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Wenn ein paar Zentimeter das Parken verbieten

Das Ordnungsamt in Görlitz verwarnt Kleingärtner auf der Parsevalstraße. Die sind sauer. Doch es gibt eine hilfreiche Idee.

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© Ralph Schermann

Von Ralph Schermann

Görlitz. Laubenpieper? Von wegen! Gartenfreunde können laut sein. Zum Beispiel dort, wo die Sparte Liebighöhe an die Parsevalstraße grenzt. Wobei die Bezeichnung Straße für diese Holperpiste geschmeichelt klingt. Bei Regina Exner, Dieter Jackisch, Christian Wiesner, Hans Jürgen Hertwig, Klaus Jackisch und einer Reihe anderer Kleingärtner klingt das so: „Unverschämtheit“, „bodenlose Frechheit“, „Bürgerfeindlichkeit“. Manches klingt sogar so, dass man es gar nicht drucken kann. Was störte die ländliche Idylle? Das Ordnungsamt.

Mit dem Maßband verweisen sie auf Stellen, die zum Parken breit genug sind. Fotos des Entsorgers dagegen zeigen Situationen, an denen es dort schon ziemlich gefährlich eng zugeht.
Mit dem Maßband verweisen sie auf Stellen, die zum Parken breit genug sind. Fotos des Entsorgers dagegen zeigen Situationen, an denen es dort schon ziemlich gefährlich eng zugeht.

„Die kamen und haben Knöllchen verteilt“, erzählt Regina Exner und zeigt ihren Verwarnbescheid über 25 Euro. „Na ja, stimmt schon, hier ist es an manchen Stellen eng, und es werden auch mal welche doof parken“, überlegt Christian Wiesner, „dennoch sind wir hier seit Jahrzehnten nicht behelligt worden.“ Hans Jürgen Hertwig kam einst auch immer mit einem größeren Fahrzeug durch: „Mit ’nem Lkw vom Typ W50 hatte ich nie Probleme.“

Jetzt aber gibt es sie, und Ronny Hirschmann kann sie erklären. Der Leiter des Regiebetriebes Abfallwirtschaft beim Landratsamt Görlitz erinnert daran, dass die Durchfahrt für Entsorgungsfahrzeuge erstmals am 4. Juli ausfallen musste: „Geparkte Autos und der Bewuchs am Straßenrand machten ein Befahren unmöglich.“ Daraufhin seien Anlieger aufgefordert worden, straßenbegleitende Sträucher zurückzuschneiden. Das wurde von Bombardier auf der einen, aber auch durch Kleingärtner auf der anderen Straßenseite getan. „Doch auch der nächste Versuch der Durchfahrt blieb erfolglos“, schildert Ronny Hirschmann: „Die Parksituation ließ ein durchgängiges Befahren der Parsevalstraße nicht zu. Vielmehr musste das Entsorgungsfahrzeug rückwärts über mehr als 200 Meter in Richtung Sportplatz fahren. Das ist eine auf den ruhenden Verkehr zurückzuführen und eine eindeutige Gefahrensituation.“

Ronny Hirschmann informierte das Ordnungsamt. Das schickte Vollzugsbedienstete am 9. August zur nächsten Entsorgungstour mit – und löste den Knöllchen-Unmut der Gartenfreunde aus. Das aber scheint auch mit selbst gemachter Ärger zu sein, fasst Sylvia Otto im Görlitzer Rathaus zusammen: „Die Abfallentsorgung scheiterte an fehlerhaft geparkten Autos. Dabei wurde festgestellt, dass es sich bei den noch vorhandenen Engen um Hecken von Kleingärtnern handelt. Dazu hat sich das Ordnungsamt an den Kleingärtnerverband gewandt. Auch zeigte sich, dass manches in der Vergangenheit vor den Zäunen, also nicht auf dem eigenen Grundstück gepflanzt wurde. Dies engt die Straße zusätzlich ein.“ Als Folgen solcher Engen verordnet die Straßenverkehrsordnung eindeutig Parkverbot. Gesetzlich festgelegt ist dabei das Freihalten einer Durchfahrtbreite von mindestens 3,05 Meter. „Bei der Kontrolle wurden vier Autos festgestellt, bei denen die Restdurchfahrtbreiten zwischen 2,40 und 2,80 Meter lagen“, zitiert Sylvia Otto aus den Protokollen. Da kommt tatsächlich kein Müllfahrzeug mehr durch. Man könne ja ein kleineres Müllauto nehmen, da die Straße sowieso nur für 7,5 Tonnen zugelassen ist, überlegt Gartenfreund Dieter Jackisch. „Nein“, kontert das Rathaus, es geht ums Prinzip. Immerhin gilt die freizuhaltende Breite bei Erfordernis auch für Feuerwehr- und Rettungsfahrzeuge.

Was die Kleingärtner so ärgert, ist das plötzliche Vorgehen gegen offensichtlich langjährige geduldete Gewohnheiten. Wenn schon plötzlich dieses Durchgreifen, hätte man erst einmal per Schaukastenaushang warnen können, oder nicht gleich mit dem Höchstsatz zur Kasse bitten, murren sie. Tatsächlich handelt der Vollzugsdienst auch unsensibel, wenn auf den Knöllchen Kleingärtnern am Sportplatz „Junge Welt“ empfohlen wird, besser den gebührenpflichtigen Parkplatz Christoph-Lüders-/Conrad-Schiedt-Straße zu nutzen, um Gartenmaterial dann rund 1,6 Kilometer weit durch Görlitz zu schleppen.

Zum Protest der Knöllchenempfänger gesellt sich allerdings auch anderer: von jenen Grundstücksnutzern, deren Bioabfälle stehen blieben. „Sie mussten ihre Tonnen teils bis zur Liebigstraße bringen und forderten ein konsequentes Vorgehen gegen die Halter der behindernden Fahrzeuge“, berichtet Stadtsprecherin Sylvia Otto.

Und nun? Ein Ausbau der Straße wird schon deshalb nicht erfolgen, weil die Stadt als Eigentümer des verpachteten Gartenlandes selbst die Anliegerausbaugebühren berappen müsste. Ein reguläres Abstellen auf den murkligen Seitenstreifen besteht nur an ganz wenigen Stellen. Um Klarheit zu schaffen, wird die obere Parsevalstraße demnächst als Parkverbotszone ausgeschildert. Eine Idee gäbe es dennoch, um Kleingärtnern entgegenzukommen: „Da es ungenutzte Pachtflächen gibt, könnte der Kleingärtnerverband dort Stellplätze einrichten“, schlägt die Stadtverwaltung vor.

Das Verwehren des Parkens zeigt übrigens eine Kehrseite – den Wegfall der Verkehrsberuhigung: Viele Durchfahrende halten sich wegen der nun „freien“ Straße nicht mehr an die geltenden 30 km/h.