Merken

Wenn Grabsteine erzählen

In Cotta gibt es den vielleicht sonnigsten Friedhof Dresdens. Der hat neben 120 Jahren Historie noch mehr zu bieten, auch für Nicht-Trauernde.

Teilen
Folgen
© René Meinig

Von Annechristin Bonß

Manchmal kommen große Busse an den Dresdner Stadtrand. Voll mit Menschen, die nur dieses eine Grab sehen wollen. Hier, an der Coventrystraße, auf dem kleinen Friedhof Cotta. Sie wollen der großen Opernsängerin Elfride Trötschel gedenken. Die hat unter einer riesigen Blaufichte ihre letzte Ruhe gefunden. „Bei der Beerdigung waren Hunderte Gäste da, ein Menschenmeer“, sagt Susanne Küchler, die in der Friedhofsverwaltung arbeitet. Das haben ihr Besucher auf dem Friedhof erzählt, die damals dabei gewesen waren. Elfride Trötschel schreibt eines der Kapitel der Cottaer Stadtteilgeschichte. Die Vollwaise wurde als Kind von einer ansässigen Familie aufgenommen. Als die Sängerin 1958 starb, wurde sie in Cotta beigesetzt.

Es ist das berühmteste Grab auf dem kleinen Friedhof im Westen der Stadt. Die Anlage, die zur Heilandskirche gehört, umfasst drei Hektar und 1 800 Grablager. In dieser Woche feiern Mitarbeiter und Cottaer das 120-jährige Bestehen der Anlage. 100 Bestattungen im Jahr finden hier statt. Ein Drittel der Menschen entscheidet sich für ein Urnengemeinschaftsgrab. Aber auch Baumbestattungen sind hier möglich. „Wir sind einer der sonnigsten Friedhöfe der Stadt“, sagt Susanne Küchler. Von der alten Friedhofsmauer haben Besucher einen schönen Blick über die Anlage. Die Wucht der Hochhäuser in Gorbitz und die vielbefahrene Coventrystraße bleiben hinter hohen Bäumen verborgen.

Wer hier aufmerksam die Inschriften auf den Grabsteinen liest, reist zurück in die Geschichte Cottas. Der erste Direktor am hiesigen Gymnasium, Otto Hörig, liegt hier begraben. Schon bald soll für ihn ein Gedenkstein aufgestellt werden. Ein solcher erinnert bereits an einen Windmüller von Leutewitz – Johann Georg Wilhelm Geyer. Sein Grab liegt an der Friedhofsmauer. Hier befindet sich auch die Gruft der Familie Speck. Baumeister Hermann Speck war für das Haus des Friedhofsmeisters verantwortlich. Das steht an der Gorbitzer Straße und ist heute in Privatbesitz. Ebenso hat hier die Familie von Architekt Bernhard Seitz die letzte Ruhe gefunden. Er war als Bauinspektor der Stadt für das Rathaus Cotta verantwortlich. Viele Cottaer Persönlichkeiten ließen sich einst hier begraben: Industrielle, Ärzte, Pfarrer, Bauleute. Viele haben Spuren im Stadtteil und den Erinnerungen der Menschen hinterlassen.

Über 20 historische Grabstätten werden heute noch gepflegt, einige stehen unter Denkmalschutz. Die Daten der Toten sind in den alten Karteikarten nachzulesen. Die lagern noch immer im Büro des Friedhofmeisters. Zum Friedhof gehören auch einige Kriegsgräber. Immer wieder taucht der 17. April 1945 als Todestag auf. An diesem Tag verloren ganze Familien ihr Leben. „Damals fand noch eine große Bombardierung Cottas statt“, sagt Susanne Küchler.

Eng arbeitet die Kirchgemeinde mit der Stadt zusammen. So wurden einige Gräber restauriert. In den kommenden Jahren soll das neue Baumkonzept umgesetzt werden. An den Hauptwegen pflanzen Arbeiter neue Linden. Derzeit wird zudem ein Weg erneuert, damit bei Regen das Wasser besser abfließen kann.

Anlässlich des 120-jährigen Bestehens findet an diesem Freitag, 19 Uhr, ein Gottesdienst in der Friedhofskapelle statt. Im Anschluss gibt es Sekt und Glühwein. Mitglieder vom Förderverein stehen für Gespräche bereit. Der Eintritt ist frei.