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Wenn die Tiere frieren

Viele Menschen sorgen sich um Pferde oder Schafe, die bei diesen Temperaturen auf der Weide stehen. Wann das begründet ist – und was man tun sollte.

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© Claudia Hübschmann

Von Dominique Bielmeier

Landkreis. Die Rippenbögen des Pferdes zeichnen sich deutlich unter seinem Fell ab, auf der gefrorenen Wiese finden das Tier und seine Artgenossen kaum einen Grashalm, den sie abbeißen könnten, anderes Futter gibt es nicht. Über einen Tag lang lag zwischen den Pferden sogar eine tote Stute, zeitweise notdürftig abgedeckt mit einer Plane. So das Bild Mitte Dezember in einem Waldstück in Nossen.

Vernachlässigte Tiere wurden auch in Radebeul vermutet: In dieser Schafherde lag Anfang Januar ein verendetes Tier.
Vernachlässigte Tiere wurden auch in Radebeul vermutet: In dieser Schafherde lag Anfang Januar ein verendetes Tier. © Norbert Millauer

Mehrere Bürger hatten die vernachlässigten Tiere damals dem Veterinäramt angezeigt, das nach eigener Aussage bereits seit Monaten die Tierhaltung im Auge behalten habe. Anfang Januar kann die SZ berichten, dass sich die sogenannte „Robusthaltung“ verbessert hat: Die Tiere erhalten nun regelmäßig Heuballen, der Pferdekadaver wurde vom Zweckverband für Tierkörperbeseitigung entfernt.

Dafür gab es nun den Verdacht, dass im Rietzschkegrund in Radebeul-West Schafe vernachlässigt werden. Auch hier lag ein totes Tier inmitten der kleinen Herde. Der Halter ist dem Veterinäramt bekannt, er hat schon früher Auflagen der Behörde bekommen, zum Beispiel Raufutter und einen Schutz vor Witterung vorzuhalten.

In beiden Fällen, bei den Pferden aus Nossen wie den Radebeuler Schafen, durften die Halter ihre Tiere behalten – zum Unverständnis vieler Tierfreunde. Welche Möglichkeiten hat der Kreis eigentlich, gegen Tierquälerei und Vernachlässigung vorzugehen und wie sollten die Bürger sich in solchen Fällen verhalten? Die SZ hat den Leiter des Sachgebiets Tierschutz und Tierarzneimittelüberwachung beim Veterinäramt Gottfried Schneider dazu befragt.

Nimmt die Zahl der vernachlässigten Tiere im Landkreis Meißen zu?

Diesem Eindruck, der durch eine Häufung von Fällen in letzter Zeit entsteht, kann Schneider nicht zustimmen. Allerdings gebe es immer Zeiten, in denen mehr vermeintliche Vernachlässigungen angezeigt werden: im Winter, besonders wenn es sehr kalt ist und Schnee liegt, und bei sehr hohen Temperaturen im Sommer. Dann seien manche Menschen besorgt, dass auch dann Tiere im Freien gehalten werden. In der Nähe von Riesa gebe es einen Schäfer, der seine Schafe auch im Winter im Freien lasse. Deshalb sei es schon oft zu Anzeigen gekommen. „Aber wir konnten noch nie feststellen, dass er sich weigert, unsere Anforderungen zu erfüllen“, so Schneider.

Im Fall der Pferde war von Robusthaltung die Rede. Was heißt das?

Robusthaltung bedeutet, dass die Tiere immer, im Sommer wie Winter, im Freien gehalten werden. „Den Begriff ist man im Zusammenhang mit landwirtschaftlichen Tieren gewohnt“, erklärt Schneider. Denn auch Rehe oder Wildschweine lebten ja dauerhaft im Freien. Für Rinder oder Pferde gelten dagegen bestimmte Voraussetzungen. Der erste Grundsatz ist, dass die Tiere auch wirklich immer draußen sein müssen, damit sich ihre Physiognomie darauf einstellt, sie also zum Beispiel ein Winterfell entwickeln“, so Schneider.

Außerdem muss der Tierhalter Futter und Tränkwasser sowie einen Witterungsschutz bereitstellen. Letzterer fehlte bei den Nossener Pferden, zumindest im Auge des Laien. Denn als Schutz können auch Sträucher oder Bäume ausreichen, unter denen die Tiere trocken stehen können, erläutert Schneider. „Vor Wind schützen sie sich ja auch gegenseitig in der Gruppe.“ Was noch dazu kommt: Den Tieren werde ja keine Leistung abverlangt, wie zum Beispiel Sportpferden, sodass Raufutter und eine geringe Menge Kraftfutter ausreichen.

An wen können sich Bürger wenden, wenn Sie vernachlässigte Tiere sehen?

Kommt einem Bürger eine Tierhaltung suspekt vor, sollte er sich immer zuerst an den Tierhalter selbst wenden, empfiehlt Schneider. „Wir bekommen häufig Anzeigen, dass in einem Tierpark etwas nicht in Ordnung sei, dann kommt immer die Klage des Leiters: Warum sagen die Leute uns das nicht selbst?“, so Schneider. Falls das aber nichts bringt, sollte das Veterinäramt informiert werden, am besten schriftlich. „Denn wir müssen etwas in der Hand haben, um zu wissen, wo die Tiere zu finden sind, und um uns gegenüber dem Tierbesitzer auf etwas berufen zu können.“

Bei Anzeigen wegen streunender Tiere oder Lärmbelästigung sei jedoch das Ordnungsamt zuständig; wenn die Tiere leiden und Schmerz äußern, kann auch eine direkte Anzeige bei der Polizei erfolgen, weil es sich um Straftaten im Sinne einer Tierquälerei handelt. „Solche Fälle müssen wir zwangsläufig an die Staatsanwaltschaft abgeben“, sagt Schneider.

Bleibe ich anonym, wenn ich Quälerei und Vernachlässigung anzeige?

„Wir wollen zwar wissen, wer angezeigt hat, damit es glaubwürdig ist“, sagt Schneider, „aber das behandeln wir immer anonym.“ Nur im Fall einer strafrechtlichen Verfolgung des Tierhalters kann es sein, dass der Bürger Rede und Antwort stehen und möglicherweise auch in einem Gerichtsprozess aussagen muss.

Was kann das Kreisveterinäramt tun, wenn ein Vorwurf stimmt?

Nach einer Anzeige macht das Veterinäramt zunächst einen unangekündigten Kontrollbesuch dort, wo die Tiere gehalten werden. „Der geht zu 80 Prozent ins Leere, weil wir den Tierhalter nicht antreffen“, sagt Schneider. Deshalb wird dem Halter eine Nachricht in Form eines kleinen Briefes hinterlassen, dass er sich mit dem Veterinäramt in Verbindung setzen soll zwecks Terminabsprache für eine zweite Kontrolle. „Bis dahin sind die gröbsten Mängel meist schon abgestellt.“ Falls nicht, werden die Missstände bei der zweiten Kontrolle schriftlich festgehalten und außerdem wird eine Frist bis zu ihrer Beseitigung gesetzt. „Die nächste Steigerungsform wäre eine behördliche Verfügung oder der Bescheid des Veterinäramtes, welcher kostenpflichtig ist“, erklärt Schneider. „Notfalls auch mit Zwangsgeldandrohung für den Fall, dass die Mängel nicht innerhalb der Frist behoben wurden.“ Fruchtet auch das nicht, können die Tiere – auf Kosten des Halters – zum Beispiel in einem Tierheim untergebracht werden. Er bekäme dann eine weitere Nachfrist, um die Mängel zu beseitigen.

Ab wann muss ein Halter seine Tiere überhaupt abgeben?

„Der Bürger fordert immer gleich, dass die Tiere dem Halter weggenommen werden“, sagt Schneider. „Aber so geht das natürlich nicht.“ Das Tierschutzgesetz lasse erst als drastischste Maßnahme die Wegnahme eines Tieres zu. Und selbst dann wird dem Halter die Möglichkeit eingeräumt, seine Tiere selbst abzuschaffen, bevor sie auf seine Kosten eingezogen werden. Dann könnte schließlich auch ein Tierhaltungs- und Betreuungsverbot ausgesprochen werden.

Und wenn der Halter die ungeliebten Tiere dann einfach tötet?

Dazu müsste er erst einmal einen Tierarzt finden, der sie trotz des Verbots im Gesetz einschläfern würde, sagt Schneider. Im Paragrafen 1 des Tierschutzgesetzes heißt es: „Niemand darf einem Tier ohne vernünftigen Grund Schmerzen, Leiden oder Schäden zufügen.“

Trotzdem gibt es natürlich Tierhalter, die ihre Tiere, wenn sie ihnen zuviel werden, einfach ertränken oder totschlagen. „Wenn bekannt ist, dass ein Bürger mehrfach unseren Auflagen nicht nachgekommen ist, liegt es natürlich in unserer Verantwortung, zu fragen, was aus den Tieren geworden ist“, sagt Schneider. Hat der Halter seine Tiere getötet, muss er sich dafür vor der Staatsanwaltschaft verantworten. Schneider: „Deshalb kann man jeden nur davor warnen, so etwas zu tun.“