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Wer wirkt wie?

Der Marketingexperte Dirk Popp denkt laut über die Plakate der Dresdner Direktkandidaten nach.

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Von Nadja Laske

Viele haben die Wahlkampfzeit nicht überstanden. Wurden beschmiert, übermalt, heruntergerissen. Über das Rowdytum an öffentlicher Wahlwerbung wurde viel geschrieben. Einen Teil der Plakate zeigen wir an dieser Stelle – verbunden mit einer Expertenmeinung: Dirk Popp hat über viele Jahre die PR-Agentur Ketchum Pleon und ihre Vorläufer geleitet. Inzwischen ist der 51-Jährige auf Kommunikations- und Krisenberatung spezialisiert. Wie wollen die Direktkandidaten auf ihre potenziellen Wähler vermutlich wirken, und was davon kommt wirklich an?

Wahlplakate der Direktkandidaten im Check

autentisch & beliebig "Fröhlich, freundlich und konservativ in der Ansprache: Andreas Lämmel, Direktkandidat der CDU wirkt authentisch, man trifft ihn vermutlich auch so in der Realität.  Der Gesamtaufbau und die Bildsprache des Plakates sind allerdings kaum akzentuiert. Eine spezifische politische Aussage ist nicht zu entdecken. Das ist ein ganz typisches Parteien-Wahlplakat, wie man es schon tausendfach auch woanders und von anderen Parteien gesehen hat. Kann man so machen. Muss man aber nicht."
autentisch & beliebig "Fröhlich, freundlich und konservativ in der Ansprache: Andreas Lämmel, Direktkandidat der CDU wirkt authentisch, man trifft ihn vermutlich auch so in der Realität. Der Gesamtaufbau und die Bildsprache des Plakates sind allerdings kaum akzentuiert. Eine spezifische politische Aussage ist nicht zu entdecken. Das ist ein ganz typisches Parteien-Wahlplakat, wie man es schon tausendfach auch woanders und von anderen Parteien gesehen hat. Kann man so machen. Muss man aber nicht."
stimmig & glaubwürdig "Thomas Löser wirbt als einer der wenigen mit einem klaren politischen Ziel: Wohnen muss bezahlbar sein. Damit ist das Thema erklärt, der Betrachter weiß, worum es dem Direktkandidaten der Grünen geht. Thomas Löser wirkt authentisch, in der Machart professionelle Lässigkeit. Die Schieber-Mütze lässt man üblicherweise weg. Aber sie gehört halt zur Person, hat in der Gesamtheit betrachtet ihren Sinn und wirkt stimmig. Diesem Kandidaten nimmt der Adressat seinen Antritt ab."
stimmig & glaubwürdig "Thomas Löser wirbt als einer der wenigen mit einem klaren politischen Ziel: Wohnen muss bezahlbar sein. Damit ist das Thema erklärt, der Betrachter weiß, worum es dem Direktkandidaten der Grünen geht. Thomas Löser wirkt authentisch, in der Machart professionelle Lässigkeit. Die Schieber-Mütze lässt man üblicherweise weg. Aber sie gehört halt zur Person, hat in der Gesamtheit betrachtet ihren Sinn und wirkt stimmig. Diesem Kandidaten nimmt der Adressat seinen Antritt ab."
distanziert & unecht "Bild und Botschaft passen nicht zusammen. Das Plakat der Linken wirbt für Gemeinsamkeit, vermittelt aber Distanz zwischen den beiden Kandidaten Katja Kipping und Tilo Kießling – wirkt wie am Rechner zusammengestellt."
distanziert & unecht "Bild und Botschaft passen nicht zusammen. Das Plakat der Linken wirbt für Gemeinsamkeit, vermittelt aber Distanz zwischen den beiden Kandidaten Katja Kipping und Tilo Kießling – wirkt wie am Rechner zusammengestellt."
sinnlos & verschwendet "Die Partei präsentiert ihren Kandidaten Steffen Retzlaff als nicht ernst zu nehmen. Das mag den Betrachter belustigen oder beleidigen. Wahrscheinlich stammt das Motiv vom Besäufnis in der Eckkneipe. Geldverschwendung."
sinnlos & verschwendet "Die Partei präsentiert ihren Kandidaten Steffen Retzlaff als nicht ernst zu nehmen. Das mag den Betrachter belustigen oder beleidigen. Wahrscheinlich stammt das Motiv vom Besäufnis in der Eckkneipe. Geldverschwendung."
aggressiv & nett "Das Plakat der AfD attackiert „die da oben“, passend zur Strategie der Partei. Die deutsche Flagge im Hintergrund lässt Nationalismus anklingen. Trotzdem soll die Kandidatin Anke Willms mit künstlicher Freundlichkeit punkten."
aggressiv & nett "Das Plakat der AfD attackiert „die da oben“, passend zur Strategie der Partei. Die deutsche Flagge im Hintergrund lässt Nationalismus anklingen. Trotzdem soll die Kandidatin Anke Willms mit künstlicher Freundlichkeit punkten."
solide & langweilig "Hier sieht man einen ganz klassischen Bildaufbau, deshalb wirkt das Plakat des SPD-Direktkandidaten zwar absolut solide, aber leider wenig überraschend. Der Auftritt soll Seriosität widerspiegeln. Allerdings erscheint Christian Avenarius irgendwie ein wenig gequält.  Das Foto-Shooting hat ihm möglicherweise nicht besonders viel Spaß gemacht. Sein Blick ist leicht von oben herab, das strahlt nicht ganz so viel Vertrauen aus, obwohl meiner Vermutung nach genau das ja gerade das Ziel war."
solide & langweilig "Hier sieht man einen ganz klassischen Bildaufbau, deshalb wirkt das Plakat des SPD-Direktkandidaten zwar absolut solide, aber leider wenig überraschend. Der Auftritt soll Seriosität widerspiegeln. Allerdings erscheint Christian Avenarius irgendwie ein wenig gequält. Das Foto-Shooting hat ihm möglicherweise nicht besonders viel Spaß gemacht. Sein Blick ist leicht von oben herab, das strahlt nicht ganz so viel Vertrauen aus, obwohl meiner Vermutung nach genau das ja gerade das Ziel war."
ungeschminkt & direkt "Hier kommt der Underdog: unverstellt und direkt, Martin Schulte-Wissermann, der ungeschminkte Pirat. Deshalb ist das Bild nicht bearbeitet. Intellektualität zählt dennoch, also müssen Nickelbrille und Doktortitel sein."
ungeschminkt & direkt "Hier kommt der Underdog: unverstellt und direkt, Martin Schulte-Wissermann, der ungeschminkte Pirat. Deshalb ist das Bild nicht bearbeitet. Intellektualität zählt dennoch, also müssen Nickelbrille und Doktortitel sein."

Geschmäcker sind zwar verschieden, doch Marketing folgt Strategien und Gesetzmäßigkeiten. „Plakate sind immer nur Teil einer Gesamtkampagne“, sagt Dirk Popp. Normalerweise versuchen Kandidaten, sich mit politischen Botschaften zu verknüpfen. „Oft treibt das Blüten, entweder weil es gar keine Botschaft gibt, oder weil ungewollte Komik entsteht“, so Popp. Aus Marketingsicht sei der Einfluss von Plakaten auf die persönliche Wahlentscheidung relativ gering. Trotzdem wird munter plakatiert, weil, wer nicht mitmacht, dem politischen Gegner das Feld überlässt. „Allerdings können gut gemachte Kampagnen mit herausragenden Fotografien sehr wohl Aufmerksamkeit erzeugen und sich damit vom üblen Einerlei abheben.“

Wichtig seien der Eindruck von Dynamik und Energie und der direkte Blickkontakt mit dem Betrachter. Gut umgesetzt sieht Popp diese Anforderungen selten. Für Aha-Effekte oder großes Gähnen sorgt auch das Layout. „Dazu gehören unterschiedliche Lese-Ebenen. Klarer Vordergrund, klarer Hintergrund sind entscheidend“, sagt der Fachmann.

Wer am Ende des Wahlsonntages im Vorder- und wer im Hintergrund der künftigen Polit-Landschaft agieren wird, ist noch offen. Zeit, für letzte Orientierungen und Inspirationen. Zeit zu wählen.