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Wie der Buchsbaum an den Christbaum kam

Das Osterzgebirgsmuseum zeigt eine Ausstellung, die mit Mythen rund um die Weihnachtszeit aufräumt.

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© Egbert Kamprath

Von Maik Brückner

Lauenstein. Ein bisschen merkwürdig sieht dieser Christbaum schon aus. Er hat nur wenige Äste. Und um die sind Buchsbaumzweige gewickelt. Echt gewöhnungsbedürftig. Doch vor 200 Jahren war das sehr beliebt, weiß Peter Knierriem und steckt eine weitere Kerze an. So sahen die Weihnachtsbäume in der Biedermeierzeit um 1820 aus, erzählt der 49-Jährige, der am Sonntag mit der Leiterin des Osterzgebirgsmuseums, Gabriele Gelbrich, eine Sonderausstellung in Lauenstein eröffnen wird.

Ausstellungsstücke im Schloss Lauenstein

Eine Pflaumentoffel-Sammlung ergänzt die diesjährige Weihnachtsausstellung in Lauenstein.
Eine Pflaumentoffel-Sammlung ergänzt die diesjährige Weihnachtsausstellung in Lauenstein.
Dieser drehbare Weihnachtsbaumständer mit Dampfmaschine ist vermutlich um 1900 entstanden.
Dieser drehbare Weihnachtsbaumständer mit Dampfmaschine ist vermutlich um 1900 entstanden.
Ein sich drehender Weihnachtsbaumständer mit Spieluhr von 1880.
Ein sich drehender Weihnachtsbaumständer mit Spieluhr von 1880.

Sie steht unter dem Titel „Von wegen stille Nacht. Weihnachten – Ein Streifzug durch zwei Jahrtausende Festkultur.“ Eines der größeren Exponate ist jener Biedermeierbaum, der im Raum zur Schlossgeschichte bewundert werden kann. Das saftige Grün dieses künstlichen Baumes passte in die feinen Stuben des Bürgertums, erzählt Knierriem weiter und schlägt eine Brücke zu heute. „Die Diskussion, ob ein es Kunst- oder Naturbaum sein sollte, ist älter als viele vermuten.“ Knierriem gilt als Fachmann auf dem Gebiet der weihnachtlichen Festkultur. Mit der beschäftigt sich der Historiker und Archäologe, der hauptberuflich das Rochlitzer Schlossmuseum leitet, seit über 20 Jahren in seiner Freizeit.

Seine Leidenschaft dafür wurde auf einem Trödelmarkt entfacht. Dort entdeckte er eine knapp 100 Jahre alte Glaskugel, die die Form einer damals sehr bekannten Geschosshülse hatte, die der Dicken Bertha. „Sie galt im Ersten Weltkrieg als Wunderwaffe“, sagt er. Das fand er aber erst später heraus, als er sich in das Thema vertiefte. Fortan sammelte er alles rund um den Weihnachtsbaum und dessen Schmuck. Sein Fundes ist groß, „Meiner besseren Hälfte ist er schon zu groß“, sagt der Historiker, der in Wechselburg wohnt, mit einem Lächeln. Er selbst sammelt noch. Denn das Thema hat ihn nicht losgelassen.

Beim Sammeln fielen ihm kuriose Dinge und Überraschendes in die Hände. Zu letzteren gehören Fundstücke aus den Kriegszeiten. „Weihnachten wurde missbraucht“, sagt er. Es begann schon im Deutsch-Französischen Krieg 1870/1871. Das Weihnachtsfest 1870 wurde als Kriegsweihnacht begangen. Christbäume schmückten Lazarette und Kampfunterstände. In der damals populären Zeitschrift „Die Gartenlaube“ erschien ein Bild vom Preußenkönig Wilhelm unter einem Weihnachtsbaum im Schloss Versailles. Das verbreitet sich im Reich. Der Christbaum wurde zum Symbol des deutschen Wesens stilisiert, sagt Peter Knierriem. Selbst in den deutschen Regionen, in denen der Brauch vom Christbaum aufstellen nicht gepflegt wurde, ist er plötzlich populär geworden.

Im Ersten Weltkrieg spiegelte sich die anfängliche Kriegsbegeisterung auch Weihnachten wieder. Bildverlage druckten markige Feldpostkarten, Glasbläser fertigten Gläserne U-Boote und Seeminen. Später folgte die Ernüchterung. „Und auch das wurde reflektiert“, sagt Peter Knierriem und zeigt auf eine Karikatur aus dem Jahr 1916, die ein Engelchen mit Gasmaske zeigt, das dem Jesuskind einen Stahlhelm, eine Drahtschere, einen Spaten und Stiefel schenkt. Auch die Nationalsozialisten missbrachten das Fest und versuchten es, von seinen christlichen Wurzeln zu trennen. Sie wollten germanische Bräuche wiederbeleben. „Aus dem Christbaum wurde eine Jultanne“, erzählt Peter Knierriem. Alte Weihnachtslieder erhielten neue Texte. Ältere Menschen sprechen ihn nach Ausstellungseröffnung darauf an. „Einige bestätigen mir das, andere haben Weihnachten ganz anders erlebt. „Die Diskussionen nach den Ausstellungseröffnungen sind immer sehr spannend“, sagt der Historiker. Deshalb möchte auch dabei sein.

Stoff für Gespräche gibt es allemal. Denn Peter Knierriem hat die Geschichte von Weihnachen auf mehreren illustrierten Schautafeln anschaulich nachgezeichnet. Und seine Exponate aus der Barockzeit, dem späten 19. und dem frühen 20. Jahrhundert laden zum Nachfragen ein. So wie der sich drehende Weihnachtsbaumständer, der um 1880 groß in Mode war und heute noch fasziniert. Einmal aufgezogen drehte er nicht nur der Baum. Im blechernen Gehäuse befindet sich eine Spielzeuguhr, die Weihnachtslieder zu spielen beginnt. Interessant ist auch der Ständer Marke Eigenbau. Ein Tüftler ergänzte ihn um 1900 um ein Getriebe, das mithilfe einer Kinderdampfmaschine in Bewegung gesetzt werden konnte. Absolut sehnswert. So wie die gesamte Ausstellung.

Weihnachtsausstellung in Lauenstein, Eröffnung 29.11.; 14 Uhr; bis zum 7.2., Di. bis So. 10 bis 16.30 Uhr