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Wenn die Kunst mit der Post kommt

Mehr als 50 Künstler präsentierten sich am Wochenende in Pirna. Zu sehen war auch eine nur wenig bekannte Kunstrichtung.

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© Steffen Unger

Von Carina Brestrich

Pirna. Unseriös, irreführend, lästig – Kettenbriefe haben keinen guten Ruf. Bei Volker Lenkeit, Frank Voigt und Petra Lorenz allerdings bekommt der Kettenbrief eine ganz andere Bedeutung. Welche, das war am Wochenende beim Tag der Kunst in Pirna zu sehen. „Art x Mail“ heißt das Projekt der drei Collagen-Künstler. Das Ziel: Kunst in alle Welt verschicken – und Kunst aus aller Welt erhalten.

Mail Art, zu deutsch Postkunst, heißt die Kunstrichtung, die hinter „Art x Mail“ steckt. Die gibt es schon seit mehr als hundert Jahren. Das Prinzip ist einfach: Ein Künstler gestaltet zu einem Thema eine Collage, verschickt sie per Post an einen anderen Künstler. Der fügt einen weiteren collagierten Streifen an und schickt es an den nächsten, der den Brief mit seinen Ideen vervollständigt und dann wieder die Ursprungsabsender zurückschickt. Das Ergebnis: ein kollektiv geschaffenes Kunstwerk. Künstler aus insgesamt 30 Ländern, darunter Australien, Argentinien und Kanada, beteiligten sich an den 20 kunstvollen Kettenbriefen, die in der Galerie in der Langen Straße zu sehen waren. „Zu DDR-Zeiten war Mail art eine gute Möglichkeit, mit internationalen Künstlern in Kontakt zu kommen“, sagt Frank Voigt.

Obwohl das heute auf anderen Wegen viel einfacher geht, setzen Voigt und seine Künstlerkollegen auch weiterhin auf den Kunstaustausch per Post – wenn die denn mitspielt. Denn zwischen den bunten Zeitungsschnipseln, Stempeln, Buchseiten und Schriften sind die Adressen manchmal nur auf den zweiten Blick zu finden. „Die Sortiermaschinen der Post scheitern manchmal“ sagt Volker Lenkeit. Tun sie es nicht, sei Art Mail eine Kunst, die Spaß macht: „Es macht Freude, wenn man den Briefkasten aufmacht und ein Brief von seiner Reise zurückgekommen ist“, sagt er und ergänzt: „Es ist spannend, wie die Künstler auf die eigene Kunst reagieren.“

Auf Reaktionen gespannt war am Sonnabend auch Dirk Großer. Der Künstler aus Stadt Wehlen versammelte in der Pirnaer Schlossstraße Werke verschiedener Künstler. „Into the Wild“ lautet der Titel der Ausstellung, die die Themen Natur, Wildnis und Freiheit anspricht. Robert Frommberg aus Potsdam etwa lieferte selbst vor Ort die Erklärung für seine „Ur“-Installation. Für die hatte er das Innere mehrerer Baumstämme ausgeglüht. Die so entstandenen Löcher in den Stämmen sollen an ein Gefäß erinnern. „Das Gefäß ist eines der ersten Objekte, die der Mensch geschaffen hat“, sagt er. Auf originelle Weise mit der Natur auseinandergesetzt hat sich auch der Kurator selbst: Er hatte einen mit Baumpilzen übersäten Baum im Uttewalder Grund zum Kunstobjekt gemacht, indem er die Schwämme pink anmalte. „Ich wollte sehen, welche Wirkung eine kleine Veränderung an der Umwelt hervorruft.“

Eine ganz andere Kunst zeigte Sabine Hagedorn. Zum dritten Mal stellte die Designerin aus Dresden beim Tag der Kunst aus. In einem kleinen Raum in der Oberen Burgstraße präsentierte sie ihre Porzellankunst. Neben Schalen, Kerzenhaltern und Halsketten mit auffälligen geometrischen Anhängern fertigt sie aus dem weißen Gold auch Kunstwerke für die Wand. Für ein Bild etwa tauchte die Künstlerin einen Wollfaden in flüssiges Porzellan, den sie dann auf einer Fläche zu einem Netz legte: „Porzellan ist ein interessanter Werkstoff“, sagt Sabine Hagedorn. Und eine Herausforderung: Weil das Material beim Brennen stark schwindet, müsse bei aller Kreativität immer auch die Statik bedacht werden.

Trotz Liebe für’s Porzellan – ein reiner Selbstzweck ist Kunst für Sabine Hagedorn nicht. „Sie muss sich auch tragen“, sagt sie. Veranstaltungen wie der Tag der Kunst helfen Künstlern wie ihr, Werbung für ihre Kunst zu machen – und damit auch für ihr Produkt. „Hier bekommt man den Kontakt zu Menschen. Und wenn sie auch noch etwas kaufen, ist alles perfekt“, sagt sie.

Zwar kein Kunstwerk, aber viel Inspiration nahmen Gunter und Marita Langer mit. Das Paar aus Bannewitz schaute sich zum ersten Mal beim Tag der Kunst um. Über befreundete Künstler waren sie auf das Kunstereignis aufmerksam geworden und von der Vielfalt überrascht. „Wir gehören zu einer Generation, für die Kunst eine gewisse Wertigkeit haben, muss“, sagt Gunter Langer. Pirna brauche sich da nicht verstecken, die Kunstszene in der Stadt habe großes Potenzial: „Wir freuen uns über das Niveau und die tolle Präsentation.“ Schade sei allerdings, dass gerade am Sonnabend nur wenig Publikum unterwegs war. Dabei hätten die Künstler viel Engagement gezeigt. „Es müsste viel mehr Werbung für die Veranstaltung gemacht werden“, wünscht sich Gunter Langer.