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„Wie ein Atomschlag“

Mit schwerer Technik werden die Schäden im Wald bei Reichenbach beseitigt. Die Räumarbeiten werden Monate dauern.

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© Constanze Junghanß

Von Constanze Junghanß

Sturmtief „Friederike“ hat eine tiefe Schneise geschlagen. Im Waldstück zwischen dem Reichenbacher Wasserwerk, Sohland und Deutsch-Paulsdorf liegen die Bäume flach. Einige halten sich mit ihren Kronen noch in Wipfelhöhe fest. Eine gefährliche Angelegenheit. Niemand kann vorhersagen, wann die Stämme sich ihren Weg Richtung Erdboden brechen.

Beim Heidehof Deutsch Paulsdorf riss der Orkan die Bäume samt Wurzelballen aus dem Erdreich.
Beim Heidehof Deutsch Paulsdorf riss der Orkan die Bäume samt Wurzelballen aus dem Erdreich. © Constanze Junghanß

Das Kreisforstamt des Landkreises Görlitz warnt aufgrund der Schäden durch Sturmtief „Friederike“ vor dem Betreten der Waldgebiete. „Es besteht noch immer Lebensgefahr durch angedrückte, oft unter Spannung stehende Bäume, die plötzlich umstürzen könnten“, teilt Pressesprecherin Susanne Lehmann mit. Der Schwerpunkt liegt im mittleren und südlichen Teil des Landkreises.

Das Telefon von Manfred Schneider steht dieser Tage kaum still. Er ist einer der beiden Geschäftsführer von der Forstbetriebsgemeinschaft (FBG) Waldbauverein – einem Zusammenschluss von 137 Waldbesitzern in der östlichen Oberlausitz. Rund 1 700 Hektar Wald gehören dazu. Jetzt ist Schneider mit der Organisation von Spezialtechnik beschäftigt.

Die Sturmschäden sollen so schnell wie möglich beseitigt werden. Immense Mengen sind es, die der mit bis zu 140 Kilometern pro Stunde tobende Orkan vor knapp zwei Wochen umgeworfen hat. Manfred Schneider tippt mit dem Zeigefinger auf eine Liste: Nonnenwald. Friedersdorfer Berg, Buschschenkenwald, Rotstein, Dittersbach, Kottmar und weitere Gebiete sind da aufgeführt. „Geschätzte 4 000 Festmeter Holz inklusive dem Klosterforst sind das in unserem Bereich, die gefallen sind“, so der Förster. Schneider schüttelt den Kopf. Die vergangenen Jahre seien für den Wald „wie ein Atomschlag“ gewesen. Erst die extreme Borkenkäferplage, dann im November des Vorjahres Sturm „Herwart“. Und nun noch „Friederike“. Klimawandel? Manfred Schneider überlegt. „Solche Extreme gab es auch schon früher manchmal“, sagt er und erinnert sich an den 8. August 1978. Das Datum hat sich in seinem Kopf fest eingebrannt. „Da lag wirklich alles flach nach einem enormen Unwetter.“ Und auch die Bäume vom Zittauer Gebirge waren zu DDR-Zeiten nur noch die blanken Gerippe – menschengemacht durch Rauch und Abgase. Katastrophen im Wald wären insofern nichts absolut Neues.

Lange Zeit zum Reden bleibt nicht. Schneider schlüpft in die Stiefel, zieht die Mütze über den Kopf. Mit dem geländegängigen Fahrzeug geht es durch den Wald. Die Piste ist holprig. Dreck aus Schlammlöchern spritzt hoch. Rechts am Abzweig, mitten im Busch, warten bereits die Arbeiter. Von Ferne dröhnen Kettensägen. Die Luft ist geschwängert mit dem Geruch von frischem Holz – eine Mischung aus Harz, Tannengrün und umgepflügter Erde. Die Bäume sind nicht nur gebrochen, sondern teilweise ganz entwurzelt. Die offenen Ballen hinterlassen Krater im Boden. Für den Mittelwald Sohland/Deutsch-Paulsdorf und andere Gebiete sind „Harvester“ und „Forwarder“ aktuell im Einsatz. Maschinen, die der Waldbauverein für seine Mitglieder von der Firma Bjarsch aus Räckelwitz zur Verfügung gestellt bekommt. Es dauert gerade mal eine Minute, bis der „Harvester“ aus einem kompletten Nadelbaum Kleinholz macht. Der Greifarm umspannt den Stamm, „knipst“ in Sekunden Zweimeter-Stücke ab, entästet diese gleichzeitig und legt so ein Stammstück nach dem nächsten säuberlich aufgestapelt ab. Überall liegen diese Holzhaufen nun. Gutes Holz, wie Manfred Schneider weiß. Trotzdem muss man die Stämme nun erst einmal loswerden. Riesige Mengen an Holz sind angefallen – ein Überschuss sozusagen. „Für die Forstwirtschaft ist Schweighofer in Kodersdorf ein Segen“, sagt der Fachmann. Kronospan bei Großenhain sei auch ein Abnehmer. Das Holz von den Mitgliedern des Waldbauvereins wird allerdings zuerst an einen Zwischenhändler – das Holzkontor HKS Sachsen – geliefert. Rund 70 Prozent nehme dann Kodersdorf ab, 25 Prozent Großenhain. „Der Rest ist Brennholz“, sagt der Deutsch-Paulsdorfer.

Die Beseitigung der Gefahrenlagen wird noch einige Monate in Anspruch nehmen, heißt es vonseiten des Landkreises. Grund dafür: Die beauftragten Unternehmen kamen bereits durch die Aufarbeitung der von den Herbststürmen verursachten Schäden an ihre Kapazitätsgrenzen. Der Waldbauverein hat da insofern noch Glück gehabt, die Technik zum richtigen Zeitpunkt ausgeliehen zu bekommen. Kurz nach „Herwart“ war das durch die enorme Auslastung der entsprechenden Firmen nicht sofort machbar gewesen.