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Wer zahlt für den Straßenausbau?

Auch die Anlieger in Kamenz werden zur Kasse gebeten. Allerdings unterschiedlich hoch. Ein Beispiel: die Goethestraße.

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© Matthias Schumann

Von Frank Oehl

Kamenz. Die Stadt Kamenz hat in ihrer ureigenen kommunalen Verantwortung in 20 Jahren genauso viele Straßen grundhaft erneuert, was zumeist einem Neubau gleichkam. Die genannte Zeitspanne ist auch an das Wirken eines bestimmten Finanzierungsmodells gebunden – an einen Anteil, den die anliegenden Grundstücksbesitzer mit zu erbringen hatten. Das regelt in Kamenz seit dem 19. Juni 1996 eine Straßenausbaubeitragssatzung, die 2001 novelliert wurde, sich aber stets an das sächsische Kommunalabgabegesetz (KAG) von 1993 orientierte. Es geht davon aus, dass private Anliegergrundstücke auch mit sanierten Straßen einen gewissen „Wertzuwachs“ erfahren, der nicht allein von der Allgemeinheit zu erbringen ist. So weit, so klar. In der Praxis überraschen die Unterschiede, die hier und da gemacht werden. Auch im Bauausschuss des Stadtrates kamen sie jetzt wieder zur Sprache.

Ist ein Straßenausbaubeitrag wirklich unumgänglich?

Vor fast fünf Jahren haben Verwaltungsrichter im Freistaat klargestellt, dass das KAG zwar gilt, aber keine Kommune zur Erhebung von Straßenausbaubeiträgen gezwungen werden kann. Die Frage bleibt, wie der Ausbau von Straßen dann überhaupt durchzufinanzieren ist. Beim Straßenbau in neuen Eigenheimgebieten werden die Kosten auf den Grundstückspreis aufgeschlagen, was am Damm schon mal mit bis zu 10 Euro (!) pro Quadratmeter zu Buche schlug. Und im Sanierungsgebiet (Beispiel: untere Bautzner Straße) flatterte die Anliegerrechnung später über die sogenannten „Ausgleichsbeträge“ mit ins Haus.

Wie wird der Anliegerbeitrag am Straßenbau errechnet?

Die Höhe des Anliegerbeitrages wird grundsätzlich an den Gesamtbaukosten bemessen, die feststehen, sobald die letzte Baurechnung eingegangen ist. Das KAG hat nur geregelt, wie hoch der Eigenanteil der Kommunen für drei Straßenkategorien sein soll. Daraus ergeben sich auf der anderen Seite die möglichen Beitragsprozente für die Anlieger, also die „Mitbegünstigten“ des jeweiligen Vorhabens. Die bislang gültige Kamenzer Ausbaubeitragssatzung bleibt etwas darunter: für Anliegerstraße (wie Am Hutberg) sind es 65 Prozent, für Haupterschließungsstraßen (wie Goethe- und Weinbergstraße) sind es 40 Prozent und für Hauptverkehrsstraßen (wie die Macherstraße) 15 Prozent. Der genannte Prozentsatz der Gesamtkosten wird auf alle Anliegerflächengrößen und entsprechend der jeweiligen Bebauung ausgerechnet. Und dann auf die Anwohner umgelegt.

Was beeinflusst die Höhe des Ausbaubeitrages außerdem?

Wenn sich Dritte am Straßenausbau beteiligen, verringern sich die umlagefähigen Kosten um diesen Aufwand. Das können Medienträger sein, die einen Teil der Straßensanierungskosten übernehmen, bevor sie ihre auszuwechselnden Abwasserkanäle oder Stromkabel später auf eigene Kosten in die Erde bringen müssen. Das ist ein Verhandlungsergebnis und keine Verpflichtung, bekräftigte im Bauausschuss noch einmal OB Roland Dantz. Der von ihm zwar geführte, aber nicht allein bestimmte Abwasserzweckverband Obere Schwarze Elster (AZV) hat es abgelehnt, sich an den Baukosten der Goethestraße zu beteiligen, weil der Straßenzug völlig verschlissen ist. Anlieger machen dafür auch den AZV mit verantwortlich, weil die Straße auch von unten schwer in Mitleidenschaft gezogen worden sei. Dieser Auffassung ist der AZV mit seinem Geschäftsbesorger, der Ewag Kamenz, nicht gefolgt.

Wie wirkt sich der Ausbau in der Goethestraße auf die Anlieger aus?

Dramatisch. Zum Vergleich: In den 20 städtischen Straßenausbauten der vergangenen 20 Jahren wurde insgesamt knapp eine Million Euro an Beiträgen kassiert. Die Anlieger der Goethe- und der 2017 zu sanierenden Weinbergstraße müssten allein mehr als 400 000 Euro aufbringen. Die Umlage ist hier auch dadurch belastet, weil es an der Goethestraße viele unbebaute Flächen (Jahnsportplatz, altes Stadtbad) gibt, was sich auf noch höhere Beiträge bei den bebauten Flächen auswirkt. Der Einheitsbetrag pro Quadratmeter Nutzfläche wurde mit 3,91 Euro errechnet – der mit Abstand höchste bisher. Zum Vergleich: In der Saarstraße sind es 1,64 Euro.

Was schlägt die Verwaltung zur Abmilderung der Umlage vor?

Das Rathaus hat eine durch den Stadtrat 2014 verworfene Satzungsänderung erneuert. Demnach würden ab sofort die Anteile der Betragspflichtigen bei Anliegerstraßen auf 22,5 Prozent, bei Haupterschließungsstraßen auf 15 und bei Hauptverkehrsstraßen auf 7,5 Prozent gesenkt. Auf der Goethestraße und Weinbergstraße würde der Einheitsbetrag auf 1,45 Euro pro Quadratmeter sinken. Auf der anderen Seite verringerten sich die Einnahmen der Stadt um erkleckliche 250 000 Euro. Das Manko ist im Etatentwurf für 2017 schon eingepreist. Der Bauausschuss hat zugestimmt, der Stadtrat entscheidet am 2. November.