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Wie die Reformation Sachsen veränderte

Der Freitaler Theologe Ralf Thomas widmet sich epochalen Ereignissen des Landes – in einem Buch zum Lutherjahr.

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© Egbert Kamprath

Von Thomas Morgenroth

Freital. Im Februar 1946 ist dem Wurzener Vorkonfirmanden Ralf Thomas spontan bewusst geworden, dass Martin Luther sein Landsmann gewesen ist, in einem Sachsen, das zu Luthers Zeit im 16. Jahrhundert viel größer war. Die Erkenntnis kam dem Dreizehnjährigen bei einer Gedenkveranstaltung anlässlich des 400. Todestages des Reformators, bei der ein Theologieprofessor aus Leipzig referierte. Ein Ereignis, das zwar nicht dazu führte, dass Thomas Pfarrer geworden ist – dafür waren Begegnungen mit jungen Geistlichen wesentlich –, wohl aber sein Interesse an den historischen Hintergründen weckte.

Immer wieder hat sich Ralf Thomas, der von 1952 bis 1957 in Leipzig Evangelische Theologie studierte und in Dölzig, Priesteblich und schließlich von 1971 bis 1997 in der Lutherkirche in Freital-Döhlen Pfarrer war, mit der Geschichte sowohl der Reformation als auch des Landes Sachsens befasst. Seine sorgfältig recherchierten Beiträge zu Reformations- oder Lutherjubiläen waren insbesondere in Pfarrkonventen und Kirchgemeinden gefragt, wofür ihn sein theologischer Lehrer Franz Lau im Spätsommer 1967 empfohlen hatte.

Im Laufe der vergangenen fünfzig Jahre haben sich so bei Ralf Thomas allerhand Notizen und Texte angesammelt, die der emeritierte Pfarrer nun, sorgfältig überarbeitet und geordnet, in einem Buch zusammengefasst hat. „Reformation und Landesgeschichte Sachsens“ heißt der jetzt im Sax-Verlag Markkleeberg erschienene Band, der 176 Seiten umfasst. Die „Skizzen eines halben Jahrtausends“, so der Untertitel, könnten gleich mehreren Anlässen in diesem Jahr gewidmet sein, zuallererst natürlich dem 500. Jahrestag des Wittenberger Thesenanschlags am 31. Oktober. Es ist aber auch ein wunderbares Geburtstagsgeschenk des Autors an sich selbst: Im Juli ist Ralf Thomas 85 geworden.

Offiziell jedoch, so ist es auf der ersten Seite vermerkt, bedankt sich Ralf Thomas mit der Veröffentlichung bei der Universität Leipzig, deren Theologische Fakultät ihm 2007 die Würde eines Doktors der Theologie ehrenhalber verliehen hat, „für den unermüdlichen Einsatz in der Erforschung der Geschichte Sachsens und seiner Kirche“, wie es in der Begründung heißt.

Mit seiner Publikation erweist sich der Theologe und Forscher dieser Ehre würdig. Thomas, der seit 16 Jahren in einem Zweifamilienhaus in Freital-Burgk wohnt, hat nicht einfach ein weiteres Luther-Buch geschrieben, sondern nicht weniger als eine Geschichte der Landeskirche Sachsens von ihren Anfängen bis in die Gegenwart. Es ist eine fundierte Übersicht, die es in dieser Form bisher nicht gab. „Es geht mir aber nicht um eine Chronik der Landeskirche“, betont Thomas, „sondern um epochale Schlüsselereignisse.“ Er stellt das Jahrhundert der Reformation in den Kontext der sächsischen Landesgeschichte und zeigt dessen Auswirkungen und Nachwehen.

Ein Schwerpunkt ist das zwanzigste Jahrhundert, in dem in Sachsen 1926 nicht nur die Trennung von Kirche und Staat vollzogen wurde, sondern auch zwei Diktaturen versuchten, die Kirche für sich einzunehmen, sie zu verunglimpfen oder aus der Gesellschaft auszugrenzen. Beide Systeme hat Ralf Thomas selbst erlebt, die Nationalsozialisten als Heranwachsender und den „fälschlich sogenannten Sozialismus“, wie er die DDR bezeichnet, als Student und evangelisch- lutherischer Pfarrer.

Seinen persönlichen Erinnerungen will Ralf Thomas, der seit 1962 verheiratet ist und drei Kinder hat, noch ein eigenes Buch widmen. „Ich habe schon einiges aufgeschrieben“, sagt er. Allerdings ist er erst bei den Pogromen gegen die Juden im November 1938 angekommen – da war er sechs. Neunundsiebzig Jahre Leben gilt es also noch mehr oder weniger literarisch auszuwerten. Aber Thomas, der bis Juni in den Kirchen von Rabenau und Kreischa sogar noch Gottesdienste gehalten hat, ist zuversichtlich, dass er es schaffen wird.

Zunächst jedoch soll bis Ende nächsten Jahres ein anderes Projekt vollendet sein. Mit der Arbeitsgruppe Gedenken der Stadt Freital will Ralf Thomas ein historisches Straßenverzeichnis des heutigen Stadtgebietes Freital veröffentlichen. Auch das ist ein Stück sächsischer Geschichte, in der Personen wie König Albert, NSDAP-Gauleiter Martin Mutschmann oder Freitals SPD-Bürgermeister Gustav Klimpel vorkommen – und Martin Luther.

Ralf Thomas, „Reformation und Landesgeschichte Sachsens“, Sax-Verlag, 176 Seiten, einige Illustrationen, fester Einband, 19,80 Euro, erhältlich im Buchhandel.