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Wenn die Kita streikt ...

... muss Oma ran. Bericht aus einer Stadt, die mit dem Arbeitskampf klarkommen muss.

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© Sven Ellger

Von Julia Vollmer

Eigentlich soll der kleine Leonas am Mittwoch in die Kita gehen. Doch dort hängt ein Schild: Wegen Warnstreik geschlossen. Wohin mit dem Kleinen?, fragen sich seine Eltern, die beide Vollzeit arbeiten. Oma muss in die Bresche springen. Doris Mitsche nimmt sich kurzerhand frei, setzt sich ins Auto und fährt die 56 Kilometer von Kamenz bis nach Dresden, um am Mittwoch ihren Enkel betreuen zu können. Für den kleinen Leonas ein toller Tag: Entenfüttern und Spazierengehen mit Oma an der Elbe.

Gabriela Nitschke muss sich nicht freinehmen, sie ist ohnehin mit ihrem zehn Monate alten Sohn Jonathan noch in Elternzeit. Ihr Vierjähriger Rafael freut sich über den Streik, er darf mit Mama, Brüderchen und Cousine Alia auf den Spielplatz im Alaunpark. „Ich habe Verständnis für das Anliegen der Erzieher“, erzählt die junge Mutter. Doch die Unterstützung für die Streikenden hat auch Grenzen, betont sie. Bei zehn oder mehr Streiktagen bei vollen Elternbeiträgen würde der Spaß aufhören. Ihre Schwester hätte es viel härter getroffen, wenn Gabriela Nitschke nicht eingesprungen wäre. Sie steckt mitten in der Vorbereitung für eine Uniprüfung.

Die Erzieher, die Rafael und Tausende andere Kinder in der Stadt normalerweise betreuen, waren von den Gewerkschaften Verdi und GEW zum Arbeitskampf im Rahmen des Tarifkonfliktes öffentlicher Dienst aufgerufen. Rund 1 000 Erzieher aus Kitas und Horten beteiligten sich – ein Drittel der Belegschaft des Eigenbetriebes. Außerdem kamen Angestellte der Stadt, Landratsämtern, Flughafen und Vermessungsstellen. Bei diesem einen Streiktag soll es erstmal bleiben, am Donnertag beginnt die neue Verhandlungsrunde, so Verdi.

Für 58 Kita-Einrichtungen war es ein ganz normaler Tag ohne Einschränkungen der Betreuungszeiten, 89 Kitas öffneten verkürzt. 29 Kindergärten blieben komplett zu. Schätzungsweise 11 000 Kinder waren betroffen, so der Eigenbetrieb. Doch das Chaos sei ausgeblieben, versichert eine Rathaussprecherin. Die Eltern waren gut informiert, für fünf Kinder konnte keine Gasteinrichtung gefunden werden.

Sechs Prozent mehr Lohn, eine gesicherte Altersvorsorge und weniger befristete Verträge, fordern die Streikenden. Die Arbeitgeber bieten jedoch bislang drei Prozent mehr Geld, verteilt auf zwei Jahre und eine minimale Erhöhung der Beiträge zur Altersvorsorge für die Angestellten. „Das Angebot ist eine Provokation“, schimpft Dresdens Verdi-Geschäftsführer Frank Fischer. Mit ihm versammeln sich rund 1 200 Beschäftigte vor dem Volkshaus am Schützenplatz. „Wir sind mehr wert“ und „Finger weg von unserer Rente“ war auf den Transparenten zu lesen.

„Wir sind an der Schmerzgrenze, müssen immer mehr Kinder betreuen“, kritisiert Olaf Bogdan, Erzieher im Kita-Eigenbetrieb. Er und seine Kollegen müssten im Extremfall allein bis zu 20 Kinder in einer Gruppe betreuen. Zudem benötigen immer mehr Eltern den intensiven Rat der Erzieher, das schlaucht. Für 40 Stunden sei in Dresden kaum ein Erzieher angestellt, der Eigenbetrieb würde aus Kostengründen eher 32-Stunden-Stellen vergeben. Weniger Wochenstunden bedeuten auch weniger Geld. Im Schnitt verdiene ein Erzieher 1 300 Euro, sagte Bogdan. Auch Jens Richter sorgt sich um seine Kollegen, die immer öfter nur in Teilzeit angestellt werden. Gemeinsam mit seinen Kollegen aus dem Landratsamt Sächsische Schweiz ist er nach Dresden gekommen. Die Männer arbeiten als Vermesser.

Arbeitgeber-Vertreterin Christine Putzler-Uhlig wiegelt naturgemäß ab. „Eltern und Kinder werden von den Gewerkschaften wieder mal in Geiselhaft genommen“, kritisiert die Geschäftsführerin des Kommunalen Arbeitgeberverband Sachsen. Die Forderungen seien utopisch und von den Kommunen, die finanziell schlecht dastünden, nicht bezahlbar. Viele Erzieher wollen auf eigenen Wunsch nur Teilzeit arbeiten, betont sie.

Ein turbulenter Tag für Tausende Erzieher und Eltern. Zumindest Doris Mitsche hat ihn mit dem Enkelkind genossen, muss als Ausgleich für den freien Mittwoch nun aber am Samstag arbeiten.