SZ +
Merken

Wer bedroht Pirnas Homosexuelle?

Bei der SPD und den Linken ist ein ominöses Schreiben gegen den CSD eingegangen. Nun ermittelt der Staatsschutz.

Teilen
Folgen
NEU!
© Archiv/Förster

Von Thomas Möckel

Pirna. Das Datum hat Christian Hesse mit Bedacht gewählt. Die 7. Auflage des Christopher Street Day in diesem Jahr legte der Chef des Vereins „CSD Pirna“ auf den 7. 7., das Zahlenspiel war einfach zu schön. Noch sind es fünf Monate bis zur großen Homosexuellen-Party auf dem Markt, doch schon jetzt ist die Freude darauf ein wenig getrübt. Eine Drohung überschattet die so fröhliche und weltoffene Schwulen- und Lesben-Fete.

Dieser anonyme Brief ging im Bürgerbüro der Linken ein. Der angegebene Absender bezeichnet das Büro von Frauke Petry, der wahre Verfasser ist bislang unbekannt.
Dieser anonyme Brief ging im Bürgerbüro der Linken ein. Der angegebene Absender bezeichnet das Büro von Frauke Petry, der wahre Verfasser ist bislang unbekannt. © SZ

Vor einiger Zeit trudelten sowohl in der Kreisgeschäftsstelle der Linken als auch im Bürgerbüro der SPD Briefe ein, die sich offensichtlich gegen den CSD und dessen Veranstalter richten. Die Briefe sind handgeschrieben, etwas kryptisch formuliert, der Inhalt erschließt sich nicht auf den ersten Blick. „Hinweis zum CSD 2018 Pirna“ ist auf dem Schriebs an die Linken als Einleitung zu lesen, dann folgen einzelne Schlagworte wie „Böhmenfreundlich“ und „Koran unbeliebt“. Darunter versuchten sich die Verfasser an einem kompletten Satz: „Sollten deutsche Sympatisanten für Muslime, die homophob, intolerant sind, unsere Gesetzgebung und Grundgesetz nicht achten, Infostände aufbauen, werden die von uns umgehend wieder entfernt. Der Autor zeichnet mit dem Schluss: „Für eine Koranfreies Europa.“ Vom wem die Briefe stammen, ist noch unklar, aber der auf dem Umschlag notierte Absender hat es in sich – es ist die Anschrift des Büros der Bundestagsabgeordneten Frauke Petry. Die Polizei stuft die Briefe als derart brisant ein, dass inzwischen der Staatsschutz in dieser Angelegenheit ermittelt. Denn es ist nicht das erste Mal, dass jemand offen seine Abneigung gegen den CSD zeigt.

Im vergangenen Jahr zerschlitzten Unbekannte in der Nacht vor der Party unter der Regenbogenflagge die Planen auf der Bühne, zudem demonstrierten am Sonnabend mehre Männer unter dem Slogan „#nohomo“ gegen die Fete. Überdies stänkerten die Pirnaer Unternehmer Daniel Heimann, Tim Lochner und Thomas Hobrack sowie der Stadtrat Walter Matzke (Pirnaer Bürgerinitiativen) gegen das Landratsamt und die Stadt Pirna, weil sie zum CSD die Regenbogenflaggen gehisst hatten – Behörden aber doch politisch zur Neutralität verpflichtet seien. Mit dem Schreiben hat die Anti-CSD-Haltung nun eine neue Stufe erreicht.

CSD-Chef Hesse ist allerdings noch weit davon entfernt, die Briefe wirklich ernst zu nehmen. Weil die Schreiben nicht direkt an den Verein gingen, sagt er, könne er derzeit eher darüber lachen. Eine tatsächliche Bedrohung kann Hesse nicht erkennen, obwohl er mit dem CSD genau das Gegenteil des Briefinhaltes bezweckt.

Die Veranstalter sind geradezu bestrebt, neue Nachbarn zum CSD zu locken. Man wolle, sagt Hesse, homosexuelle Muslime einladen, um ihnen zu zeigen, dass sie hier einfach so sein können, wie sie sind. „Sie sollen merken, dass man Homosexualität in Deutschland ausleben darf, ohne dafür bestraft zu werden“, sagt der Vereinschef. 2017 kamen etwa 20 schwule Flüchtlinge zum CSD. Eine schwule Bürgerwehr, die etwas dagegen haben könnte, ist Hesse indes noch nicht untergekommen, er hält auch den Absender der Schreiben für ein Fake. „Hinter den Briefen steckt bestimmt jemand, der einfach nur Stunk machen will“, sagt Hesse.

Allerdings ist allein schon dieser „Stunk“ möglicherweise eine Straftat. Der Staatsschutz ermittelt in dieser Sache wegen Nötigung, weil die Polizei einschätzt, dass die Schreiben politisch motiviert sind. Weil es aber bis zum CSD noch einige Monate hin sind, ignorieren die Ermittler die Briefe nicht, bewerten sie aber auch nicht über. Interessant werde es nach Auskunft der Polizei insbesondere dann, wenn in den kommenden Monaten wiederholt Störabsichten zu erkennen seien. Ob der Absender der Schreiben inzwischen ermittelt ist, gibt die Polizei mit Verweis auf die noch laufenden Ermittlungen nicht preis. Die Existenz einer „schwulen Bürgerwehr“ sei den Beamten nicht bekannt.

Auch die als Absender benannte Büroadresse von Frauke Petry kann sich die Herkunft der Briefe nicht erklären. Laut Oliver Lang, Sprecher von Petry, seien dem Büro die Schreiben nicht bekannt, auch stammten sie nicht von dort. Petry schlägt eher eine Bresche für die Veranstalter. Der CSD in Pirna sei ein Verein, heißt es in einer Erklärung, der überaus engagiert und professionell seine Ziele verfolge. Ehrenamtliches Engagement sei grundsätzlich zu begrüßen.

In diesem Sinne hält es auch Hesse, der trotz allem mit freudiger Erwartung in die diesjährigen CSD-Vorbereitungen geht. „Wir lassen uns nicht einschüchtern“, sagt der Vereinschef, „die Briefe spornen uns eher noch an, etwas zu machen.“