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Wenn der Stier den Boden unter den Füßen verliert

Bärbel Herrmann kommt zweimal im Jahr nach Görlitz, um kaputte Keramik mit nach Dresden zu nehmen. Dort wird professionell repariert.

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© nikolaischmidt.de

Von Daniela Pfeiffer

Das anzufassen traut man sich nicht. Wer weiß, wie kostbar das ist – wenn das kaputt geht. Ist es allerdings schon. Die schöne Europa-Figur in ihrem blauen Rock und mit nacktem Oberkörper hat zwar nichts abbekommen und auch der Stier mit den goldenen Hörnern und Hufen nicht. Aber der Boden, auf dem er steht, bröckelt.

Der Besitzer hat das gute Stück gestern ins Antikhaus Leonhardt auf die Görlitzer Steinstraße gebracht. Dort warteten Bärbel Herrmann, die in Dresden ihre Porzellanklinik betreibt, und Praktikantin Michelle Hultsch auf Kundschaft. Menschen wie eben den Besitzer der Europafigur, die daheim Liebhaberstücke aus Porzellan oder Keramik stehen haben, die nun aber zu Bruch gegangen sind oder Kratzer haben. Oft sind es Familienerbstücke, an denen Geschichten und Herzblut hängen.

Je nach Wunsch und Geldbeutel kann Bärbel Herrmann die guten Stücke entweder reparieren oder aufwendig restaurieren, so wie im Fall der Europa. „Der Besitzer wünscht eine richtige Restaurierung“, erzählt sie. Das heißt, die Scherben, die der Besitzer zum Glück mitbrachte, wieder ankleben und dann noch einmal im Ofen brennen, schließlich soll nachher keine Naht mehr zu sehen sein. Aufwendig wird das werden – sowohl zeitlich als auch finanziell. Die Figur aus Fraureuther Porzellan, die aus dem Jahr 1910 stammt und auf etwa 700 bis 1 000 Euro geschätzt wird, wird wohl nochmal für das gleiche Geld restauriert. Um die 1 000 Euro wird es wohl kosten, so Bärbel Herrmann, die Pozellangestalterin in Meißen war, bevor sie vor 17 Jahren ihre Klinik eröffnete. „Es hängt immer von der Größe ab, aber zwischen 300 und 1 000 Euro muss man schon rechnen.“ Um die 70 Euro kalkuliert sie für die Sammeltasse, die gestern eine Kundin zeigte. Von der Mutter vererbt bekommen hat sie sie, aber der Rand hat mit der Zeit gelitten. 70 Euro sind es ihr dann aber doch nicht wert, die Tasse behält ihren Makel.

Den ganzen Tag Porzellan und Keramik in den Händen – da muss sie sich nicht noch welches in die Wohnung stellen, meint Bärbel Herrmann. „Meine Werkstatt ist wie eine wechselnde Dauerausstellung, das reicht mir, daheim habe ich es schlicht.“ Das Kostbarste, was sie in ihrer Werkstatt mal hatte, war eine historische chinesische Figur aus dem 17. Jahrhundert.