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Wenn die Miete immer teurer wird

Die Vonovia verschickte seit Jahresbeginn gut 2 000 Mieterhöhungen an Dresdner. Die Erhöhungen begründet der Großvermieter mit den hochgestuften Wohnlagen. Darüber gibt es hitzige Debatten.

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© René Meinig

Von Julia Vollmer

Wenn Harry Förster auf sein Konto guckt, ist er gar nicht glücklich. Neben den üblichen Posten von Versicherungen, Einkäufen und Telefon gibt es vor allem einen Punkt, der ihm Sorgen bereitet. Seine Miete. Künftig soll er knapp 60 Euro mehr an seinen Vermieter, die Vonovia überweisen. Und das jeden Monat. Laut eines Schreibens des Großvermieters muss er statt 383 Euro nun 441 Euro für seine Wohnung in der Johannstädter Holbeinstraße bezahlen. Mit seiner Frau Ute lebt der Rentner in einem Drei-Zimmer-Appartement auf rund 80 Quadratmetern.

Der Großvermieter Vonovia verschickte seit Jahresbeginn gut 2 000 Mieterhöhungen. Die meisten waren mit der Änderung der Wohnlage begründet. So wie im Fall von Harry Förster. Seine wird von mittlere auf gute Wohnlage hochgestuft, begründet die Vonovia. Seitdem gibt es hitzige Diskussionen um den Mietspiegel und dessen Kriterien. Diese seien zu schwammig formuliert und Vermieter wie Vonovia könnten ihn zu ihren Gunsten auslegen.

Wie funktioniert die Einstufung? Der Mietspiegel ordnet die Wohnungen in drei Lagen ein: einfach, mittel und gut. Für eine mittlere Wohnlage gelten beispielsweise folgende Kriterien. Die Gebäude haben drei bis fünf Geschosse in offener oder geschlossener Bauweise. Supermärkte, Fleischer und Bäcker sollen zu Fuß erreichbar sein. Außerdem muss es in der Nähe Schulen und Kitas sowie Bibliotheken und kulturelle Einrichtungen geben. Die Innenstadt soll für die Einstufung in eine mittlere Wohnlage den ganzen Tag gut mit Bus und Bahn erreichbar sein. Wenn all diese Punkte erfüllt sind, kann die Wohnung trotzdem in eine schlechte Lage heruntergestuft werden. Zum Beispiel dann, wenn sie an einer stark befahrenen Straße liegt. Ab einem Lautstärkepegel von mehr als 60 Dezibel zwischen 6 und 22 Uhr wird die Lage von mittel auf einfach oder von gut auf mittel heruntergestuft, so der Mietspiegel. Dieser Lärmpegel ist laut Umweltamt etwa so laut wie ein Rasenmäher oder ein voll aufgedrehter Fernseher.

Die Stadtverwaltung will nun auf die Kritik reagieren. Für den Mietspiegel 2019 sind Verbesserungen vorgesehen. „Es ist geplant, die Wohnlage adressgenau auszuweisen“, sagte Stadtsprecher Karl Schuricht. Mieter und Vermieter sollen künftig die Einstufung der Wohnlage für eine konkrete Adresse anhand eines Online-Portals abrufen können. Derzeit prüft die Verwaltung gerade die technischen Voraussetzungen dafür. Das Ergebnis soll dann der Projektgruppe vorgestellt werden, die den Mietspiegel erstellt. Sie muss über das Portal entscheiden. Die aktuellen Bewertungskriterien sollen Schuricht zufolge aber auch für den nächsten Dresdner Spiegel 2019 beibehalten werden.

Mietervereins-Sprecher Matthias Wagner sieht nicht im Mietspiegel das Problem, sondern in den „selbst definierten Kriterien der Vonovia“, sagt er. Der Mietspiegel lasse es nicht zu, dass eine Höherstufung von der mittleren oder einfachen in die gute Wohnlage durch den Vermieter die Regel ist. Er biete keinen Raum für Geldmacherei, wie von vielen behauptet, die Vonovia nehme sich diesen einfach. „Man darf nicht darüber hinwegsehen, dass die Vonovia Mitglied der Projektgruppe Mietspiegel ist und die Kriterien für die Wohnlagebeurteilung dort mitgetragen hat.“ Das Unternehmen habe bisher, als es noch Gagfah hieß und auch schon unter dem neuen Namen, bis auf wenige Ausnahmen die Wohnlage nach diesen Kriterien bewertet. „Warum also jetzt plötzlich Abweichungen in dieser Größenordnung?“, fragt der Mietervereinssprecher Matthias Wagner.

Die Vonovia wiegelt ab. „Wie alle anderen Vermieter auch, überprüfen wir in regelmäßigen Abständen die Mieten“, betont Unternehmenssprecherin Bettina Benner. Das sei normal. Auf zwei Dinge würde die Vonovia achten: auf die Marktsituation und die rechtlichen Auflagen. Benner beruft sich auf den Mietspiegel. Dieser sei zum Teil zu vereinfacht und zu wenig detailliert dargestellt. Benner sieht nur eine Lösung im Streit um die Einstufung der Wohnlagen: Die konkreten Straßen müssen im Mietspiegel benannt werden. So wie es die Verwaltung jetzt vorhat. Sonst sieht Benner keinen Grund zur Aufregung. Viele Mieter hätten den Erhöhungen schon zugestimmt. Einige hätten auch Widerspruch eingelegt, hier prüfe die Vonovia noch mal. Sollten Fehler entstanden sein, will das Unternehmen diese korrigieren.

Harry und Ute Förster haben sich nach der Mieterhöhung an die Vonovia gewandt und um Prüfung gebeten. Bisher bekamen sie noch keine Antwort. Umziehen will das Paar aber nicht mehr. Seit 1972 wohnen Försters schon auf der Holbeinstraße und sie leben gerne dort.