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Wenn Jesus mal nicht in der Krippe liegt

Uwe Teich schreibt seit über 20 Jahren Stücke für den Weihnachtsabend. Die werden in ganz Sachsen gespielt.

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© Christian Juppe

Von Jana Mundus

Maria trägt einen Schwangerschaftsbauch aus weichen Sofakissen vor sich her. Josef hat einen Ast als Wanderstock. Die Hirten in Westen aus Ikea-Fellattrappen. Eine Futterkrippe samt Jesus-Babypuppe mitten im Altarraum. In vielen Kirchen sehen Krippenspiele genau so aus. Traditionell geht es in den meisten Gotteshäusern am Heiligabend zu. Anfang der 1990er-Jahre hatte Uwe Teich genau davon genug. Als damaliger Diakon in der Weinbergskirche in Trachenberge probierte er etwas Neues aus – und schrieb die Weihnachtsstücke fortan selbst. „Ich wollte keine Stücke mehr, in denen den Leuten erklärt wird, was sie eh schon sehen.“ Elf Weihnachtsstücke hat Uwe Teich bis heute geschrieben. In denen geht es nicht nur um die große Liebe zwischen Maria und Josef, um die Geburt von Jesus Christus. Das Landesjugendpfarramt vertreibt die Texthefte dazu. In vielen sächsischen Kirchen sind sie deshalb auch dieses Jahr wieder zu sehen.

Weihnachten beginnt bei Uwe Teich schon im Juni. Dann sammelt er erste Ideen für ein neues Stück. Dabei lässt er sich oft von aktuellen Ereignissen inspirieren. Leichte Kost ist das in den seltensten Fällen. Vor ein paar Jahren etwa versetzt er die Geschichte um Maria und Josef in „Betlehem 200X“ mitten in die Kämpfe im palästinensischen Autonomiegebiet. Als eingespielte Geräusche von nahenden Militärhubschraubern durchs Kirchenschiff dröhnen, gibt es danach gemischte Reaktionen. „Die einen haben sich anschließend bei mir beschwert, dass das zu hart für den Weihnachtsabend ist“, erinnert sich der 53-Jährige. „Andere kamen und haben sich bedankt.“ Genau das will er erreichen. Die Leute sollen nachdenken. Über sich, ihren Glauben und die Welt da draußen. Sein Stück „Der Zwischenfall“ beschreibt das biblische Paar als Flüchtlinge in Deutschland. Aktueller geht es kaum. Diesen Text hat nun auch ein bayerischer Verlag für dortige Kirchgemeinden veröffentlicht.

Dass er heute die christliche Weihnachtsbotschaft auf seine ganz eigene Art verbreitet, hätte er als Jugendlicher sicherlich nicht geahnt. Im Oberlausitzer Großschönau geboren, hat er mit der Kirche anfangs gar nichts zu tun. Weil er schon als Kind eine starke Sehbehinderung hat, kommt er als Achtjähriger an eine Spezialschule nach Berlin. Hart sei das gewesen, in so jungen Jahren ohne Familie aufzuwachsen. Eigentlich möchte er nach dem Abschluss gern Lehrer für Kunsterziehung und Deutsch werden. Doch das schlechte Augenlicht macht ihm das unmöglich. Was dann kommt, passt von Anfang an nicht richtig zu ihm. Er studiert „Ökonomie des Konsumgüterbinnenhandels“ in Leipzig. Zur gleichen Zeit beginnt er, sich in der Kirche zu engagieren. Lässt sich mit 19 Jahren taufen. Das wird in der DDR nicht gern gesehen. „Mir wurde von den Verantwortlichen in der Schule klar gesagt, dass ich unter Beobachtung stehe.“ Teich fühlt sich eingeschüchtert. Der Druck wird am Ende zu groß. Nach anderthalb Jahren bricht er sein Studium ab. Nach ein paar Monaten entscheidet er sich für einen neuen Weg: In Berlin beginnt er die Ausbildung zum Diakon.

Als er die 1990 abschließt, will er unbedingt in Dresden arbeiten. Und pokert. Als ihm von der Landeskirche Stellen im Vogtland, in Dippoldiswalde oder Bischofswerda angeboten werden, lehnt er ab. „Das war schon frech für einen Neuling“, sagt Uwe Teich lächelnd. „Aber ich wollte eben unbedingt nach Dresden.“ Am Ende klappt es doch. Weil ihm ein Bekannter steckt, dass in der Weinbergskirche ein Diakon gesucht wird. Doch bevor er den Job antritt, engagiert er sich noch einige Monate in einem Theaterprojekt der Musikhochschule Dresden – die Leidenschaft fürs Theater ist geweckt. Die führt 1992 auch zum Schreiben des ersten eigenen Weihnachtsstücks. „Auch wenn das alles neben der Arbeit anstrengend ist, macht es mir immer noch großen Spaß“, sagt er.

Die Ausgangslage hat sich allerdings verändert. Heute ist er kein Diakon mehr. 1995 suchte die Lebenshilfe jemanden, der in Gorbitz ein neues Kinder- und Jugendhaus aufbaut. Seitdem leitet Teich das „InterWall“. Die Sache mit den Weihnachtsstücken kann er trotzdem nicht lassen. In seiner Heimatkirchgemeinde in der Löbtauer Hoffnungskirche feiern sie regelmäßig Premiere. Uwe Teich ist immer Autor und Regisseur in einer Person. Eigentlich war das auch der Plan für dieses Jahr. Natürlich wieder einmal mit außergewöhnlichem Inhalt. Eine Psychiatrie sollte diesmal im Mittelpunkt stehen. Herodes heiratet Maria. Verrückt. Doch Uwe Teich hat ein Problem. Schon seit vielen Jahren spielt eine feste Gruppe aus der Gemeinde die Rollen in seinen Stücken. „Früher waren das Jugendliche, jetzt sind sie alle um die 30, haben Job und Familie.“ Die Zeit für ein- bis dreimal proben pro Woche wird knapper. Da war es diesmal schwer, alle Rollen zu besetzen. Deshalb beschränkt sich Teich in diesem Jahr auf die Rolle des Regisseurs und zeigt das Stück eines anderen. Überraschend bleibt es trotzdem. Eine Weihnachtsgeschichte im Supermarkt.

Vielleicht ist seine Psychiatrie-Geschichte im nächsten Jahr zu sehen. Oder Uwe Teich schreibt eine neue. „Die Ideen kommen irgendwann in meinen Kopf.“ Wenn sie allerdings einmal aufgeschrieben seien, gehörten sie nicht mehr ihm. Dann gehören sie allen, die am Weihnachtstag mehr als ein Krippenspiel zeigen wollen.

Weihnachtsstück in der Löbtauer Hoffnungskirche: Aufführungen am 24. Dezember um 17 Uhr und am 8. Januar um 16 Uhr