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Wenn der Wetterberg bebt

Im Grauwacke-Steinbruch bei Kalkreuth wird aller drei Wochen gesprengt. Die Erschütterungen halten sich in Grenzen.

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© Marcus Hellmer

Von Manfred Müller

Kalkreuth. Es geschieht zwei Minuten vor zwölf, und es dauert nur Sekunden: Ein dumpfer Knall, und 25 000 Tonnen Gestein heben sich etwa einen halben Meter über den Grund. Blaue Blitze zucken, weißer Rauch steigt auf – dann donnert ein Teil der Grauwacke über die Serpentinen des Steinbruch-Fahrweges nach unten in Richtung Tagebausohle. Keine spektakulären Steinfontänen spritzen durch die Gegend, auch die Erschütterungen halten sich in Grenzen.

Sprengung im Wetterberg. Rund 60000 Tonnen werden bei dieser Sprengung aus der Grube gelöst und rutschen in die Tiefe.
Sprengung im Wetterberg. Rund 60000 Tonnen werden bei dieser Sprengung aus der Grube gelöst und rutschen in die Tiefe. © Marcus Hellmer

Sprengmeister Freddy Kitmiridis wartet noch ein paar Minuten, bis alles ruhig liegt, dann gibt er mit dem Signalhorn Entwarnung. Die Posten, die während der Sprengung rund um den Steinbruch verteilt waren, werden abgezogen, und die Belegschaft der Baustoffwerke, die das Gelände während der Sprengung verlassen musste, wandert langsam wieder zu ihren Arbeitsplätzen zurück.

Sprengungen sind Alltag im Steinbruch zwischen Kalkreuth und Ebersbach. Im Schnitt findet hier aller drei Wochen eine statt. „Es kommt auf die Menge des herausgesprengten Gesteins an“, erklärt Steinbruchmeister Werner Kaßner. „Manchmal ist einen ganzen Monat lang Ruhe, manchmal müssen wir in dieser Zeit dreimal sprengen.“ Je nach Beschaffenheit des Untergrunds kann der Ertrag bei 36 000 Tonnen, aber auch nur bei 15 000 Tonnen liegen.

Heute hat die Sprengung Arbeit für etwa drei Wochen gebracht. Die Grauwacke wird mit Radladern und Baggern auf riesige Muldenkipper geladen und in der Brecheranlage zu Schotter und Splitt verarbeitet. Kalkreuther Grauwacke hat eine hohe Festigkeit und reibt sich nicht so leicht ab. Deshalb eignet sie sich für Spezialanwendungen wie etwa für Splitt, der in offenporigen Asphalten verwendet wird. Sie ist im Straßenbau sehr begehrt und wird bis hin nach Baden-Württemberg beim Autobahnbau eingesetzt.

Bevor eine Sprengung gezündet werden kann, steht eine Menge Arbeit an. Zunächst muss der Untergrund an der Sprengstelle untersucht werden. Dann werden bis zu 25 Meter tiefe Löcher senkrecht ins Gestein gebohrt. Unten in das Bohrloch kommt der sogenannte Booster. Das ist ein Zündsatz, der an einen riesigen Silvesterknaller erinnert. Dann wird aus einem Tankwagen flüssiger Sprengstoff in das Loch gepumpt.

Oben kommt ein zweiter Zünder drauf, der nur dann gebraucht wird, wenn der Booster versagt. Zuletzt wird das Loch mit einer mehrere Meter hohen Säule aus Split verschlossen. Daraus ragen verschiedenfarbige Kabel heraus, die die Sprenglöcher miteinander verbinden. Die erste Ladung wird elektrisch gezündet und breitet sich mit einigen Millisekunden Verzögerung von Loch zu Loch aus.

Mehr als eine Woche hat das Team der international agierenden Firma Maxam diesmal gebraucht, um die 23 Sprengstellen vorzubereiten. „Wenn wir beim Bohren auf Wasserverbünde oder lockeres Gestein stoßen, dauert es etwas länger“, erklärt Freddy Kitmiridis. Insgesamt 23 Tonnen Flüssigsprengstoff haben die Maxam-Leute diesmal verbraucht. Hauptbestandteil ist Ammoniumnitrat, das vor Ort in einem Spezialfahrzeug mit anderen Komponenten wie Aluminium und Matrix-Emulsion vermischt wird.

Die Erschütterungen, die bei den Sprengungen entstehen, werden gemessen und akribisch dokumentiert. Das Dorf Bieberach kommt dem Steinbruch am nächsten – die Entfernung zu den ersten Häusern beträgt etwa 900 Meter. „Dort liegen wir um 50 Prozent unter den Werten, die für denkmalgeschützte Gebäude zugelassen sind“, resümiert Sprengmeister Kitmiridis zufrieden.

Wahrnehmbar sind die Vibrationen aber durchaus; es hat auch schon Beschwerden von Anwohnern gegeben. „Am Schlimmsten ist es, wenn die Leute von einer Sprengung überrascht werden“, sagt Steinbruchmeister Kaßner. „Deshalb kündigen wir jede Einzelne bei der Gemeinde an.“ Über die Mittagszeit wird generell nicht gesprengt – niemand soll beim Essen gestört oder aus seinem Schläfchen gerissen werden.