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„Wenn ein Partner geht, entsteht eine große Lücke“

Die Schmiedebergerin Tina Bachmann spricht über das Ende ihrer Biathlon-Karriere, Momente des Scheiterns und die Härten des Leistungssports.

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© Robert Michael

Frau Bachmann, warum treten Sie mitten in der Saison zurück?

Ich wollte 2018 noch einmal Olympische Spiele erleben, diesmal aber nicht nur – wie 2010 in Vancouver – als Reservistin. Bei den Ausscheidungsrennen im November konnte ich mich jedoch nicht für die zweite Liga im Biathlon, den IBU-Cup, qualifizieren. Dadurch wusste ich, dass ich mein Ziel nicht mehr erreichen werde. Die Tür ist zu. Mein Anspruch ist es, auf Weltklasse-Niveau zu laufen, also dort, wo ich schon einmal war. Ich musste mir eingestehen, dass es dafür nicht mehr reicht.

Wie lange haben Sie gebraucht für diesen Schritt?

Es gab in den letzten Jahren schon zwei Situationen, wo ich kurz davor stand, alles hinzuschmeißen. Einmal 2014, als ich mich wegen eines Burn-outs drei Monate in einer Klinik behandeln ließ. Und dann vor einem Jahr mit dem Bandscheibenvorfall, da dachte ich: Das wird nichts mehr. Aber in beiden Fällen habe ich wieder angegriffen, auch Fortschritte gemacht. Letztlich ist der Abstand zur Spitze aber zu groß.

Wie fühlt es sich an, mit 30 plötzlich eine Ex-Biathletin zu sein?

Es sind gemischte Gefühle. Direkt nach den Qualirennen, die nicht wie gewünscht liefen, bin ich in ein richtiges Loch gefallen, obwohl ja klar war, wie es weitergeht in meinem neuen Leben. Aber so, wie ich Biathlon betrieben habe, war ich 20 Jahre mit diesem Sport verheiratet. Und wenn ein Partner geht, entsteht eine große Lücke. Dadurch ist auch viel Platz für Neues, aber ich weiß noch nicht, wie sich das anfühlt. Deshalb spüre ich eine Leere.

Beim Blick zurück auf diese 20 Jahre: An was denken Sie da zuerst?

An die vielen Auf und Abs. Mit 16 bekam ich einen Wachstumsschub und dachte das erste Mal ans Aufhören. Mit 18 sagten mir meine Heimtrainer: Du wirst es nie in die Weltspitze schaffen  ...

Ihnen fallen nicht zuerst die Medaillen ein?

Doch, auch, der erste und einzige Weltcup-Sieg 2009, das Einzel-Silber und das Staffel-Gold bei der WM 2011, die Wiederholung des Staffel-Titels ein Jahr später und der vierte Platz im Massenstart. Aber dann kommt diese lange Leidensphase, als ich nicht wusste, wo ich hingehöre, ob ich es noch einmal schaffe. Dieses ständige Kämpfen und Nichtaufgeben – das wird mich wohl immer begleiten.

Bleibt Ihre Biathlon-Karriere eine unvollendete?

Ich habe einerseits vieles erreicht, wovon andere träumen. Darauf bin ich stolz und auch dankbar. Gescheitert bin ich mit dem Ziel, einmal bei Olympischen Spielen zu starten. Wobei ich glaube, dass ich 2010 – nur gemessen an den Leistungen – nicht auf die Ersatzbank gehört hätte. Das war eine sportpolitische Entscheidung, die Einsatzkonzeption stand wohl schon lange vorher fest, ich rutschte dann da so rein, war aber nicht in den Köpfen der Trainer.

Hätten Sie sich, nicht nur in dieser Situation, mehr Unterstützung von den Bundestrainern und dem Verband gewünscht?

Generell ist es im Leistungssport wie überall: Man ist ersetzbar. Es kommt der Nächste und nimmt den Platz ein. Und wenn die Trainer nun auf Jüngere setzen, dann verstehe und respektiere ich das. Ich hätte mir das nur, als ich so jung war, eben auch gewünscht.

Michael Rösch hat die Nation gewechselt, um im Weltcup starten zu können.

Das war für mich nie eine Option, weil ich mich immer an der Weltspitze orientieren wollte und ich wusste: Wenn ich in Deutschland vorn dabei bin, dann bin ich es auch international.

Haben Sie es mit dem Ehrgeiz gelegentlich übertrieben?

Ich bin ein Perfektionist, wenn ich etwas anfange, dann mache ich es zu 100 Prozent und kann mir selbst gegenüber sehr penetrant sein. Als Biathletin gab es für mich nur den Sport, 24 Stunden am Tag, 365 Tage im Jahr. Alles, was mich ablenken konnte, empfand ich als Störung. Deshalb habe ich mich auch nie in die Öffentlichkeit gedrängt. Das hat mich von anderen unterschieden. Abends habe ich Trockentraining und mir Gedanken gemacht, was ich noch verbessern könnte.

Waren das zu viele Gedanken?

Vielleicht schon, weil die Festplatte nicht mal auf Stand-by geschaltet wurde.

Wie sieht das Leben nach dem Biathlon nun aus?

Ich starte jetzt noch bei Polizeimeisterschaften. Im Juli beginne ich dann in Brühl und Lübeck meine Ausbildung bei der Bundespolizei zum gehobenen Dienst. Die dauert zwei Jahre und zwei Monate, dann bin ich Kommissarin.

Auf was freuen Sie sich am meisten?

Zunächst einfach Weihnachten bei meiner Familie zu feiern, ohne mir Gedanken machen zu müssen, wo es als Nächstes hingeht. Das ist sehr entspannend.

Was werden Sie vermissen?

Den Sport an sich, das Erlebnis, die tägliche Herausforderung.

Bleiben Sie Altenberg und Ihrem Heimatverein Schmiedeberg erhalten?

Ich möchte mich da auf jeden Fall einbringen, vielleicht sogar als Trainerin, aber nur im Nachwuchs und erst einmal ehrenamtlich. Die B-Lizenz besitze ich schon.

Und was passiert mit dem Gewehr?

Das geht an den Biathlon-Förderverein. Wenn ich damit einem Talent helfen kann, ist das doch besser, als wenn ich es als Andenken behalte.

Das Gespräch führte Daniel Klein.