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Wenn sich Kinder in die Wolle kriegen

Drei Schafe vor der Kita, im Brot Gänseblümchen, ein Gummieuter zum Melken: folgenschwere Überraschungen zum Kindertag.

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© Christian Juppe

Von Heike Sabel

Heidenau. Weich fasst es sich an. Und auch ein bisschen rau. Ganz einig sind sich Mailin und Antony bei der Wolle nicht. Man könnte eine Hose daraus stricken oder eine Mütze, überlegen sie. Ob sie das einmal versuchen wollen? Nein, sagen die beiden Sechsjährigen. Das ist eine klare Antwort. Zarifa hingegen setzt sich mit Erzieherin Bettina Gnauck hin und versucht sich mit den zwei Nadeln.

Die Heidenauer Kita Kunterbunt verwandelt sich am Donnerstag zum Kindertag in einen großen Bauernhof mit vielen Möglichkeiten. Das Hofgut Graue Presse aus Radebeul und die Erzieherinnen haben sich einiges einfallen lassen. Wolle wird gekämmt, ein Gummieuter gemolken, es wird gewebt, Korn gemahlen, Brot gebacken und es werden Schäfchen gebastelt.

Das alles ist eine große Überraschung zum Kindertag und der Auftakt für ein neues Konzept. Die neue Leiterin Simone Scholze will mehr Natur. Schon jetzt gibt es jede Woche einen Naturtag. Ein Stück Wiese ist abgetrennt, hier wird nicht gemäht. Ein Kräuterbeet soll entstehen, Obst und Gemüse sollen angebaut werden – und ein Platz für einen Komposthaufen mit Regenwürmern ist auch schon reserviert. Die Eltern werden einbezogen, die Erzieherinnen sind engagiert. Raja Hartmann bereitet mit einigen Kindern den Teig fürs Brot vor. Mia darf die Hefe ins warme Wasser bröckeln. Simone Scholze ermuntert die Kinder, noch Gänseblümchen fürs Brot zu sammeln. Finn müht sich derweil mit einer Kaffeemühle ab, in der er Korn mahlt. Nach zwei, drei Runden schaut er nach, wie viel Mehl schon im Kasten liegt. „Ich mache so lange, bis er voll ist.“ Aurora, die Kleinste, hat beim Melken den Dreh am besten raus.

Simone Scholze ist zufrieden. Die Kinder sind fröhlich, aber ruhig, es wird nicht gestritten oder geschrien. Wer keine Lust auf Wolle, Brot oder Melken hat, der spielt im Sand oder mit dem Ball, ruht sich im Schatten aus – oder isst erst einmal einen Käse-Weintrauben-Spieß. Das mit den Wurstspießen fand Simone Scholze nicht so gut. Weil sie Vegetariern ist und weil sie es den Kindern nicht zumuten wollte, einerseits die Schafe streicheln und dann Wurst essen. Das ist vielleicht im wahrsten Sinne des Wortes Geschmackssache, aber Simone Scholze ist hier die Chefin und kann das so entscheiden. Wie das Handyverbot für sich und die Erzieherinnen. Nur in den Pausen darf das Telefon benutzt werden. Wegen der Strahlung und weil die Kinder das Wichtigste sind.

Derzeit erarbeiten die Erzieherinnen der Kunterbunt-Kita das neue naturpädagogische Konzept. Die Eltern merken schon, dass sich etwas ändert, und würden es gut finden, sagt Simone Scholze. Im September soll ihnen das neue Konzept vorgestellt werden. „Es geht uns um die Achtung vor der Natur, das Entdecken und Begreifen.“ Der Bauernhof am Kindertag war eine Überraschung. Er wird auch künftig nicht jeden Tag da sein, aber Natur und Tiere sollen selbstverständlich werden.

Jetzt sind Mailin, Antony und die anderen Großen dran und gehen raus zu den Schafen. Die stehen in einem Anhänger auf dem Parkplatz vor der Kita. Drinnen wäre es wohl für Tiere und Menschen zu aufregend geworden. Für viele Kinder ist es das ohnehin. Es ist für sie das erste Mal, dass sie ein Schaf streicheln. Das ist wohl das eigentliche Abenteuer des Tages. Was für ein Konzept dahintersteckt, ist ihnen egal.