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Wie ein Kuhstall zum Saal wird

Hinter Gerüsten versteckt, aber doch unübersehbar steht der Speicher neben dem Zinzendorf-Schloss in Berthelsdorf.

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© Rafael Sampedro

Von Steffen Gerhardt

Berthelsdorf. Hinter Gerüsten versteckt, aber doch unübersehbar steht der Speicher neben dem Zinzendorf-Schloss in Berthelsdorf. Es ist das größte Gebäude auf dem Vierseithof und wird über Jahre umfassend saniert und restauriert. Nun kann der ehemalige Kuhstall das erste Mal von der Öffentlichkeit besichtigt werden: am Sonntag, ab 13 Uhr, zum Tag des offenen Denkmals. Andreas Taesler, Vorsitzender des Freundeskreises Zinzendorf-Schloss Berthelsdorf, freut sich, die Besucher an dem großen Vorhaben des Vereins teilhaben zu lassen. „Wir können ja schon einiges vorweisen“, sagt der Pfarrer. Zwei Bauabschnitte sind bereits Vergangenheit, gegenwärtig wird am Dritten gearbeitet.

Viel Arbeit musste auch in das Dachgebälk gesteckt werden, denn der Zahn der Zeit hatte kräftig daran genagt.
Viel Arbeit musste auch in das Dachgebälk gesteckt werden, denn der Zahn der Zeit hatte kräftig daran genagt. © Rafael Sampedro
Auch die wurden Fensteröffnungen geändert.
Auch die wurden Fensteröffnungen geändert. © Rafael Sampedro

Markant macht das Glockentürmchen auf den Speicher aufmerksam. Es ist in Weiß gehalten, so wie das Schloss nebenan. Denn Untersuchungen des ehemaligen Stalles haben ergeben, so Bauleiter Daniel Neuer, dass auch dieses Gebäude mit einem weißen Kalkanstrich versehen war, wie das Schloss des Grafen Zinzendorf. Und so soll der Speicher einmal wieder aussehen. Derzeit werden noch die Bausünden beseitigt, die zu DDR-Zeiten an dem Gebäude verübt wurden. „Wir wollen dem Speicher seinen ursprünglichen Charme zurückgeben“, sagt Andreas Taesler. Seit Jahresbeginn ist man im Inneren und an der Fassade zum Hof dabei. Bauchef Daniel Neuer erläutert: „Als Erstes haben wir die Stalleinbauten entfernt. Dabei kamen rund 1 000 Kubikmeter an Beton und Mauerwerk zusammen.“

Aber auch von außen soll der wie das gesamte Schlossensemble unter Denkmalschutz stehende Stall sein altes Aussehen wiederbekommen. So wurde eine für Lkw vergrößerte Toreinfahrt zurückgebaut und mit einem Korbbogen nach historischem Vorbild versehen. Ebenfalls sind die Fenster des ersten Speicherbodens wieder an ihre ursprüngliche Größe angepasst. Dass das Gebäude nicht mit Schönheitsoperationen zu retten ist, das zeigt sich auch im dritten Bauabschnitt, so Andreas Taesler. „Das gesamte Auflager des Dachtragwerkes ist durch die Zimmerleute zu sanieren. Das braucht seine Zeit“. Schließlich hat die Dachfläche eine Größe von rund 2 000 Quadratmetern. Der mit Verfall einhergehende Leerstand über Jahrzehnte hat seine Spuren spürbar hinterlassen. Wer sehen möchte, wie ein Teil der Spuren schon beseitigt ist, der muss um das 71 Meter lange Gebäude gehen. Die Fassade an der Nordseite wurde im vergangenen Jahr begonnen und ist bereits fertig. Auch die später auf dieser Seite herausgebrochenen Toröffnungen sind wieder zugemauert. Ebenso ist der Westgiebel zum Schloss hin restauriert und neu verputzt. Am Ostgiebel dagegen waren nur Putzarbeiten notwendig, erläutert der Pfarrer. Aber die Hofseite hat es in sich, zumal sie ja die „Schokoladenseite“ des Speichers werden soll.

Der Freundeskreis verfolgt keine landwirtschaftliche Nutzung des einstigen Kuhstalles mehr. „Dieser soll einmal als Ausstellungs- und Versammlungsraum zur Verfügung stehen“, sagt Andreas Taesler. Dabei denkt der Verein nicht nur an eigene Veranstaltungen, sondern kreisweit. Für Herrnhut und Umgebung wäre es dann der größte Saal, der genutzt werden kann. Das soll im vierten Bauabschnitt geschehen, wenn es an den Innenausbau geht. Aber das wird, so der Vereinsvorsitzende, nicht vor 2016 werden.

Jetzt konzentriert sich der Verein auf die Bauarbeiten an der Fassade und im Dach. Dabei baut er wie die Jahre zuvor auf die Förderer und Freunde des Zinzendorf-Schlosses. Denn das Unternehmen Speicher kostet Geld, viel Geld. Der Vereinsvorsitzende spricht von rund 51 000 Euro, die der Freundeskreis allein in diesem Jahr aufbringen muss, damit die Sanierung weiter geht. Das sind 15 Prozent der Gesamtkosten, die auch aus verschiedenen Fördertöpfen von Bund und Land finanziert werden. Schließlich ist das Schlossensemble seit 2004 ein „Denkmal von Nationaler Bedeutung“. Das verpflichtet. Andreas Taesler hat einen neuen Spendenbrief verfasst, der nicht an die knapp 150 Mitglieder und Freunde geht, für die nötigen Eigenmittel. Und sie alle wohnen nicht nur in Deutschland. Auch in Österreich, der Schweiz und in Großbritannien interessieren sich Leute für dieses Schlossensemble, das im 18. Jahrhundert die Wiege von Herrnhut war.

Dass der Verein einen langen Atem für sein Vorhaben braucht, wissen die Mitglieder. Das haben sie schon vom früheren Schlossherren Grafen Nikolaus Ludwig von Zinzendorf gelernt. Er war 22 Jahre alt, da verkauft ihm seine Großmutter Henriette Katharina von Gersdorf das Gut Berthelsdorf. Dieser hat der junge Graf mit knappen finanziellen Mitteln über Jahre in sein Herrenhaus umgebaut. So berichtet es die Chronik. Zinzendorf zieht im August 1723 mit seiner Frau Erdmuth Dorothea, einer geborenen Gräfin von Reuß-Ebersdorf, dort ein. Bis das Gut jedoch wirtschaftlich saniert ist, vergehen noch ein paar Jahre. Heute gehört dem Verein das gesamte Areal, das bis 1992 ein Volkseigenes Gut war. Zu diesem gehören noch ein Stall mit eingefallenem Dach und zehn weitere Gebäude, die teilweise vermietet sind. Das sichert dem Verein ein gewisses „Grundeinkommen“ für seine Arbeit. Das reicht aber nicht für die aufwendige Sanierung des Hofes. Deshalb ist der Verein über jede Spende dankbar, wie die von der Sparkasse Oberlausitz-Niederschlesien. Diese stiftetet vor kurzem 7 000 Euro.