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Wie ein Kubaner seine Spanien-Reise plant

Rafael de la Rosa Jardon hat die kubanische Regierung stets beim Wort genommen. Nun will er auch die neue Reisefreiheit nutzen. Inzwischen besitzt er sogar zwei Pässe.

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Von Yadiris Garcia und Peter Chemnitz

Rafael de la Rosa Jardon ist ein glücklicher Mann. Und jeder soll an seinem Glück teilhaben. Stolz zeigt der 43-jährige Kubaner seinen Freunden die beiden Dokumente, die ihm den Weg in die große weite Welt öffnen werden: einen blauen kubanischen und einen nagelneuen roten spanischen Reisepass. Letzterer bescheinigt seinem Inhaber, spanischer Staatsbürger zu sein.

Ein Teil ihrer Vorfahren kam einst aus Spanien, haben die alten Damen recherchiert. Selbst reisen wollen sie nicht mehr. Aber sie wünschen sich, dass ihre Enkel die Welt entdecken können. Fotos: Yadiris Garcia
Ein Teil ihrer Vorfahren kam einst aus Spanien, haben die alten Damen recherchiert. Selbst reisen wollen sie nicht mehr. Aber sie wünschen sich, dass ihre Enkel die Welt entdecken können. Fotos: Yadiris Garcia

De la Rosa unterscheidet sich damit von Millionen seiner kubanischen Landsleute, die seit dem 14. Januar ebenfalls das Recht haben, einen Reisepass ausgestellt zu bekommen und ohne Einladung ausreisen zu dürfen. Denn de la Rosa benötigt kein Einreisevisum. Mit seinem kubanischen Pass darf er Kuba verlassen, mit seinem spanischen in beinahe jedes Land seiner Wahl einreisen.

Dieses Privileg fehlt den meisten Kubanern, die deshalb die neuen Reiseregelungen eher skeptisch aufgenommen haben. Für die meisten Staaten der Welt brauchen Kubaner ein Einreisevisum. Das entwertet ihrer Ansicht nach die neue Reisefreiheit. Lediglich Bolivien, Kenia, Malaysia, Namibia, Serbien, Barbados, Ägypten, Russland, die Mongolei, die Dominikanische Republik sowie Antigua und Barbuda verlangen von Kubanern kein Visum.

„Und was soll ich in Afrika?“, fragt Tatica Diaz. Die 20-jährige Studentin würde gern reisen, aber nach Italien, Frankreich oder Deutschland, wo bereits Freunde von ihr leben. Ihre Schwester Zainela schaut nachdenklich einem Ausländer nach. Wenn sich so einer für sie interessieren und sie nach Europa einladen würde, dann könnte sie ihren Kindern alle Wünsche erfüllen. So freut sie sich, wenn ihr ein Tourist ein paar konvertible Peso schenkt oder der Onkel vom Arbeitseinsatz in Venezuela modische T-Shirts mitbringt.

Geforscht nach Vorfahren

Im Haus von Antonia im Zentrum von Santiago de Cuba hat sich ein Grüppchen alter Frauen versammelt. Sie halten ihre Bibelstunde ab und diskutieren die jüngsten Ereignisse. Es sind nicht die Nachrichten von der neuen Reisefreiheit, sondern ein Vorkommnis vor der Küste von Florida. Die US-amerikanische Küstenwache hat ein Boot mit kubanischen Flüchtlingen aufgebracht. Diese müssen zurück auf die Karibikinsel. Nur wer trockenen Fußes das Festland erreicht, darf bleiben.

„So sind sie, die nordamerikanischen Imperialisten“, schimpft die 85-jährige Rosa. „Erst locken sie unsere Enkel, und dann schicken sie sie ins Gefängnis zurück.“ Rosa war in den vergangenen Monaten viel in Archiven. Sie hat über ihre Vorfahren geforscht. „Petrona Pardo“, sie deutet auf ein verblichenes Bild einer jungen Frau an der Wand, „kam Mitte des 19. Jahrhunderts als Kind mit ihrer Mutter aus Spanien nach Kuba“. Und dann habe sie einen Franzosen geheiratet, von dem sie acht Kinder bekam.

Ganz so weit reicht die Familiengeschichte von Rafael de la Rosa Jardon nicht zurück. Zumindest nicht, was die mütterliche Linie betrifft. Sein Urahn Adelino Jardon Fernandez landete im Jahr 1917 auf der Zuckerinsel und machte sich als Kaufmann selbstständig. Unter der laufenden Nummer 109 817 wurde er als auf Kuba lebender Spanier registriert.

Die spanische Staatsbürgerschaft behielten er und seine Nachkommen in weiser Voraussicht, bis diese irgendwann von der Castro-Regierung nicht mehr anerkannt wurde. Rafael de la Rosa Jardon hat sie sich jetzt zurückgeholt. Als Einziger von seiner Familie. Weder seine Eltern noch seine sieben Schwestern waren in der Lage, dass für die Recherchen und die Reisen nach Havanna nötige Geld aufzubringen.

Etwa 500 Dollar haben ihn die Papiere gekostet. Geld, das er sich in den vergangenen beiden Jahren als selbstständiger Mensajero, als Botenjunge, auf den Straßen Santiagos verdient hat.

Ticket von den Verwandten

De la Rosa hat die Regierung in Havanna stets beim Wort genommen. Erst bei der Erlaubnis, auf eigene Rechnung arbeiten zu dürfen, jetzt bei der Reisefreiheit. Auch ein Flugticket besitzt er. Verwandte in den USA haben es bezahlt. Im Februar könnte es über die Bahamas nach Florida gehen. Aber ob er dort einen Job findet? De la Rosa ist unsicher. Vielleicht sollte er lieber nach Spanien fliegen? Aber auch dort ist die wirtschaftliche Situation angespannt. De la Rosa deutet auf die letzte, die außenpolitische Seite der Parteizeitung „Granma“. Hier stehen die Hiobsbotschaften aus aller Welt. Dann blättert der Mensajero noch mal in seinem blauen Pass: „Das Gute ist, dass ich jederzeit zurückkehren kann.“