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Wenn die Hebamme nicht nach Hause kommt …

… springt Patricia Viebig mit ihrer Wochenbettambulanz ein. Keine optimale Lösung, sagen Experten.

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Von Nora Domschke

Der Schwangerschaftstest ist positiv, die Freude über den Familienzuwachs riesig. Bei allen überschäumenden Gefühlen sollten Eltern in diesem Moment allerdings schon eines bedenken: Welche Hebamme kommt zu uns nach Hause, wenn das Baby frisch geboren ist? In der sogenannten Wochenbettzeit sollte das Kleine regelmäßig gewogen, der Nabel kontrolliert und vor allem auch die Gesundheit der Mutter untersucht werden. Schließlich ist sie in dieser Zeit Dreh- und Angelpunkt im Leben des Neugeborenen. Und zwar rund um die Uhr. Umso wichtiger, dass die frisch gebackenen Eltern mit einer Hebamme, die zu Beginn jeden Tag vorbeischaut, auch einen Ansprechpartner für alle Fragen haben. In Dresden ist es derzeit allerdings gar nicht so einfach, eine Hebamme für die erste Zeit nach der Geburt zu bekommen. Stichwort Geburtenboom.

Im vergangenen Jahr kamen in der Landeshauptstadt 6 341 Babys zur Welt. Zwar kein Dresdner Rekord, aber immer noch sehr viele Familien, die auf eine Hebamme angewiesen sind. Zu viele offenbar, denn die Nachfrage kann nicht abgedeckt werden. „Viele Frauen denken zu spät daran, sich darum zu kümmern“, sagt Patricia Viebig. Die 36-Jährige ist selbst Hebamme und gelernte Kinderkrankenschwester. „Mein Tipp: Sobald die Schwangerschaft bekannt ist, sollten Eltern sich bei ihrem Frauenarzt nach einer Hebamme erkundigen.“ Der Gynäkologe kümmert sich um die medizinische Vorsorge der werdenden Mutter, kontrolliert per Ultraschall die Entwicklung des Babys. Oft wird in der Praxis schon der Kontakt zu einer Hebamme vermittelt, die in der Zeit vor und vor allem nach der Geburt der Familie zur Seite steht.

Patricia Viebig weiß aus eigener Erfahrung, dass es in den Sommermonaten immer wieder zu Engpässen kommt, weil dann sehr viele Kolleginnen mit ihren eigenen Familien Urlaub machen. Deshalb bietet sie ab Mai den Müttern ohne Hebamme ihre Unterstützung an – allerdings in ihren Räumen in Niedersedlitz. „In meiner Wochenbettambulanz kann ich alles machen, was bei der Nachsorge nötig ist.“ Gewicht und Nabel des Babys kontrollieren, bei der Mutter die Rückbildung der Gebärmutter oder etwa die Kaiserschnittnaht prüfen und bei Stillproblemen helfen. Sie beantwortet Fragen zum Baden, zur Hautpflege und zum Wickeln, gibt aber auch Tipps, wie das Baby gut schläft und wann zum ersten Mal Brei gefüttert werden sollte. Auch beim Ausfüllen von Formularen für das Eltern- oder Kindergeld bietet sie Hilfe an.

Normalerweise betreut eine Hebamme bei Hausbesuchen fünf bis sieben Frauen parallel. „Hier in der Wochenbettambulanz kann ich zehn zusätzlichen Müttern eine Anlaufstelle bieten.“ Das Angebot von Patricia Viebig – derzeit noch in den Räumen einer Physiotherapiepraxis an der Bismarckstraße untergebracht – schaut sich auch Tina Rebentisch an. Die 33-Jährige ist zum zweiten Mal schwanger und erwartet ihr Baby jetzt im Mai. Weil sie gleich in der Nähe wohnt, bietet die Hebamme ihr dann doch eine Zuhause-Betreuung an. „Weil die Nachfrage so groß ist, habe ich mich jetzt auf ein Gebiet in fünf Kilometern Umkreis beschränkt“, erklärt Patricia Viebig. Sie besucht Familien in Prohlis, Leuben, auch in Laubegast, wenn die Not groß ist. „Zuletzt musste ich bis zu sieben Frauen pro Woche absagen, die um eine Nachsorge baten.“

Auch weil sie es als ihre Pflicht ansieht, vor allem Erstgebärende mit ihren Fragen und Problemen nicht allein zu lassen, sei ihr die Idee zur Wochenbettambulanz gekommen. Zunächst bietet sie ihre Hilfe in der Praxis montags und donnerstags von 12 Uhr bis 14 Uhr an. „Ich will mal schauen, wie es angenommen wird.“

Beim Sächsischen Hebammenverband wird die Entwicklung bei der häuslichen Wochenbettbetreuung mit Sorge betrachtet. Insgesamt 826 Hebammen vertritt der Verband derzeit im Freistaat. Verbandsvorsitzende Stephanie Hahn-Schaffarczyk bestätigt, dass es nicht genug Hebammen bei der Nachsorge gibt und verweist auf die hohen Geburtenzahlen, vor allem in Dresden. Wie groß der Mangel aber tatsächlich ist, könne sie nicht sagen. Derzeit werden die aktuellen Daten erhoben, die dann Ende Mai veröffentlicht werden. Die Wochenbettambulanz von Patricia Viebig lobt die Vorsitzende zwar: „Es ist gut, dass Mütter dadurch einen Ansprechpartner haben.“ Sie betrachte das aber auch mit einem weinenden Auge, denn wenn Mutter und Kind ihre Wohnung verlassen müssen, werde ja letztlich die Wochenbettruhe gestört. Eine alte Regel besagt, dass sich die Frau nach einer Geburt acht Wochen lang nur im und um das Bett herum bewegen sollte.

Ganz so streng sieht das der Dresdner Gynäkologe Markus Grebe indes nicht. Er ist Chefarzt in der Klinik für Gynäkologie und Geburtshilfe am Städtischen Klinikum Friedrichstadt. Neben dem medizinischen Aspekt der Wochenbettbetreuung in der elterlichen Wohnung sieht Grebe noch einen weiteren wichtigen Vorteil. „Die Hebamme kann sich dabei ein Bild vom familiären Umfeld machen“, sagt der Experte. Probleme, angefangen bei falscher Ausstattung des Kinderbettchens bis hin zum Drogenmissbrauch bei den Eltern, könnten so frühzeitig erkannt werden. „Ganz besonders wichtig ist die Unterstützung von Eltern, die ihr erstes Kind bekommen haben.“ Da könnten, ganz unwissentlich, viele Fehler passieren.

Wochenbettambulanz Patricia Viebig, Bismarckstraße 9, vorherige Terminabsprache unbedingt erforderlich, www.hebamme-patricia.de