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Wenn Wind zum Problem wird

Viele glauben, dass die Zahl der Stürme zunimmt. Die SZ hat dazu den Klimaexperten Dr. Johannes Franke befragt.

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© Egbert Kamprath

Sächsische Schweiz- Osterzgebirge. So schnell werden die Osterzgebirgler die Stürme Friederike und Herwart nicht vergessen. Es gab Stromausfälle, Schäden an Häusern und Wäldern – und das innerhalb von wenigen Monaten gleich zweimal. Viele fragen sich nun: Müssen wir künftig damit rechnen, dass uns solche orkanartigen Stürme öfter heimsuchen werden? Das wollte die SZ auch von Dr. Johannes Franke wissen. Der 44-Jährige arbeitet als Klimareferent beim sächsischen Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie in Dresden.

Dr. Johannes Franke ist in Dresden aufgewachsen. Der Klimaexperte ist verheiratet, hat zwei Kinder und wohnt in Radebeul.
Dr. Johannes Franke ist in Dresden aufgewachsen. Der Klimaexperte ist verheiratet, hat zwei Kinder und wohnt in Radebeul. © Foto: privat
© Koerner, Heidemarie

Herr Dr. Franke, können Sie sich noch an den Tag erinnern, als der Sturm Friederike über Deutschland gezogen ist?

Ja. Ich habe mich genau darüber informiert, wann mit den Windspitzen zu rechnen ist. Ich habe mir den Tag so organisiert, dass ich 16 Uhr zu Hause bin. Und so war es auch. Beim Sturm Herwart war es anders. Ich war mit meiner Familie wandern. Wir starteten in Kipsdorf zu einer dreitägigen Wanderung mit dem Ziel Bad Gottleuba. Das war sehr beeindruckend. Wir hatten Rückenwind. Wenn wir einen Schritt gemacht haben, kam es uns so vor, als würden wir zwei machen. Für meine Jungs war das sehr spannend. Sie konnten an diesen Tagen die Kraft der Natur spüren und sich frisch entwurzelte Bäume ansehen. Das werden sie so schnell nicht vergessen.

Für viele ist Sturm gleich Sturm. Wer bei den Wettervorhersagen genauer zuhört, weiß, dass es Unterschiede gibt. Wie würden Sie die beschreiben?

Ich finde, die sogenannte Beaufortskala ist immer noch eine gute Grundlage, um die Stärke zu beschreiben. Der Herr war übrigens Admiral und hat die Stürme bereits 1805 klassifiziert. Daran orientieren wir uns heute noch. Grundsätzlich unterscheiden wir in Stürme und Orkane. Von einem Sturm sprechen wir bei einer Windgeschwindigkeit ab 75 Kilometern pro Stunde. Bei diesen Geschwindigkeiten werden leichte Gegenstände fortbewegt. Als schwere Stürme werden Winde mit einer Geschwindigkeit ab 90 Kilometern pro Stunde eingestuft, es ist mit Schäden an Häusern und mit entwurzelten Bäumen zu rechnen. Bei einem orkanartigen Sturm fegt der Wind ab 105 km/h über das Land. Es gibt schwere Schäden an Wäldern, ganze Dächer werden abgedeckt. Die höchste Stufe ist der Orkan, bei dem Windspitzen ab 120 km/h erreicht werden. Die Folgen sind Verwüstungen. Nach dieser Klassifikation bewegte sich in den Kammlagen des Osterzgebirges Friederike mit Windspitzen bis zu 100 km/h im Bereich der schweren, Herwart mit 116 km/h im Bereich der orkanartigen Stürme.

Herwart zog am 28. und 29. Oktober übers Land, Friederike am 18. Januar. Liefen diese Ereignisse ähnlich ab, oder gab es Unterschiede?

Beide Sturmereignisse waren sich vom Typ her nicht nur ähnlich, sondern identisch. Sie waren sogenannte Schnellläufer. So bezeichnet man kleine Abspaltungen von großen Tiefdruckgebieten, die sich schnell fortbewegen. In beiden Fällen kamen sie von der amerikanischen Ostküste. Innerhalb von zwei Tagen legten sie mehrere Tausend Kilometer über den Atlantik zurück. Dann trafen sie in Sachsen mit den bekannten Folgen ein.

Wie kommt es, dass Friederike und Herwart so große Schäden vor allem in den Gebirgslagen verursacht haben?

Das liegt an der Topografie. Gebirge wie das Erzgebirge stellen ein Strömungshindernis dar, es kommt zur Deformationen im Strömungsfeld, was mit höheren Windgeschwindigkeiten verbunden ist. Es muss aber klar sein, dass solche Schnellläufer überall, wo sie angreifen, zu großen Schäden führen können.

Hatten Sie das Ausmaß der Stürme vorhergesehen?

Pauschal geht das nicht. Nehmen wir einen Wald. Ist der robust, kann der so einen Sturm besser überstehen, ist er anfällig, dann sind die Schäden größer. Ein wichtiges Kriterium für Sturmschäden ist neben der Windgeschwindigkeit auch die Einwirkzeit und flächenhafte Ausdehnung des Sturmes sowie die Widerstandsfähigkeit der angegriffenen Fläche.

Müssen wir damit rechnen, dass orkanartige Stürme nun öfter auftreten?

Das lässt sich für unsere Region noch nicht sagen. In der Langzeitbetrachtung, bei der man die Zahl der Windspitzen in den Jahrzehnten miteinander vergleicht, gibt es Unterschiede. Ich habe zum Beispiel die Windspitzen an den Messpunkten Dresden-Klotzsche und dem Fichtelberg verglichen. Zwischen 2011 und 2017 gab es keine Zunahme von Stürmen, anders war es zwischen 2001 und 2010, als am Fichtelberg mehr Stürme auftraten, in Klotzsche war das zwischen 1991 und 2000 der Fall. Es ist schwierig, Prognosen abzugeben. Gegenwärtiger Sachstand ist, dass aufgrund der globalen Erwärmung mit hoher Wahrscheinlichkeit von einer Zunahme in Anzahl und Intensität von Sturmereignissen weltweit auszugehen ist. Für Sachsen stehen wir hier mit der Forschung erst am Anfang.

Warum widmen sich Wetterforscher erst jetzt dem Thema Sturm?

Mit Stürmen beschäftigen wir uns schon länger, nun aber intensiver. Das liegt daran, dass ein Thema stärker interessiert, wenn die Betroffenheit besonders groß ist. Und die hat sich nach den Stürmen eingestellt. Ähnlich war es übrigens auch nach den Starkregen. Als sich diese häuften – nach der Augustflut 2002 gab es auch 2010 und 2013 größere Überschwemmungen –, haben sich Wissenschaftler intensiver mit diesen Wetterextremen befasst.

Wann werden Ergebnisse Ihrer Forschung vorliegen, die dann in der Praxis angewendet werden können?

Da kann und möchte ich mich nicht festlegen, sage aber, dass wir die Thematik auf dem Schirm haben. Wir fangen nicht bei Null an. Zum einen gibt es auch bei uns bereits Studien, zum anderen können wir auf die Erfahrungen und Untersuchungen zurückgreifen, die in orkanerprobten Gebieten wie den USA gesammelt wurden. Unter Wissenschaftlern gibt es einen regen Austausch von Erfahrungen. Erst wenn die Ergebnisse vorliegen, können wir Vorschläge machen, was Behörden und Kommunen unternehmen müssten, um sich vor solchen Naturereignissen zu wappnen.

Hauseigentümer oder Laubenbesitzer wollen nicht so lange warten. Haben Sie einen Tipp, wie Gebäude besser geschützt werden können?

Ein Patentrezept habe ich nicht. Ich kann nur empfehlen, den Kauf einer Immobilie im Bewusstsein für Umweltgefahren vorzunehmen. Versicherungen können helfen, ein Restrisiko wird aber stets bleiben, denn trotz Vorsorge ist man bei Stürmen nie vor Überraschungen gefeit.

Das Gespräch führte Maik Brückner.