptangeklagte erhielt eine Haftstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten. Zwei Mitangeklagte wurden zu Bewährungs- und Geldstrafen verurteilt. Rechtsextremisten störten den Prozess. Die Ermittlungen gegen acht andere Verdächtige wurden vor dem Prozess eingestellt.

Dresden hat Gomondai nicht vergessen. Nach Recherchen des Vereins Opferperspektive sind seit 1990 in Deutschland 156 Menschen an den folgen rechtsextremistisch motivierter Gewaltakte gestorben.

An etliche denkt heute kaum jemand mehr, bei Gomondai ist das anders. Jährlich wird ihm an seinem Todestag im Rahmen eines Gottesdienstes in der Dreikönigskirche gedacht. Der Ausländerrat organisiert im Anschluss eine Kundgebung am Gomondai-Gedenkstein am Albertplatz. Seit 2007 heißt das Areal Jorge-Gomondai-Platz.

Heute erinnert Dresden wieder an den Getöteten. „Unsere Gesellschaft braucht das Engagement für die Stärkung und Anerkennung von Zivilcourage im Alltag“, betont die Dresdner Ausländerbeauftragte Uta Kruse. Nötig sei ein klares Bekenntnis gegen rassistische und rechtsextreme Gewalt und ein „konsequentes Vorgehen gegen jede Anzeichen menschenverachtender Haltungen.“ Etwa 200 bis 300 Dresdner sind es, die an jedem 6.April zur Kundgebung an den Albertplatz kommen.