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Wie gefährlich ist dieser Winzling?

Sachsens neuer Fisch-Atlas dokumentiert, dass die Artenvielfalt steigt. Ein Neuankömmling macht aber Sorgen.

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© Archiv/dpa

Von Gunnar Klehm

Sie ist die schlechteste Schwimmerin unter den Fischen. Es sieht eher nach einem Hüpfen über den Gewässergrund aus. Für Raubfische ist die Schwarzmundgrundel, die keine Fischblase hat, eine leichte Beute. Dennoch verbreitet sie sich explosionsartig und erobert immer mehr Gewässer in Europa. In Sachsen war sie vor zehn, zwölf Jahren noch unbekannt. Jetzt haben sie Angler immer öfter am Haken, auch in der Elbe und ihren Nebenflüssen. Nun machen sich nicht nur Angler Sorgen, ob die rasante Ausbreitung für die heimischen Fischarten schädlich ist.

Im Fisch-Atlas für Sachsen, der 2005 von der Fischereibehörde veröffentlicht wurde, hieß es noch, dass es keine Vorkommen gibt. Im jetzt neu aufgelegten Atlas ist das anders. „Was wir erwartet hatten, ist eingetroffen: Die Schwarzmundgrundel ist da“, sagt Gert Füllner, Leiter des Referats Fischerei im Landesumweltamt. Er ist einer der Autoren des aktuellen Fisch-Atlas, der am Mittwoch im Nationalparkzentrum Bad Schandau erstmals der Öffentlichkeit präsentiert wurde.

Die Fischereibehörde befischt systematisch die sächsischen Gewässer und wertet die Fangergebnisse aus. Neben dem chemischen Zustand des Wassers sind die Artenvielfalt und die Entwicklung der Fischpopulation wichtige Kriterien zur Bewertung der Wasserqualität. Die EU fordert bis zum Jahr 2027 einen guten ökologischen Zustand und hat formuliert, was das bedeutet. „Um das zu schaffen, gibt es noch viel zu tun“, so Gert Füllner. In Sachsen haben derzeit etwa 20 Prozent der Gewässer diese Qualität. Zu den Vorzeigeflüssen zählt unter anderem die Kirnitzsch.

2004 angekommen

Die Schwarzmundgrundel stammt aus den Brackwassergebieten am Schwarzen Meer. Sie kann innerhalb weniger Jahre zur dominanten Fischart in befallenen Gewässern werden.

Vermutet wird, dass sie sich über das Ballastwasser von Frachtschiffen verbreitet hat. 2004 wurden diese Grundeln erstmals im deutschen Teil der Donau nachgewiesen. Aber auch von der Nord- und Ostsee aus breitete sich die Fischart flussaufwärts in den Rhein, die Elbe oder die Oder aus. (SZ)

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Große Fortschritte in Sachen Wasserqualität hat die Elbe gemacht. 1995 wurden in dem Fluss lediglich 19 Fischarten nachgewiesen, inzwischen sind es mehr als doppelt so viele. Die größten Populationen bilden dabei Plötze, Ukelei, Barsch und Döbel. Der Lachs, der lange als ausgestorben galt, und die Quappe sind auf dem Vormarsch. „In der Stückzahl sind sie fast im Mittelfeld der Arten angekommen“, sagt Gert Füllner. Dass das so ist, dafür hat die Fischereibehörde mächtig nachgeholfen. In dem seit 2008 laufenden Wiederansiedlungsprojekt werden jährlich Hunderttausende Jungfische im Lachsbach und weiteren Nebenflüssen der Elbe ausgesetzt. „Es ist aber nicht so, dass wir nur Jungfische gefangen haben, sondern auch größere“, sagt der Referatsleiter. In Rathmannsdorf ist an der Fischtreppe im Lachsbach eine Kamera installiert, die zum Laichen zurückkehrende Lachse erkennen lässt. Dieses Jahr wurden bisher 18 Tiere gezählt. Die Laichwanderung dauert noch einige Wochen. Im Schnitt werden 20 bis 40 Tiere pro Jahr registriert.

Anfangs wurde befürchtet, dass die Schwarzmundgrundel diese positive Entwicklung wieder zunichtemachen könnte, weil die Grundel Fischlaich und Jungfische frisst. Bei großer Population natürlich in großer Zahl. Erste Studien zeigten auch, dass der Fisch, der nicht größer als 20 Zentimeter wird, tatsächlich Einfluss auf die Zusammensetzung der heimischen Fischbestände nimmt, aber anders als gedacht.

Quecksilber im Rapfen

Zwar ist es der erste Fisch-Atlas Sachsens, der auf die Schwarzmundgrundel hinweist, aber das erste Mal hier gesichtet wurde sie schon vor mehr als zehn Jahren. Damals allerdings sehr vereinzelt. „Jetzt hatten wir einen Fang in der Elbe bei Bad Schandau, bei dem wir gleich 14 Stück im Netz hatten“, berichtet Gert Füllner. Die schnelle Ausbreitung liege seiner Meinung nach daran, dass sich die Fischart mehrmals im Jahr vermehrt. Parallel dazu vergrößerten sich aber auch die Bestände anderer Raubfische, für die die Grundel ein zusätzliches Nahrungsangebot ist. Ob es tatsächlich eine Fischart gibt, die unter der Einwanderung der Grundel leidet, wird weiter wissenschaftlich untersucht. Das ist übrigens an Rhein und Oder genauso zum Thema geworden.

Doch eingewanderte Arten sind nicht das einzige Problem, das manche Fische an der Entwicklung hindert. So thematisiert der Fisch-Atlas auch Bausünden, die zum Beispiel nach den Hochwassern der letzten Jahre erfolgten. Ein Beispiel dafür ist auch die Müglitz. Hier wurden die Uferbereiche kilometerlang mit Steinschüttungen befestigt. „Gleichförmige Gewässer und Kanäle bieten für Fische aber schlechte Lebensbedingungen“, sagt Gert Füllner. Reparierte Flüsse seien eben keine renaturierten Flüsse. Das sei in Sachsen ein größeres Problem geworden, als es Wehre oder die Wasserkraftnutzung in den Oberläufen der Flüsse sind. Dass der Hochwasserschutz nach den schweren Schäden erst mal Vorrang hatte, sei auch der Fischereibehörde klar. In Abstimmung mit der Landestalsperrenverwaltung wird jetzt wieder etwas gegengesteuert. An ausgewählten Stellen werden Flussufer so verändert, dass sie Fischen wieder Unterschlupf oder Ruheräume bieten.

So gut sich auch das Ökosystem Elbe entwickelt, die Fischereibehörde empfiehlt weiter, höchstens zwei Kilogramm Fisch aus der Elbe pro Monat zu verspeisen. Die nachgewiesenen Schadstoffe in gefangenen Fischen sind zwar stark zurückgegangen. Dennoch gibt es ein paar Sorgenkinder. So liegt etwa der Quecksilbergehalt bei Rapfen und Barbe im Durchschnitt immer noch am oder über dem Grenzwert.

Bei der Schwarzmundgrundel ist das aber nicht der Fall. Anglern ist der kleine Fisch eher lästig und wird höchstens als Köderfisch benutzt. Dabei erklären immer mehr Köche, dass sie auch schmackhaft ist und wie Sprotten verarbeitet werden kann. An der Ostsee wird sie mancherorts als Räucherfisch angeboten. Kenner sagen, dass sie geschmacklich dem Barsch ähnelt.