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Wie die Flüchtlingspraxis funktioniert

Am Hoyerswerdaer Seenlandklinikum läuft ein unkonventioneller Versuch. Er entlastet die Praxen.

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© Laura Thieme

Von Mirko Kolodziej

.Hoyerswerda Blutdrucktabletten verschreiben ja, Blutdruck einstellen nein. Röntgen ja, Computertomografie nein. Auch Krampfadern werden in der Flüchtlingspraxis im Lausitzer Seenlandklinikum in Hoyerswerda zum Beispiel nicht therapiert. „Es handelt sich um ein eingeschränktes Leistungsspektrum, eine Art hausärztliche Basisversorgung“, erklärt der Medizinische Direktor, Professor Dr. Thomas Sutter.

Seit am Krankenhaus im April eine Ambulanz nur für Flüchtlinge eröffnet worden ist, wird sie mal offen, mal verdeckt auch kritisch beäugt. Es gab durchaus neidvolle Aussagen wie: „Die kriegen alles und wir finden keinen Hausarzt.“ Nur: Erstens lässt die befristete Erlaubnis für das Klinikum zur ambulanten Versorgung von Asylbewerbern durch die Kassenärztliche Vereinigung (KV) eben nicht jede Behandlung zu. In einem Leistungskatalog ist genau festgelegt, was das Krankenhaus darf – und was eben nicht.

Zweitens ist das Ganze wohl ähnlich zu sehen wie die Ermächtigungen, die Klinikumsärzte für bestimmte Leistungen von der Krankenversicherung bekommen haben, weil die ambulante Versorgung in der Stadt Lücken aufweist. Bestes Beispiel dafür ist das Röntgen ambulanter Patienten. Und so folgt die Flüchtlingspraxis einer vergleichbaren Logik: Wenn die Hoyerswerdaer Hausärzte ohnehin schon nicht ausreichen, sollen sie von Patienten, die nicht einmal Teil des üblichen Kassen-Systems sind, entlastet werden. Denn generell zahlt medizinische Leistungen für Asylbewerber nicht die Krankenkasse, sondern laut Gesetz die verantwortliche kommunale Behörde, also das Landratsamt Bautzen.

Geordnetes Bestellsystem

Die Flüchtlingspraxis ermöglicht es dem Krankenhaus nun, jeden Asylbewerber, der kein Akutfall ist, im Rahmen eines geordneten Bestellsystems innerhalb regulärer Öffnungszeiten zu untersuchen. Dazu sind dreimal in der Woche für je zwei Stunden zwei Medizinerinnen aus der Notfallambulanz abgestellt. Pro Sprechstunde werden zwischen vier und sechs Patienten behandelt. Meist klappt das gut auf Englisch. Doch wenn nicht, kann das Klinikum auf eine Reihe von Muttersprachlern im eigenen Personal zurückgreifen. Man muss also nicht erst Dolmetscher ordern. Wie üblich müssen sich die Asylbewerber aber auch vor einer ambulanten Behandlung im Klinikum eine schriftliche Erlaubnis des Landratsamtes holen, einen sogenannten Behandlungsschein. Im Kreis Bautzen gibt es Flüchtlingspraxen an drei Krankenhäusern, nämlich in Bautzen, in Hoyerswerda und in Bischofswerda. Es handelt sich dabei um einen Modellversuch, den die sächsische Gesundheitsministerin Barbara Klepsch (CDU) innovativ und zielführend nennt: „So werden unsere niedergelassenen Ärzte spürbar entlastet. Davon profitieren alle.“ Auch Klinikumsgeschäftsführer Jörg Scharfenberg hat den Eindruck, dass die Hausärzte dankbar über das Angebot sind. Zudem versichert er, dass kein Patient Angst vor knapperen Ressourcen im Kerngeschäft des Krankenhauses zu haben braucht: „Für alle anderen Patienten geht es weiter wie gehabt. Es muss niemand länger warten.“ Die Krankheiten, die in der Flüchtlingspraxis behandelt werden, sind übrigens laut Klinikums-Auskunft in der Regel herkömmliche Erkrankungen, wie sie auch in Hausarztpraxen vorkommen: Erkältungen, Infekte, hoher Blutdruck. „Es sind in der Mehrzahl typische internistische Fälle“, sagt Professor Thomas Sutter.