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Wenn die Sprache verloren geht

Die Kitas „Pfiffikus“ und „Hohwaldbienen“ helfen Kindern bei Sprachfehlern. Denn die häufen sich.

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© Dirk Zschiedrich

Von Katarina Gust

Neustadt/Berthelsdorf. Es ist eine erschreckende Zahl, die die Krankenkasse AOK veröffentlicht hat: Laut einer Studie geht inzwischen jeder vierte Sechsjährige zum Logopäden. Mehr Jungen als Mädchen bekommen die Sprecherziehung verordnet, weil sie stottern, lispeln oder nuscheln. Bei dem Großteil der Kinder hängt die Sprachstörung mit körperlichen Problemen zusammen, zum Beispiel mit den Muskeln im Mund, einer zu großen Zunge oder einem schlechten Gehör. Beim Rest sind es andere Ursachen. Einige davon kennt Carola König, Leiterin der Kita „Hohwaldbienen“ in Berthelsdorf. „Es gibt heute immer weniger gute Sprachvorbilder“, sagt die Pädagogin. In Familien werde weniger erzählt und weniger vorgelesen. Kinder würden eher vor dem Computer sitzen. Die Sprache bleibt deshalb gern auf der Strecke.

Um die Defizite der Kinder anzupacken, hatten die „Hohwaldbienen“ zusammen mit dem ASB-Kinderhaus „Pfiffikus“ in Neustadt ein besonderes Projekt gestartet. Beide Einrichtungen beteiligen sich seit 2011 am Bundesprogramm „Sprache und Integration“, bei dem es um die sprachpädagogische Arbeit mit den Kindern geht. Beim Wickeln in der Krippe, beim gemeinsamen Frühstück, bei der persönlichen Begrüßung, beim An- und Ausziehen an der Garderobe – die Erzieher sprechen in allen Situationen bewusst mit den Kindern, um ihren Wortschatz und die Sprachfähigkeiten zu erweitern. Vor allem Kinder unter drei Jahren sollten sprachlich gefördert werden.

Um fit zu werden auf diesem Gebiet haben sich die insgesamt 70 Erzieher ein Jahr lang weitergebildet. Jeder Pädagoge habe sich qualifiziert, damit im Krankheitsfall oder bei einem Wechsel in eine andere Kita keine fachliche Lücke entsteht. „Die Weiterbildungen liefen neben der täglichen Arbeit“, erklärt Sylvana Schumacher, Leiterin im Kinderhaus „Pfiffikus“. Bei der feierlichen Übergabe der Sprach-Zertifikate hat sie sich bei den Mitarbeitern beider Häuser für dieses Engagement bedankt. Die Entscheidung sei bewusst getroffen worden. Denn die Sprachentwicklung der Kinder werde immer mehr herausfordernd. „Die Sprachauffälligkeiten häufen sich“, stellt Sylvana Schumacher fest.

Lobende Worte hatte auch Dietmar Schneider, Leiter des Jugendamtes in Pirna, parat. Er war für die Übergabe der Zertifikate extra nach Neustadt gekommen. Auch, weil der Landkreis bei diesem Thema ein Wörtchen mitzureden hatte. Denn er suchte die Kitas aus, die sich für das Modellprojekt „Sprache und Integration“ bewerben konnten. Von den insgesamt 190 Kitas im Kreis sei die Wahl auf die richtigen Einrichtungen gefallen, sagte Schneider. „Die Pädagogen haben außerdem den Rucksack der Weiterbildung zusätzlich getragen“, äußerte er. Ein Aufwand, der nicht selbstverständlich sei. Von dem die Kinder aber profitieren würden. „Denn die Sprache ist ein Chancenöffner für Kinder“, äußerte Schneider. Vor allem bildungsbenachteiligte Kinder sollen in ihren sprachlichen Fähigkeiten gestärkt werden. Die Kita „Pfiffikus“ hatte übrigens noch einen zweiten Grund zu feiern. Denn in der Einrichtung liegt der Fokus nicht nur auf der Sprache, sondern auch auf den Naturwissenschaften. Die Kita darf sich deshalb jetzt „Haus der kleinen Forscher“ nennen. Ein Prädikat, das ihm die Handwerkskammer Dresden verlieh. Anhand von Experimenten und Praxistests nehmen die Erzieher die Kinder mit auf Entdeckungsreisen in die Welt der Mathematik, Physik, Biologie oder Technik.