Merken

Wie auf dem Schlachtfeld

Ein anonymer Anrufer hat neuerliche Zerstörungen am und im Bahnhofsgebäude gemeldet. Der Eigentümer tritt den Rückzug an.

Teilen
Folgen
© André Braun

Von Heike Heisig

Leisnig. Erwin Feurer sammelt Bilder von den Wänden, rollt ein paar Plakate zusammen. „Das nehme ich mit, als Erinnerung“, sagt der Schweizer. Ihm gehört das Bahnhofsgebäude seit ein paar Jahren. In dieser Zeit hat er Fenster erneuert, ständig Türen vernagelt, Dächer repariert. Er schwankt zwischen Resignation und Wut. Wer zuletzt in das Haus eingestiegen ist, hat ein Schlachtfeld hinterlassen. „Das sieht nach Krieg aus“, beschreibt er die Zerstörungen.

An mehreren Stellen im Haus wurde Feuer gelegt, sogar eine Bibel verbrannt.
An mehreren Stellen im Haus wurde Feuer gelegt, sogar eine Bibel verbrannt. © André Braun
Stühle aus verschiedenen Zeitepochen haben die Einbrecher zerschlagen.
Stühle aus verschiedenen Zeitepochen haben die Einbrecher zerschlagen. © André Braun
Mit einem dicken Balken sind Fensterscheiben zerschlagen worden.
Mit einem dicken Balken sind Fensterscheiben zerschlagen worden. © André Braun

In einem der Treppenhäuser liegen zerschlagene Stühle, ein Türblatt und Stücke des Holz-Geländers, das wohl eines der liebenswerten Details in diesem Teil des Bahnhofsgebäudes gewesen ist. Es scheint, als sind die Einbrecher mit der Axt durchs Haus gezogen. Mobiliar, das sie nicht kaputt geschlagen haben, steht in einem Raum unterm Dach: ein Tisch und ein wuchtiges Sofa. Möglicherweise sind bei dessen Transport die Streben des Geländers ganz oben weggebrochen. Wer dort steht, und das Gleichgewicht verliert, stürzt zwei Stockwerke in die Tiefe – im Moment auf zertrümmerte Stühle. „Schade um die Möbel“, findet Erwin Feurer. Sie seien aus der Zeit des Jugendstils und des Barocks gewesen, eine Familie habe sie ihm überlassen.

Dass er nahezu nichts wieder heil aus dem Bahnhofsgebäude holt, was er hier einmal hineingeschafft hat, das hat sich der Schweizer nicht träumen lassen. Seit er mit seinen Ideen nach Leisnig gekommen ist, werde das Haus beschmiert, später seien eine Menge Baumaterial und Gerüste verschwunden. Inzwischen werde alles, was noch im Gebäude verblieben ist, zerstört. „Erst dachte ich noch, hier toben sich verschiedene Gruppen aus. Doch inzwischen nehme ich das persönlich“, sagt Feurer. Von materiellen Schäden will er da gar nicht unbedingt sprechen. Er sieht, dass nun die Gebäudesubstanz Schaden nimmt. Das stimmt ihn traurig, nicht nur des Denkmals wegen. „Bahnhöfe sind überall auf der Welt magische Orte“, findet der Schweizer. „Auch für die Stadt Leisnig ist das schade. Hier ist der Eingang zur Stadt“, sagt er. Viele Leisniger sehen das genauso. Trotzdem kann der Eigentümer so gut wie nichts mehr tun, um den Leisnigern dieses Haus zu erhalten.

Schließt er heute ein Dach- oder Seitenfenster, ist es am nächsten Tag wieder eingeschlagen, Regen dringt ein. Am Blitzschutz ist manipuliert worden. An mehreren Stellen im Haus gibt es Brandspuren. Die letzten Schäden habe ihm und seiner Architektin ein anonymer Anrufer mitgeteilt. Aus den Worten habe er Schadenfreude gehört. „Da treibt jemand bewusst die Schädigung des Hauses voran“, ist sich der Eigentümer sicher.

Letztlich fragt er sich immer wieder: „Wer macht so etwas, und warum? Jemand, der die Immobilie selbst gern hätte? Jugendliche, die frustriert sind? Ich habe für vieles Verständnis“, versichert Feurer. „Nicht aber dafür, dass jemand alles kaputt macht, sich aber nicht helfen lassen will.“

Anzeigen bei der Polizei haben dem Schweizer bisher nichts gebracht. Weiteren Vandalismus könne aus seiner Sicht nur eine stetige Nutzung verhindern. Auf Schloss Radibor, das ihm ebenfalls gehört, habe er solche Sorgen wie in Leisnig nicht. „Da haben die Leute noch Respekt vor dem Einsatz anderer.“

Am Ende kann Feurer nur zusehen, wie das Bahnhofsgebäude weiteren Schaden nimmt, weil es nicht zu sichern ist. „Wir sind hier an einem Punkt angekommen, an dem es rückwärts geht“, stellt er fest. Einen Käufer hat der Schweizer bisher nicht gefunden: „Das tut sich keiner mehr an.“ Nutzern und deren Ideen steht Feurer weiterhin offen gegenüber – solange die Räume überhaupt noch genutzt werden können.