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Wertvolle Eiche am Lutherdenkmal gefällt

Weil kaum noch jemand um die Bedeutung der Bäume wusste, starben in Bad Schandau jetzt über 200 Jahre Geschichte.

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Von Lars Kühl

Die über 200 Jahre, die sie auf dem Buckel hat, sind ihr nicht wirklich anzusehen. Zugegeben, hoch ist sie ja, doch was sie genau an Jahresringen vorzuweisen hat, bleibt ihr Geheimnis. Und dennoch ist sie nicht mehr dieselbe wie früher. Sie ist jetzt allein. Die historisch so wertvolle Eiche am Lutherdenkmal, auf halber Höhe zwischen Bad Schandau und Ostrau, hat ihren Nachbarbaum, ein nicht minder bedeutsames Gewächs der selben Gattung, verloren. Einfach abgeholzt. Der gerade Schnitt des roh abgesägten Stumpfes scheint das blanke Entsetzen regelrecht auszudrücken.

Dabei war das Ansinnen der Waldarbeiter, die die Bäume vor ein paar Wochen gefällt hatten, ein durchaus positives. Das 1817 im Fels errichtete Lutherdenkmal sollte wieder frei geschnitten werden. Den Auftrag dazu hatten sie von der Stadt Bad Schandau, der der Wald gehört. Ihre Arbeit haben die Forstleute auch gut gemacht. Vom Stadtpark aus sieht man das besondere Denkmal wieder deutlich und weithin. Und von oben, vom kleinen Plateau, hat man jetzt freie und beste Sicht ins Tal.Von Wartburg transportiert

Leider waren die Arbeiter aber auch sehr gründlich. Eine Verkettung unglücklicher Umstände. Denn viele im Kurort wissen nicht mehr, was es mit den Eichen am Lutherdenkmal auf sich hat. Ursprünglich waren es mal drei, erzählt Synnöve Wustmann aus Ostrau, die über das Absägen der Eiche entsetzt ist. Die kamen vor knapp 200 Jahren von der Wartburg in Eisenach, wo der Reformator das Neue Testament übersetzt hatte, nach Schandau. 300 Jahre, nachdem Martin Luther seine Thesen an die Tür der Schlosskirche von Wittenberg schlug, wollte man ihn 1817 auch in Schandau ein Denkmal setzen. Baderbauer Kaufmann Hering wird in alten Chroniken als Initiator angegeben.

Bereits ausgewachsene Bäume müssen das damals gewesen sein. Der gut 300 Kilometer lange Transport, wahrscheinlich auf einem Pferdewagen, dürfte eine Weile gedauert haben. Eine der Eichen sei wohl ziemlich schnell eingegangen, berichtet Synnöve Wustmann. Doch die anderen beiden hielten durch. Gemeinsam. Sie wuchsen, gerade mal einen guten Meter voneinander getrennt, zu stattlichen Bäumen auf. Sie bildeten, so steht es im Band 46 der kürzlich geretteten Sächsischen Elbzeitungen vom 8. Juni 1881, „zu einer erhabenen majestätischen Gestalt sich entwickelnden Eichen eine gar prächtige Zierde“. Zwischen ihnen war immer ein Schild befestigt, das auf die berühmte Herkunft verwies. Das wurde zwar ein paar Mal ersetzt, doch es war immer da.

Schandaus Bürger wussten Bescheid. Auch, weil der Gebirgsverein Saxonia den Platz 1881 und 1900 erneuern ließ. Oft fanden die Reformationsfeiern am Lutherplatz statt. Früher stand auch eine Bank am Denkmal. Der Platz war ein beliebtes Ausflugsziel, wie die Sächsischen Elbzeitungen weiter berichten: „…als ein Lieblingsplätzchen der Einwohner sowohl als auch der hier weilenden Fremden“.

Schon vor der politischen Wende muss es dann gewesen sein, als das Schild aber endgültig verschwand, erinnert sich Synnöve Wustmann. Mit ihm auch die Erinnerung an die wertvollen Bäume. Trotzdem kann die Ostrauerin nicht verstehen, wie das Sägemalheur passieren konnte. „Ich kann nicht einen Baum wegnehmen, wenn sie so gewachsen sind.“ Sie hatte zwar von den Fällarbeiten erfahren. Weil diese aber wegen der unwegsamen Hanglage so kompliziert waren und der Lutherweg deshalb zu großen Teilen abgesperrt wurde, konnte sie die Forstarbeiter nicht persönlich warnen. Sie war davon ausgegangen, dass die Stadtverwaltung auf die besonderen Eichen hingewiesen hatte. Dem war aber nicht so. Denn dort wusste niemand, was das für Bäume sind, erklärt Andrea Wötzel, der der Vorfall sehr unangenehm ist.

Ein Förster der Nationalparkverwaltung hatte bei einem Ortstermin gemeinsam mit einer Bearbeiterin der Stadtverwaltung die einzelnen zu fällenden Bäume festgelegt, erklärt Nationalparksprecher Hanspeter Mayr. „Sowohl Stadtverwaltung als auch wir hatten nur Kenntnis von einer Luthereiche.Die größere der beiden Eichen blieb deshalb natürlich stehen. Dass es sich bei der deutlich kleineren Eiche um eine zweite Luthereiche gehandelt haben soll, war uns nicht bekannt.“

Auch dem Bad Schandauer Museumsverein ist das versehentliche Absägen der Eiche nicht entgangen. Sehr ärgerlich sei das, sagt Andrea Bigge, die Vorsitzende. Sie und Synnöve Wustmann fordern deshalb, den verbliebenen Baum zu schützen und mit einem Schild über seine Bedeutung zu informieren. Die Stadt signalisiert ihrerseits bereits Gesprächsbereitschaft. Andrea Wötzel: „Wir wollen das wieder sichtbar machen, damit es der nächsten Generation nicht so geht, wie es uns jetzt passiert ist.“ Auch die Nationalparkverwaltung will das Aufstellen einer Erläuterungstafel unterstützen, erklärt Mayr.