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Wer haftet?

Die Stadt baut Laternen in Größenordnungen ab. Doch wer auf dunkler Straße stürzt, hat rechtlich schlechte Karten.

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© Steffen Unger

Ingolf Reinsch

Bischofswerda. Wer auf der Bischofswerdaer August-König-Straße läuft, sollte schon am Tag aufpassen. Das Pflaster auf dem Fußweg wellt sich. Es gibt Unebenheiten. Wo das Pflaster auf dem Weg vor dem Neubaublock in Splitt übergeht, gibt es einen Absatz. Alles Stolperfallen.

Die August-König-Straße ist nach SZ-Recherchen eine von acht Straßen in Bischofswerda (die Stadtverwaltung nannte am Dienstag in einer Pressemitteilung nur sieben Straßen), auf denen Laternen abgebaut wurden. Bei Dunkelheit dort zu laufen, ist wahrlich kein Vergnügen. Zumal ein Teil des Fußweges – legal – fürs Parken genutzt wird. Hinzu kommen die auf halber Höhe abgesägten Laternenpfähle. Wer kann schon ausschließen, dass Ortsunkundige in stockdunkler Nacht nicht gegen einen dieser Masten laufen?

Schlupflöcher für Kommunen

Trotzdem ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass man als Fußgänger auf dem Schaden sitzen bleibt, sollte man auf dieser oder einer der anderen sieben Straßen ohne Licht abends oder nachts hinfallen. Ein Recht auf beleuchtete Straßen gibt es nicht. Sachsens Straßengesetz verpflichtet Kommunen nur, „alle öffentlichen Straßen innerhalb der geschlossenen Ortslage zu reinigen und im Rahmen des Zumutbaren zu beleuchten“. Das lässt Raum für Interpretationen – und für Schlupflöcher, die es Städten und Gemeinden bzw. deren Haftpflichtversicherung, dem Kommunalen Schadensausgleich, gestatten, im Schadensfall nicht zahlen zu müssen. Gäbe es eine Pflicht zur Straßenbeleuchtung, die Bürger einklagen könnten, würden viele Städte und Gemeinden nicht um 22 oder 23 Uhr die Laternen ausschalten.

„Jeder Fall ist ein Einzelfall“, sagt Rechtsanwalt David Robel von der Dresdener Kanzlei Kucklick Wilhelm Börger Wolf & Söller, die auch in Bischofswerda mit einem Büro vertreten ist. Grundsätzlich habe derjenige, dem eine Straße oder ein Weg gehört, eine Verkehrssicherungspflicht. Drohen beispielsweise wie in Bischofswerda, Laternen umzustürzen, weil die Masten unten durchgerostet sind, muss die Verwaltung handeln und die Gefahr beseitigen. Sie hat aber auch die Pflicht, auf von ihr geschaffene Gefahren hinzuweisen. Das könnte beispielsweise eine Baugrube auf dem Fußweg sein, die gesichert und nachts beleuchtet werden muss, aber auch Blumenkübel, Fahrradständer oder Poller, die auf dem Fußweg stehen und über die man fallen kann. Auf die acht Straßen trifft das aktuell nicht zu. Zu prüfen wäre allerdings, ob die halbhohen Lichtmasten, die die Stadt stehen gelassen hat, eine Gefahr für Fußgänger darstellen. David Robel: „Wer eine Gefahr schafft, muss sie eindämmen. Jede Gefahr ist sichtbar zu machen.“

Taschenlampe ist von Vorteil

Neben einer möglichen Pflichtverletzung durch die Stadt würde ein Gericht im Schadensfall aber auch ein eventuelles Mitverschulden des Fußgängers prüfen, sagt David Robel. Wer zum Beispiel ortskundig ist, sollte die Gefahrenstellen kennen und ihnen ausweichen. Wer als Ortsfremder in eine stockfinstere Straße hineingeht, sollte wissen, dass er ein Risiko eingeht und sich entsprechend vorsichtig bewegen.

So lächerlich es in einer Kleinstadt, die modern sein will, klingt: Für alle Fälle sollte man eine Taschenlampe parat haben, wenn man auf einem Teil der Bischofswerdaer Straßen unterwegs ist. Ilko Keßler, Regionalvorsitzender des Automobilclubs Europa (ACE) für die Kreise Bautzen und Görlitz, sagt es sarkastisch: „Im Grunde genommen schafft Bischofswerda beim Straßenlicht Verhältnisse, die in den meisten Dörfern üblich sind, wo viele Straßen ebenfalls nicht beleuchtet werden.“ Freilich will Bischofswerda in einer anderen Liga spielen – auch wenn Ilko Keßler sagt: „Eine Pflicht für Kommunen, alle Straßen zu beleuchten, gibt es nicht.“ Der Seeligstädter spricht da nicht nur für den ACE, sondern auch als Mitglied des Großharthauer Gemeinderates. Als dort über kostengünstigere Alternativen der Straßenbeleuchtung diskutiert wurde, beschäftigten sich die Räte auch mit Haftungsfragen. Herausgekommen ist eine intelligente Lösung. Die Gemeinde reduziert die Lichtleistung ihrer Laternen um bis zu zwei Drittel. Die Laternen brennen nachts durch, und Großharthau spart trotzdem Geld.