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Wie Bauern im Osterzgebirge lebten

Rikarda und Günter Groß betrachten in ihrem neuen Buch Hennersbach, Börnersdorf und Liebstadt im Wandel der Zeit.

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© Karl-Ludwig Oberthür

Von Anja Ehrhartsmann

Osterzgebirge. Um 5 Uhr stand Werner Schubert auf, je nach Arbeitspensum auch schon früher. Zuerst wurden die Tiere versorgt, hauptsächlich gab es Pferde und Kühe auf dem Hof seiner Eltern in Hennersbach, damals, um 1950. Nach dem Melken wurden die Tiere gefüttert, dann gab es Frühstück. In der Erntezeit ging es nun mit dem Leiterwagen aufs Feld, der von Pferden gezogen wurde. Abends, wenn die Bauern nach einem langen Arbeitstag vom Feld kamen, wurden wieder die Tiere versorgt: erst Melken, dann Füttern. So beschreibt Werner Schubert das Alltagsleben der Bauern vor der Gründung der Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaft (LPG). Gesprochen hat er darüber mit Rikarda und Günter Groß aus Dippoldiswalde, die im Buch über Hennersbach, Börnersdorf und Liebstadt die Veränderungen der Arbeits- und Lebenswelt in den vergangenen 100 Jahren beleuchten. Herausgegeben vom Museum Dippoldiswalde, ist es der sechste Teil einer Buchreihe über Dörfer auf dem Osterzgebirgskamm.

Heuernte bei Familie Scherbers in Börnersdorf um das Jahr 1940.
Heuernte bei Familie Scherbers in Börnersdorf um das Jahr 1940. © Fotos: Privat/Familie Hamisch/ Scherber
Dieter Saupe schiebt in den 1980er-Jahren einen Stollen in den Backofen seiner Bäckerei.
Dieter Saupe schiebt in den 1980er-Jahren einen Stollen in den Backofen seiner Bäckerei. © Foto: Privat/Familie Saupe
Ingeborg Schmidt mit dem von ihrem Mann Helmut um 1950 gefertigten Drehbutterfass.
Ingeborg Schmidt mit dem von ihrem Mann Helmut um 1950 gefertigten Drehbutterfass. © Foto: Privat/Günter Groß

„Die Veränderungen in der Landwirtschaft haben wesentlich dazu beigetragen, dass sich das Leben der Menschen veränderte“, sagt Günter Groß. „Die Bauern haben früher einen eigenen Hof bewirtschaftet und gingen jetzt als Angestellte zur Arbeit bei der LPG.“ Dort bewirtschafteten sie die nun viel größeren Felder oder versorgten die Tiere in den großen Ställen, die dort zentral untergebracht waren.

Auch das Ende des Zweiten Weltkrieges sei in den Dörfern zu jener Zeit noch spürbar gewesen. „Börnersdorf hatte 1945 400 Einwohner. Dazu kamen 363 Flüchtlinge und Vertriebene.“ Vor allem auf den Bauernhöfen fanden die Menschen Unterschlupf. „Die Vertriebenen konnten ja nicht wieder zurück und sind zum Teil dort geblieben.“ Auch das Ortsbild sei noch ein ganz anderes gewesen. Die Dörfer waren eigenständig, es gab viele Handwerksbetriebe und Wirtshäuser. „Heute sind die meisten Dorfgasthöfe geschlossen.“ Auch viele Handwerksbetriebe seien mittlerweile stillgelegt. In Börnersdorf gab es etwa die Böttcherei Schmidt, die um 1963 schloss. Zinkwannen und Jauchenfässer verdrängten die Böttchereierzeugnisse aus Holz, sagt Groß. Auch das Butterfass wurde immer weniger nachgefragt. „Die Bauern hatten ja keine Kühe mehr und konnten ohne Milch selbst keinen Butter mehr herstellen. So wurde das Butterfass Geschichte.“

In der Nähe der Dörfer sei immer eine größere Stadt gewesen, als kommunales Zentrum. Für Hennersbach und Börnersdorf war das Liebstadt, erklärt Groß. Im Buch wird die Entwicklung des Einzelhandels dargestellt. „Die letzten kleinen Geschäfte, die dort noch existierten, haben wir in das Buch reingenommen. Die Leute leben ja alle noch, die die Geschäfte früher hatten.“

Zwei Jahre haben Rikarda und Günter Groß an ihrem Buch gearbeitet. „Es beginnt immer damit, in den Orten Gesprächspartner zu finden“, erklärt Groß. Dazu ging das Ehepaar in jedem Dorf von Tür zu Tür. Mit mehr als 50 Leuten hätten sie im Zuge ihrer Recherche gesprochen, schätzt der 78-Jährige. Darunter waren viele Zeitzeugen und deren Angehörige. „In den Familien gibt es noch viele alte Alben und Briefe. Wir bitten die Leute darum, uns diese Dinge zur Verfügung zu stellen.“ Auch aus Archiven trugen sie Material zusammen. Das Endergebnis umfasst 500 Abbildungen und viele Erlebnisse auf 130 Seiten. „Es sind mehrere Geschichten, die mich besonders berührt haben.“ Als Beispiel nennt der 78-Jährige, der bis zu seiner Pensionierung das Dippser Museum geleitet hat, das harte Leben von Werner Schubert als Bauer. „Aber es sind so viele Dinge.“ Ob es einen siebten Band geben wird? Vielleicht, wenn Kraft und Zeit noch reichen.

Den sechsten Band „Hennersbach, Börnersdorf, Liebstadt“ gibt es für 15 Euro in der Osterzgebirgsgalerie und im Museum zu kaufen.