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Wenn selbst der Winterdienst steckenbleibt

Die Wetterkapriolen Mitte März führten auch in Reichenbach zu Problemen. Die Stadt zieht ein Fazit.

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© Danilo Dittrich

Von Anja Gail

Reichenbach. Der Wintereinbruch am Sonnabend und Sonntag vor anderthalb Wochen hatte es in sich. Bei Schnee, Dauerfrost, Wind und starken Verwehungen kamen selbst Räumfahrzeuge wie hier im Oberland bei Herrnhut in die Schieflage. Wer konnte, ließ sein Auto an dem Wochenende stehen und verschob unnötige Fahrten. Im gesamten Landkreis gab es beträchtliche Behinderungen im Straßenverkehr.

Wenige Tage danach sind die Eindrücke von Bürgern aus Mengelsdorf noch sehr vom Ärger über ihre Situation geprägt. Deshalb machen sie sich im Stadtrat darüber Luft. Bis Anfang 2017 war ihr Ortsvorsteher als Subunternehmer im Winterdienst durchs Dorf unterwegs. Da seien die Straßen immer rechtzeitig geräumt und gestreut gewesen, schildern sie. An besagtem Wochenende jedoch war das ihrer Ansicht nach gar nicht der Fall, die kleine Eigenheimsiedlung Löbensmüh zeitweise abgeschnitten. Der Winterdienst hatte die Ortsverbindung von Mengelsdorf aus am Sonnabend infolge der ständigen Verwehungen aufgeben müssen.

„Wir haben uns darum bemüht, für jede Ortschaft eine Zufahrt freizuhalten“, erklärt Marcel Friebel, Geschäftsführer der Firma OLTG aus Reichenbach, die den Winterdienst im Auftrag der Stadt leistet. In solchen Situationen, wenn die Räumfahrzeuge infolge der Wetterlage keinen Erfolg mehr erzielen, kann die Stadt den Winterdienst zeitweise einstellen und Straßenabschnitte sperren lassen. Davon hat die Bürgermeisterin am Sonnabend Gebrauch gemacht. Vorwürfe gegenüber der Arbeitsweise der Firma weist sie zurück. Das habe auch die Auswertung mit der Firma, die gestern im Rathaus stattfand, bestätigt.

Die OLTG verfügt über Technik und Personal aus dem Bauhofbereich der ehemaligen Integrationsfirma in Reichenbach. Diese hatte den Winterdienst zuvor mehrere Jahre ausgeführt. Die Firma war an besagtem Wochenende so, wie es mit der Stadtverwaltung vereinbart ist, auf den vier unterschiedlichen Strecken unterwegs. Die Einsätze sind nach der vereinbarten Abfolge gefahren worden, zweimal am Tag, sagt die Bürgermeisterin. Mengelsdorf liegt dabei mit Biesig, Dittmannsdorf, den Krobnitzer Lehnhäusern und Löbensmüh auf einer Schleife. Auf der Mengelsdorfer Zufahrt nach Löbensmüh hatte es am Sonnabend besonders stark geweht, ebenso auf dem Oberlausitzer Weg am Stadtrand von Reichenbach. Die Bürgermeisterin war deshalb auf den Abend zu mit dem Auto in das abgeschiedene Löbensmüh gefahren, wie sie erzählt, um Bürgern eine Telefonnummer für Notfälle auszuhändigen. Über diese Nummer war der Geschäftsführer der OLTG erreichbar. Viermal haben Bürger aus Löbensmüh das genutzt, bestätigt er, zweimal am Sonnabendabend und zweimal am Sonntag. Daraufhin war der Winterdienst in kurzer Zeit vor Ort und schob die Strecke jedes Mal frei, damit die betreffenden Bürger, die wahrscheinlich zur Arbeit mussten, die Ortsverbindung nach Mengelsdorf befahren konnten.

Die Firma war an dem Wochenende jeweils nach Absprache zwischen Geschäftsführer und Bürgermeisterin in Bereitschaft versetzt worden. Auf diese neue Handhabung haben sich Verwaltung, Stadtrat und OLTG im Herbst mit der Vergabe des Auftrags verständigt. Die Stadt hatte angekündigt, dass sie den Winterdienst neu organisiert, anstelle von Salzlauge Splitt bevorzugt und nur noch auf kommunalen Straßen und Wegen räumen und streuen lässt, die Priorität besitzen. Eine Auflistung dieser Straßen war im städtischen Amtsblatt veröffentlicht worden. Damit kommt die Stadt auch ihren Verpflichtungen nach. Die Gemeinden sollen die kommunalen Straßen innerhalb geschlossener Ortslagen nach Maßgabe ihrer Leistungsfähigkeit vom Schnee räumen und bei Glätte streuen lassen, soweit das zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung erforderlich ist. So steht es im Straßengesetz in Sachsen. Einen Rechtsanspruch gibt es nicht.

Der Winterdienst habe zu Zeiten der städtischen Integrationsfirma vollkommen freie Hand gehabt, sagt der ehemalige Prokurist der Firma, Andreas Schneider aus Reichenbach, im Stadtrat. Jetzt müsse sich das beauftragte Unternehmen erst die Freigabe von der Stadt holen. Das sei auch so gewollt, bestätigt die Bürgermeisterin, weil die Verwaltung die vorhandenen finanziellen Mittel sparsam einsetzen muss. „Wenn wir diese Handlungsfähigkeit verlieren und zwangsverwaltet werden, dann redet vielleicht niemand mehr über Forderungen an den Winterdienst“, sagt Carina Dittrich. Um Klarheit über den Aufwand und Umfang des Winterdienstes zu bekommen, habe die Stadt veranlasst, dass auf einem Räumfahrzeug der OLTG ein Telematiksystem installiert wurde. Damit werden Daten zu den Einsätzen ermittelt. Diese sollen in die Auswertung des Winterdienstes einfließen. Ein erstes Fazit unabhängig davon sei, dass die Informationswege für die Bürger verbessert werden müssten. Eine Notfallnummer für den Winterdienst sei hilfreich. Zur rechtzeitigen Veröffentlichung soll auch die städtische Internetseite genutzt werden.

In anderen Ortschaften gab es zeitweise auch zugewehte Strecken. Aber das sei zum Beispiel in Sohland und Zoblitz für Bürger kein Problem gewesen, sagen beide Ortsvorsteher. Die meisten Einwohner seien darauf eingerichtet, dass es bei solchen Wettersituationen Schwierigkeiten geben kann. Im Stadtrat werden die Probleme in Mengelsdorf unterschiedlich gesehen. Jeder Bürger müsse die Chance haben, rauszukommen aus seinem Ort, sagt André Maywald (CDU). Wolfgang Müller (Die Linke) erzählt, dass er an dem Wochenende in Thüringen gewesen sei. Dort habe der Winterdienst stellenweise seine Arbeit ganz einstellen müssen.