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Werben um künftige Ärzte

Zwölf Studenten schauen sich im Fachkrankenhaus Bethanien und der Tagesklinik um. Auch in der Psychiatrie und Psychotherapie fehlen Fachleute.

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© Dietmar Thomas

Von Sylvia Jentzsch

Döbeln/ Hochweitzschen. Pia-Luise Hölbing (20) will Medizinerin werden. Welche Fachrichtung sie künftig einschlagen wird, hat sie noch nicht entschieden. Zurzeit studiert sie im fünften Semester Humanmedizin an der Universität in Leipzig. Eine Mail habe ihr Interesse an der Aktion „Ärzte on Tour“ geweckt. „Ich habe mich dafür angemeldet, um mich zu informieren und so eine Grundlage für spätere Entscheidungen, wie die Richtung der Facharztausbildung, zu haben“, sagte Pia-Luise Hölbing aus Weimar. Sie habe schon drei Pflegepraktika in größeren Städten wie Weimar, Leipzig und Rostock absolviert. Nun wolle sie erfahren, wie es auf dem Land ist.

Zum ersten Mal ein bestimmter Fachbereich im Fokus

Die sächsische Landesärztekammer war mit ihrem Netzwerk „Ärzte für Sachsen“ zum siebente Mal „On Tour“. Das Besondere: Erstmals stand ein bestimmtes Facharztgebiet im Fokus. Zwölf Medizinstudenten aus verschiedenen Semestern lernten die Perspektiven in der psychiatrischen Versorgung in Mittelsachsen kennen. Sie besuchten die Diakonie Kliniken Zschadraß, das Fachkrankenhaus Bethanien Hochweitzschen und die Psychiatrische Institutsambulanz (PIA) in Döbeln.

„Wir wollen mit der Aktion bei den Studenten die Neugier für die Fachrichtung Psychiatrie und Psychotherapie wecken, da diese beim Studium zu wenig Beachtung finden. Es gibt nur einen Kurs in einem Semester“, sagte Martin Kandiza vom Referat Presse und Öffentlichkeitsarbeit bei der sächsischen Landesärztekammer. Dabei sei es eine wichtige Fachrichtung, wie die Fallzahlen beweisen. „Nicht nur bei den Hausärzten gibt es Nachwuchsmangel, sondern auch im psychiatrischen Bereich“, so Martin Kandiza.

Krankenhäuser im ländlichen Bereich haben auch Vorteile

Seit 2012 gibt es die Aktion „Ärzte für Sachsen on Tour“. „Die Studenten sollen dabei die ländlichen Regionen und ihre Vorteile kennenlernen. Denn das Medizinstudium findet nur an Unikliniken statt“, so Martin Kandiza. Als Vorteile für Ärzte in ländlichen Krankenhäusern nennt der Mitarbeiter der Ärztekammer die besseren Fördermöglichkeiten aufgrund des übersichtlichen Personals, die Übertragung von vielfältigen Aufgaben und die schnellere Übertragung von Verantwortung. „Wenn sich die Studenten, zum Beispiel für eine Famulatur, dabei handelt es sich um ein Praktikum, entscheiden, lernen sie das Haus besser kennen“, so Martin Kandiza. Und wenn sich dann auch noch die Facharztausbildung in dieser Klinik anschließe, sei das für beide Partner ein guter Start. Pia-Luise Hölbig könnte sich eine einmonatige Famulatur im Fachkrankenhaus Bethanien gut vorstellen. Vielleicht lerne sie hier Methoden, die es in der Uniklinik nicht gibt.

Junge Mediziner haben viele Alternativen

Zu den zwölf Studenten, bei denen das Angebot der sächsischen Ärztekammer ebenfalls Interesse weckte, ist Dimitry Desser (27). Er studiert im siebten Semester Humanmedizin an der TU in Dresden. Er stammt aus Usbekistan, lebt aber schon seit 13 Jahren in Dresden. „Ich fand das Thema der Tour interessant, da ich zurzeit ein Bewerbungsverfahren für eine Promotion in dieser Richtung habe“, sagte der 27-Jährige. Es sei zwar schön, wenn es an den ländlichen Kliniken familiär zugehe und es eine gute Teamarbeit gebe, aber für den Medizinstudenten haben die Kriterien Forschungsprofil, Ausstattung , Weiterbildung und Gehalt bei der Entscheidung für einen Arbeitsort oberste Priorität. Wenn die Famulatur bezahlt werden würde, könnte sich Dimitry Desser ebenfalls ein Praktikum im Fachkrakenhaus Bethanien vorstellen.

Das Fachkrankenhaus Bethanien gibt Medizinstudenten ein Darlehn

Die Medizinstudenten werden regelrecht von den Kliniken umworben. Martin Kandiza kennt etwa 13 Krankenhäuser, die mit Stipendien in verschiedenen Formen die jungen Leute für eine Zukunft in ihrem Haus interessieren wollen. Dazu gehört auch das Fachkrankenhaus Bethanien. Seit diesem Jahr bietet es ein Darlehn für Studenten an.

„Wir unterstützen Medizinstudenten mit monatlich 300 Euro für zwölf Semester“, so der ärztliche Direktor des Fachkrankenhauses Dr. Rudolf Lehle. Das Darlehn muss nicht zurückgezahlt werden, wenn die Mediziner im Gegenzug nach dem Studium fünf Jahre als Assistenzarzt im Fachkrankenhaus arbeiten. In dieser Zeit können sie ihre Facharztausbildung zum Psychiater absolvieren. Fachliche Unterstützung gibt es dafür ebenfalls vom Krankenhaus. „Das Angebot gilt auch für Quereinsteiger und nicht nur für Studienanfänger“, so Lehle. Er hofft, dass sich jedes Jahr zwei Medizinstudenten finden, die dieses Angebot annehmen.

„Wir wollen mit diesem Angebot junge Mediziner für unser Fachkrankenhaus interessieren. Uns ist bewusst, dass wir mit den Zentren wie Leipzig und Dresden nicht konkurrieren können. Aber die Region und wir als Fachkrankenhaus haben etwas zu bieten“, so Rudolf Lehle. Er nennt die gute Anbindung zu den Autobahnen nach Leipzig, Dresden und Chemnitz und die weichen Standortfaktoren. Döbeln habe ein Schwimmbad, ein Theater, ein Kino und viel Kultur. Es gibt Kita-Plätze, Grund- und weiterführende Schulen. Der ärztliche Direktor hebt die reizvolle Kulturlandschaft in Mittelsachsen besonders hervor. Und wer will, könne sogar im parkähnlichen Gelände in Hochweitzschen eine Wohnung beziehen.

Dass sie gefragt sind, wissen die Medizinstudenten genau. Doch das Geld allein ist für Pia-Luise Hölbing nicht ausschlaggebend. „Ich finde es grundsätzlich gut, dass es dieses Angebot gibt. Es ist für die Studenten geeignet, die sich für die Fachrichtung Psychiatrie interessieren und diesen Weg gehen wollen“, so die Medizinstudentin. Sie selbst könne sich nicht vorstellen, sich an eine Klinik zu binden. Sie will sich die Freiheit bewahren, erst später zu entscheiden, welche Fachrichtung sie einschlagen will.

Michael Veihelmann, theologischer Geschäftsführer des Fachkrankenhauses Bethanien, war auf die sächsische Landesärztekammer zugegangen, um sozusagen die Tour der Medizinstudenten nach Hochweitzschen und Döbeln zu lenken. „Wir haben im ländlichen Raum einige Vorteile und die müssen wir den jungen Leuten zeigen“, so Geschäftsführer Veihelmann. Bei einem Rundgang und in persönlichen Gesprächen machten er, der kaufmännische Geschäftsführer Dirk Herrmann und der ärztliche Direktor Dr. Rudolf Lehle auf die verschiedenen Möglichkeiten, die das Fachkrankenhaus Bethanien bietet, aufmerksam.