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Wenn Mama Hilfe braucht

In Dresden gibt es jetzt die erste Mütterpflegeschule. Familienpaten, die den Müttern unter die Arme greifen, sind gefragter denn je.

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© Sven Ellger

Von Tabea Hauser und Nora Domschke

Die Erleichterung ist Naomi Shamban anzusehen. Ihr Sohn kam vor knapp drei Wochen auf die Welt und fordert der jungen Mutter einiges ab. Es ist das erste Kind der 26-jährigen Pianistin. Als sie Familienlotsin Ute Richter die Wohnungstür öffnet, huscht ein Lächeln über ihr Gesicht. Denn Ute Richter hat heute den Einkauf für Naomi Shamban erledigt. Eine von vielen Aufgaben, die die Helferin derzeit für die Dresdner Familie übernimmt. Richter ist Leiterin der ersten Schule für Mütterpflege in Dresden. Sie kümmert sich um Naomi Shamban und ihren Sprössling, unterstützt sie im Alltag, weil der junge Familienvater beruflich sehr eingespannt ist.

Am Dorothea-Heidorn-Institut in der Oskarstraße in Strehlen lernen derzeit elf Frauen, was als Familienhelferin alles zu tun ist. Die Ausbildung dauert ein Jahr und kostet 3 000  Euro. Geleitet wird die Schule von Ute Richter, die selbst als Patin arbeitet. „Wir bemuttern die Mütter“, sagt die 46-Jährige. Wie wichtig diese Hilfe in den ersten Wochen nach der Geburt des Babys ist, weiß Ute Richter von Hebamme Dorothea Heidorn. Beide Frauen lernten sich vor sechs Jahren auf einer Tagung kennen. Heidorn, die 1985 Deutschlands erstes Geburtshaus in Gießen gründete, erzählte vom Beruf der Wochenbettpflegerin. Drei Jahre nach ihrer ersten Begegnung begann Ute Richter, die eigentlich Berufsschullehrerin ist, die Ausbildung an Heidorns Institut. Seitdem arbeitet sie als selbstständige Familienlotsin in Dresden.

Da die Nachfrage mittlerweile stark gestiegen ist, möchte sie jetzt weitere Helfer im Frauenbildungshaus in Strehlen ausbilden. Welchen Beruf die Frauen haben oder ob sie selbst Mütter sind, spielt dabei keine Rolle. Ihre Aufgabe ist es, Mütter bei der Pflege ihres Babys zu unterstützen, sie zu beraten, ihnen bei der Organisation des Haushalts zu helfen. Sie geben Tipps, welcher Brei besonders gesund ist, kümmern sich um die größeren Kinder in der Familie, gehen einkaufen. Manchmal haben sie aber auch einfach nur ein offenes Ohr für die Probleme der frischgebackenen Mutter.

„Frauen setzen sich unter Druck“

Dabei verbringen die Paten deutlich mehr Zeit in der Familie als eine Hebamme, die nur in den ersten zehn Tagen nach der Geburt helfen kann. Die Patin steht täglich bis zu acht Stunden zur Verfügung – wenn nötig, über mehrere Wochen hinweg. Familien, die die Unterstützung einer Patin in Anspruch nehmen wollen, sollten sich an ihre Hebamme wenden. Diese vermittelt den Kontakt. In einem persönlichen Gespräch klärt Ute Richter zunächst, welche Probleme es in der Familie gibt. Denn davon hängt ab, ob die Krankenkasse die Kosten für die Patin übernimmt. „Wir helfen bei den entsprechenden Anträgen“, erklärt die Schulleiterin.

Derzeit gibt es keine einheitlich geregelte Bezahlung für Familienpaten. Der Deutsche Berufsverband für Wochenbettpflege macht sich nun dafür stark, dass sich das ändert. „Wichtig ist, dass die Politik etwas am gegenwärtigen Zustand ändert“, sagt Institutsleiterin Dorothea Heidorn. So fordert sie einen Stundensatz von 35 Euro brutto. Ihr geht es vor allem darum, dass die anspruchsvolle Arbeit der Paten angemessen bezahlt wird.

Nach mehr als 10 000 Geburten, die Heidorn begleitet hat, weiß die 70-Jährige heute, dass immer mehr Frauen in ihrer Rolle als Mutter überfordert sind. Doch woran liegt das eigentlich? Das kann auch die Expertin nicht genau sagen. „Ich habe das Gefühl, dass sich Frauen heute mehr unter Druck setzen als früher.“ Es existiere ein falsches Bild der perfekten Mutter: immer lächelnd, gut angezogen, täglich einen anderen Babykurs absolvierend. „Es ist wichtig, dass wir die Frauen darüber aufklären, dass sie in den ersten Wochen nach der Geburt viel leisten, auch wenn sie diese Ansprüche alle nicht erfüllen.“ Aus jahrelanger Erfahrung weiß Heidorn, dass immer mehr Frauen nach der Geburt an Depressionen leiden. „Dann können wir helfen.“