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Wer fackelt Jagdsitze ab?

In den letzten Wochen gab es etliche Fälle. Das hat nicht nur Folgen für die Jäger, sondern auch für die Landwirtschaft.

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Von Matthias Weigel

Kopfschüttelnd steht Jens Kammerhoff vor dem wüsten Haufen Stangen. Der kräftige Mann aus dem Gohrischer Ortsteil Cunnersdorf schiebt noch immer Frust bei dem Anblick: verkohltes Holz, verbranntes Gras, Durcheinander. So manche Stunde hat der Jäger hier verbracht, als das Holzkonstrukt noch ein Jagdstand war. „Da ist man nachts auch mal drauf eingeschlafen. Dann hatte das Wild eben Schwein“, sagt er. Seinen Humor lässt er sich nicht nehmen, obwohl in der Nacht zum 21. April Unbekannte das hölzerne Bauwerk angezündet haben. Es wurde komplett zerstört.

Und es war kein Einzelfall. Denn in der gleichen Nacht brannten in Kammerhoffs Revier drei weitere Jagdkanzeln, im benachbarten Revier eine weitere. Es ist der vorläufige Höhepunkt einer ganzen Serie in der Region. Bereits im März gab es Hochsitz-Brände in Lichtenhain, Anfang April in Breitenau, weitere Mitte April bei Pirna. Und jetzt in Cunnersdorf.

Der Schaden ist für die Jäger beträchtlich. 2 000 Euro kostet so eine Kanzel, wenn man Material und Arbeitszeit rechnet. Bis zu anderthalb Jahre wird es dauern, bis alles in Handarbeit repariert und wieder aufgestellt ist, schätzt Kammerhoff. Geld und Zeit sind knapp – und man hat ja auch noch ein Leben jenseits der Jagd.

Nicht zu vergessen ist aber auch der Schaden für die alltägliche Arbeit der Weidmänner. Schließlich jagen sie, um die Bestände unter Kontrolle zu halten und Schäden in der Landwirtschaft zu verhindern – für die sie letztlich geradestehen und bezahlen müssen. „Und ausgerechnet jetzt, wo Mais gelegt worden ist, waren die Brände“, sagt Kammerhoff. Fürs Wild ein willkommenes Fressen. Rund ein Drittel des 320 Hektar großen Cunnersdorfer Reviers – mit insgesamt sechs Jägern, 18 Kanzeln und zehn Ansitzleitern – können nun nicht ohne Weiteres abgedeckt werden.

Täter gingen ganz gezielt vor

Man tut dennoch sein Bestes. Aktuell versucht Kammerhoff, flexibel mit Leitern zu operieren. Die Landwirte haben die Jäger beim Transport unterstützt. „Es ist gut, dass es einen Zusammenhalt im Ort gibt“, sagt Jens’ Vater Hans-Georg. Doch die Leitern, sie bieten keinen so guten Schutz vor Wind und Wetter, keinen so guten Überblick – und sind keine Dauerlösung. Das Ganze nerve einfach nur. „So etwas habe ich in meinen 50 Jahren als Jäger noch nicht erlebt“, sagt Kammerhoff senior. Der 71-Jährige geht bis heute auf die Jagd. „Auch mit Jagdgegnern hatten wir hier nie was. Im Gegenteil: Die Jägerzunft hat einen hohen Stellenwert“, sagt Hans-Georg .

Jagd, das sei entgegen manch landläufiger Meinung nämlich nicht Kommerz, nicht das Totschießen von allem, was vor die Flinte kommt. „Wir haben Verantwortung für Forst, für die Landwirtschaft und die Wildbestände. Und wir müssen uns natürlich an Gesetze und Spielregeln halten“, sagt Hans-Georg. Es sei längst kein Hobby, eher ein zweiter Beruf, mit viel Arbeit, vielen Entbehrungen und leider auch ohne Erfolgsgarantie – weder beim Schießen noch beim Vermarkten. Für Letzteres betreiben Kammerhoffs zwar das Gasthaus „Jagdstübel“ im Ort, doch das Pensum ist so noch beträchtlicher. „Wenn man nicht dahinter steht, könnte man das gar nicht machen“, sagt Hans-Georg.

Ob sie einen Verdacht haben? „Zufall oder ein Dummerjungenstreich waren es wohl nicht“, sagt Jens Kammerhoff. So einfach zünde man einen Hochstand nicht an. Da wurde offensichtlich nachgeholfen. Zudem müssen sich die Täter ausgekannt haben, um nachts gezielt die Orte zu finden. Die waren zudem alle schlecht einsehbar, aber gut zu erreichen. Nahe liegt auch, dass es mehrere Täter waren. Denn die Stände liegen weiter voneinander entfernt.

Bei der Polizei spielen diese Dinge natürlich eine Rolle. „Die Ermittlungen der Kripo laufen“, sagt Sprecher Marko Laske. Verdächtige oder Zeugen gäbe es aber leider nicht. Ein Zusammenhang der Vorfälle und ein gezieltes Vorgehen seien für die Beamten aber naheliegend. „Wir ermitteln in alle Richtungen. Einen bestimmten Täterkreis haben wir aktuell nicht im Fokus“, sagt Laske. Auch Kammerhoffs wollen nicht darüber spekulieren. Sie hoffen einfach nur, dass es aufhört und die Täter geschnappt werden. Zeugen sind willkommen – jeder, der Verdächtige oder Verdächtiges beobachtet hat, sollte sich melden. Und ein wachsames Auge könne auch künftig nicht schaden. Um noch mehr auf das Problem aufmerksam zu machen, soll demnächst beim MDR in der Sendung Kripo live ein Beitrag dazu laufen. Die Dreharbeiten fanden dieser Tage statt.

Trotzdem bleibt die Situation für die Jäger bescheiden. „Wir wissen ja nicht, wie wir uns schützen sollten, ob es weitergeht – und auch eine Versicherung gibt es nicht“, sagt Hans-Georg. Wenn weitere Hochstände abfackelten, sei das irgendwann existenzgefährdend. Nach Pfingsten steht nun erst einmal der Abriss der verkohlten Stände an. Sie hätten sich bessere Beschäftigungen vorstellen können.