Frances Scholz
Bautzen. Es herrscht Gedränge im großen Saal des Bautzener Theaters. Aufgeregt suchen Menschen ihren Platz. Nicht nur vor, sondern auch auf der Bühne gibt es an diesem Abend Sitzplätze. Insgesamt 170 Stühle hat das Theater zusätzlich aufgestellt. Denn die Nachfrage zum Wahlforum mit den Bautzener OB-Kandidaten ist groß. 588 Bautzener sind gekommen, um mehr über die Ideen und Ziele der Bewerber zu erfahren. Unter dem Motto „Quo Vadis Bautzen?“ haben die SZ und das Theater Bautzen zur Debatte eingeladen. Moderiert wird die Veranstaltung von Theaterintendant Lutz Hillmann und SZ-Redaktionsleiter Ulli Schönbach. Die Regeln des Abends lauten: Diskutiert wird über drei Schwerpunkte. Jeder Kandidat hat für seine Antwort zwei Minuten Zeit. Nach den Themenrunden kann das Publikum Fragen stellen.
Wie haben sich die OB-Kandidaten präsentiert?
Themenschwerpunkt 1: Was tun gegen Leerstand und für mehr Stadtleben?
Auf diese Frage hat Alexander Ahrens, Kandidat der Linken, der SPD und des Bürgerbündnis Bautzen, eine klare Antwort. „Ich möchte die ganze Stadt verknüpfen, dazu zählt für mich auch der Gesundbrunnen.“ Als schwierigste Aufgabe des neuen OB sieht er es an, den Ladenleerstand zu bekämpfen. Mike Hauschild, der als unabhängiger Kandidat antritt, wünscht sich mehr Abwechslung bei den Gaststätten. Andreas Hase, ebenfalls unabhängiger Bewerber, hält vor allem eine Umnutzung von leeren Geschäften zu Wohnungen für sinnvoll. CDU-Kandidat Matthias Knaak setzt beim Ladenleerstand auf eine bessere Zusammenarbeit zwischen der Wirtschaftsförderung und den Händlern. Einzelbewerber Andreas Thronicker gibt zu bedenken: „Es fehlt an Kaufkraft in der Stadt. Deshalb muss die Willkommenskultur verbessert werden, um mehr Leute nach Bautzen zu locken.“ Dafür erntet er langen Applaus. Jörg Urban von der AfD gibt Andreas Thronicker recht. „Deshalb sollte es Kurzzeitparkmöglichkeiten geben. Sonst verlieren Händler Kundschaft.“
Diskussionen gab es um die kleinen Straßenfeste, die laut Andreas Hase in der Stadt immer seltener werden. „Die Stadtverwaltung muss doch die Händler unterstützen, stattdessen werden sie nur abkassiert. Herr Knaak, was ist da in der Stadt passiert?“, wollte er von seinem Mitbewerber wissen. Der war völlig überrascht und gab zu bedenken, dass er nicht die Stadtverwaltung sei. „Trotzdem braucht die Stadt da andere Blickwinkel und neue Lösungswege“, sagt Matthias Knaak.
Themenschwerpunkt 2: Wie soll der OB mit dem Thema Asyl umgehen?
Mehr Sensibilität bei dem Thema Asyl wünscht sich Matthias Knaak. „Ein Bürgerbrief reicht nicht, wir brauchen Kontakte zu den Bautzenern.“ Andreas Hase verweist darauf, dass Ausländer in Großstädten längst zum Stadtbild gehören. „Man muss auch in Bautzen lernen, damit umzugehen.“ Mehr Austausch zwischen deutschen Kindern und Kindern von Flüchtlingsfamilien wünscht sich Andreas Thronicker. Jörg Urban verweist auf die Bundesebene. Deutschland biete zu viele Anreize für Wirtschaftsflüchtlinge. Aus dem Publikum kommt deutliche Zustimmung. Den Vorwurf Menschen aufzuhetzen, weist Urban zurück. Seine Partei spreche an, was die Bürger bewegt. Für mehr Respekt untereinander plädiert Mike Hauschild. Dazu zähle auch, die Menschen ernst zu nehmen und sich der Debatte mit Bürgerinitiativen gegen Asylheime zu stellen.
Das sieht auch Alexander Ahrens so und greift seinen Mitbewerber Matthias Knaak scharf an. „Sie fehlen als einziger Kandidat bei Veranstaltungen zu diesem Thema.“ Bei Teilen des Publikums macht Ahrens damit zwar Punkte, doch Knaak weist den Vorwurf energisch zurück. Auch er habe oft mit Bürgern gesprochen. Bei einem konkreten Termin habe er aus dienstlichen Gründen absagen müssen – das wisse Ahrens genau. „Ich finde Ihre Äußerung nicht in Ordnung“, reagiert Knaak erbost.
Themenschwerpunkt 3: Welche Vision haben die Bewerber für Bautzen?
Wie es in Bautzen in zehn Jahren aussieht, davon hat Andreas Thronicker eine genaue Vorstellung. „Ich wünsche mir eine pulsierende zweisprachige Stadt, in der Freude herrscht und die Innenstadt autofrei ist.“ Auf Unternehmensansiedlungen setzt hingegen Jörg Urban. „Mit mehr Jobs kommen auch mehr Familien“. Das sieht auch Alexander Ahrens so. „Ich möchte weitere Wohnungsbauflächen auf dem Gelände der ehemaligen Perfecta-Brache schaffen“, nennt er ein konkretes Projekt. Von einer wachsenden Stadt träumt Kandidat Andreas Hase. Auch die Stadtverwaltung will er umkrempeln. „Ich will keine Verwaltung, sondern ein Stadtmanagement“, sagt er. Mit der Verwaltung hat auch Mike Hauschild seine Probleme. Zugleich wehrt er sich gegen den Vorwurf, nur Polemik zu betreiben. „Die Stadtverwaltung ist wie eine Schildkröte. Wenn man sie immer wieder anstupst, dann ist das keine Polemik, sondern die Hoffnung, dass sich die Schildkröte vielleicht irgendwann doch bewegt.“
Mitbewerber Matthias Knaak fühlt sich von dieser Aussage angegriffen. „Herr Hauschild dann kommen Sie doch in die Verwaltung und suchen das Gespräch, dann wird es eine Lösung geben“, weist er den Kontrahenten zurecht. Der wirft Knaak daraufhin Unehrlichkeit vor. Ein kleinlicher Streit um einen Stadtratsantrag zum Thema Parklatz Schliebenstraße entbrennt. Es ist eine der wenigen Momente, in dem die Moderatoren eingreifen müssen.
Fragen aus dem Publikum: Bahnhof, Stausee und Jugend in Bautzen
Die Fragen aus dem Publikum streifen viele Themen: Der Zustand des Bahnhofs, das Zusammenleben von Deutschen und Sorben, mehr Angebote für die Jugend, aber auch die Suche nach Kitaplätzen und die weitere Entwicklung am Stausee werden angesprochen. Besonders viele Fragen richten sich an Alexander Ahrens.
Nach zwei Stunden endet die Debatte. Ein klarer Favorit beim Publikum ist nicht auszumachen. Angeregt wird auch nach dem Ende des offiziellen Teils im Foyer des Theaters diskutiert. Bis tief in die Nacht kämpfen die Bewerber bei Bier und Wein um die vielleicht entscheidenden Stimmen für den 7. Juni.