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Wenn sich der Nebel langsam lichtet

24 Schüler aus zwölf Nationen lernen in der DaZ-Klasse am Gymnasium Deutsch. Sie werden aber auch zum Gebrauch ihrer Muttersprache ermuntert.

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© Dietmar Thomas

Von Frank Korn

Döbeln. Die Aufregung ist groß bei den 24 Schülern der DaZ-Klasse am Döbelner Lessing-Gymnasium. Gleich sollen sie in der Aula Geschichten vortragen, die während des Projektes „In zwei Sprachen zu Hause“ Ende November des vergangenen Jahres entstanden sind (DA berichtete). Ihr Lehrer André Krauß versucht, ihnen die Angst zu nehmen. Er lässt alle Schüler einen Kreis bilden. „Wir haben viel Kraft. Wir haben keine Angst. Wir schaffen das.“ Nach dieser Beschwörungsformel geht es in die Aula.

André Krauß wird oft gefragt, wie er eine solch ungewöhnliche Klasse unterrichtet. Die Schüler sind zwischen neun und 17 Jahre alt, kommen aus zwölf Nationen und haben elf verschiedene Muttersprachen. „Ich helfe den Schülern beim Lernen“, sagt Krauß. Er arbeite viel mit Bildern. Mimik und Gestik seien sehr wichtig. So vergleicht er das Sprachenlernen mit dem Nebel. „Am Anfang steht man buchstäblich im Nebel, doch je mehr man lernt, desto mehr lichtet er sich“, so der Lehrer.

Offenbar hat sich bei seinen Schülern der Nebel schon fast vollständig verzogen. Ohne Scheu treten sie ans Mikrofon und tragen ihre Geschichten vor. Die 13-jährige View, deren Muttersprache thailändisch ist, berichtet von der Ente, die nur noch ein Bein hat, aber dennoch einen Wettkampf gewinnt. Precious, der 16-Jährige stammt aus Nigeria, hat sich eine Geschichte ausgedacht. „Eine Welt ohne Farben“ heißt sie und handelt von einem Jungen, der blind ist. Precious beschreibt das Leben des Jungen, dass es für ihn praktisch nur Schwarz als Farbe gibt. Zu gern würde er den Regen nicht nur auf der Haut spüren, sondern auch sehen. Der Schluss ist pure Hoffnung. „Stellt euch vor, er könnte plötzlich sehen. Wäre das nicht schön?“

Maria Hummitzsch, Übersetzerin für Englisch und Portugiesisch, hat die Schüler bei dem Projekt begleitet, das vom Deutschen Übersetzerfonds deutschlandweit initiiert wurde. Die Kinder haben die Texte in ihrer Muttersprache aufgeschrieben und professionelle Übersetzer halfen ihnen, die Texte ins Deutsche zu übertragen. „Mit diesem Ansatz haben wir die Kinder ermuntert, ihre Muttersprache weiter zu gebrauchen. Die Schüler sind richtig aufgeblüht“, sagt Maria Hummitzsch. Trotz der Altersunterschiede und der unterschiedlichen Herkunft habe sie die Stimmung in der Klasse als gut empfunden. „Ich bin angetan vom Engagement der Schule.“

Schulleiter Michael Höhme freut sich über die Entwicklung der DaZ-Klasse. „Wir hatten im März 2016 nicht viel Zeit, darüber zu grübeln. Es ging nicht darum, ob, sondern wie wir das Vorhaben umsetzen“, so Höhme. Die Schüler hätten nicht nur gemeinsam Deutsch gelernt, sondern auch gemeinsam gekocht, hatten das Theater besucht oder andere Aktivitäten gestartet. Die Integration sei problemlos verlaufen. Einige Schüler nehmen schon am Unterricht in regulären Klassen teil. „Zwei wollen das Abitur ablegen“, so Höhme.