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Wenn der Zug durchs Wohngebiet rollt

Tausende Lärmschutzfenster wurden entlang des Bahndamms eingebaut. Den Lärmgeplagten reicht das nicht.

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© Norbert Millauer

Von Gunnar Klehm

Sächsische Schweiz. Der Wehlener Ortsteil Pötzscha liegt idyllisch im Elbtal. Durchfahrtsverkehr von Autos gibt es nicht. Es ist ruhig. Bis auf die kurze Zeit, wenn ein Güterzug durch die Ortschaft scheppert. Doch das passiert immer öfter, Tendenz weiter steigend. Um dafür mehr Akzeptanz in der Bevölkerung zu bekommen, will das Bundesverkehrsministerium viel Geld in den Lärmschutz investieren, und zwar ganz und gar freiwillig und dort, wo es die Bürger wünschen. Deshalb wurde das Eisenbahnbundesamt damit beauftragt, im Frühjahr 2015 eine Online-Umfrage dazu zu machen. Bürgerinitiativen, Kommunen, Politiker fast aller Parteien hatten zur Teilnahme aufgerufen (SZ berichtete). Da ließen sich die Lärmgeplagten entlang der Bahnstrecke im Elbtal nicht lange bitten und machten mit.

Wer mitgemacht hat

Insbesondere die agilen Rathener waren auf die kleine Einwohnerzahl von knapp 350 stark vertreten. Bundesweit waren sie prozentual (7,7) Spitze. Danach folgt die 8 000 Einwohner zählende Gemeinde Küps in Oberfranken mit 478 Teilnehmern (6,0 Prozent). Die meisten Reaktionen deutschlandweit kamen entlang der Strecke Hannover-Köln. Auch vielen Königsteinern und Pirnaern scheint der Bahnlärm arg zu stören. Nun wurden nicht nur die Ergebnisse der Umfrage veröffentlicht, sondern die Deutsche Bahn Netz AG hat gleich noch eine Machbarkeitsstudie erarbeiten lassen, die Lösungen zur Lärmminderung aufzeigt.

Was am meisten stört

Neben den Fahr- und Bremsgeräuschen, die von allen 137 Teilnehmern der Umfrage genannt wurden, stören etwa die Hälfte der Antwortenden Geräusche an Schienenstößen oder Weichen. Etwa 25 Prozent der Teilnehmer empfinden quietschende Kurven und Brückendröhnen als besonders störend. Erstaunlich ist, dass 14 Königsteiner Letzteres bemängeln, obwohl es gar keine herkömmliche Brücke in der Stadt gibt. Hier fährt die Bahn aber auf einem Viadukt mit offenen Bögen. Quietschende Kurven dürfte es theoretisch auch nicht geben. In offizielle Berechnungen fließt das nur ein, wenn der Kurvenradius kleiner als 500 Meter ist. Das ist im Elbtal aber nicht der Fall. Trotzdem wurde zwölfmal Kurvenquietschen in Königstein und neunmal in Kurort Rathen genannt.

Wann der Lärm stört

Auf die Frage, wann der Eisenbahnlärm besonders stört, antworteten 107 Umfrageteilnehmer mit „ganztägig von 0 bis 24 Uhr“. 25 Bewohner nannten speziell die Nachtzeit von 22 bis 6 Uhr. Die überwiegende Mehrheit fühlt sich bei Aktivitäten beziehungsweise der Erholung im Freien gestört, etwas weniger Teilnehmer – 98 bzw. 100 – auch beim Einschlafen oder im Nachtschlaf.

Was schon umgesetzt ist

Die gesetzlich geforderte Lärmminderung werde jetzt schon eingehalten, heißt es aus dem Bundesverkehrsministerium. Die Lärmsanierung gilt seit 2013 im Elbtal als abgeschlossen. Im Stadtgebiet von Dresden und auch in Heidenau wurden 1,56 Kilometer Lärmschutzwände gebaut. Zwischen Heidenau und Schöna wurden in 1 316 Wohneinheiten über 4 100 Lärmschutzfenster eingebaut. An 48 Gebäuden wurden laut Bahn Fassadensanierungen vorgenommen. Zudem hat die DB Netz AG regelmäßig die Schienen geschliffen. Der Bund gibt nach eigenen Angaben rund 150 Millionen Euro jährlich für Lärmminderung an Bahnstrecken aus. Von den Anwohnern wird das aber noch nicht als ausreichend bewertet.

Was geplant ist

Auf der 50 Kilometer langen Strecke von Heidenau bis Schöna müssten laut Machbarkeitsstudie rund 30 Kilometer Schallschutzwände – in Pirna und Heidenau beidseitig der Gleise – gebaut werden und 35 Kilometer sollen mit neuen Schienenstegdämpfern ausgestattet werden. Das kostet rund 61 Millionen Euro. Meist sollen die Wände zwei Meter hoch sein. Auf einem 850 Meter langen Abschnitt in Kurort Rathen ist eine drei Meter hohe Wand geplant. Von der würde Niederrathen auf der anderen Elbseite stärker profitieren, weil die Wand zwischen Gleis und Elbe gebaut werden soll. In anderen Orten ist das ähnlich. Das hat damit zu tun, das bei der Kosten-Nutzen-Rechnung nicht nur die betroffenen Bewohner, sondern auch Gästebetten mitgezählt wurden. Mit welchem Material gebaut wird, ist noch völlig unklar – genauso wie ein möglicher Baubeginn.