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Wenn der Staat bei der Rente schusselt

Mit Antje Schwerdtner gibt es in Löbau eine unabhängige Rentenberaterin. Was macht sie eigentlich?

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© Thomas Eichler

Von Sebastian Beutler

In ihrem Büro am Löbauer Neumarkt hat es Antje Schwerdtner in der Regel mit Rechtsstreitigkeiten zu tun. Manchmal aber auch mit Problemen bei der staatlichen Rente. Denn die Juristin steht auf der Liste der registrierten Rentenberater, die vom Landessozialgericht Chemnitz geführt wird. Damit ist sie eine von nur zwei unabhängigen Rentenberatern in der Rgion. Schon seit fünf Jahren macht sie diesen Job zusätzlich zur Anwaltstätigkeit.

Aufs Jahr gerechnet landet etwa ein Fall pro Woche auf ihrem Tisch. „Meist sind es Spezialfälle wie Erwerbsunfähigkeitsrenten oder die Berücksichtigung des Schwerbehindertenstatus oder auch Rückforderungsansprüche der Rentenversicherung“, berichtet sie. Sie hat einen Sachkunde-Kurs vorab besucht, weil das Rentenrecht im Studium doch nur flüchtig gestreift wird. „Tiefere Einblicke ins Rentenrecht muss man sich schon selbst erarbeiten“, sagt sie.

Neu als Rentenberater ist Roland Schömann aus Görlitz. Dabei lernte er unabhängige Rentenberater schon vor Jahrzehnten kennen, als er noch bei der Landesversicherungsanstalt Berlin arbeitete. „Das waren immer die, die in den Rentenbescheiden Fehler fanden“, erinnert sich der 49-Jährige noch heute lebhaft an sie. In den drei Jahrzehnten seitdem schlug sich Schömann durch verschiedene Abteilungen der Landesversicherungsanstalt, wechselte zu einer bayerischen Klinik und leitete vier Jahre lang das Malteser-Krankenhaus St. Carolus in Rauschwalde als kaufmännischer Direktor. Und nun ist er selbst unabhängiger Rentenberater.

Mit einem Büro in der Kleinen Konsulstraße. Um sich unabhängiger Rentenberater nennen zu können, musste Schömann einen mehrmonatigen und kostspieligen Kurs in Münster und Heidelberg absolvieren und weitere praktische Nachweise liefern. Diese Kurse hat auch Frau Schwerdtner aus Löbau absolviert. Erst dann nimmt das Landessozialgericht Chemnitz die Berater in seine Liste auf.

Rentenfragen spielen in einer tendenziell immer älter werdenden Bevölkerung gerade im Landkreis Görlitz eine immer wichtigere Rolle. Umso erstaunlicher ist es, dass es nur zwei unabhängige Rentenberater im Landkreis gibt – die nächsten finden sich in Hoyerswerda und in Bautzen – und sie auch vergleichsweise unbekannt sind. „Das wäre in der Tat mal interessant zu erfahren, wie weit die Bürger wissen, dass es uns gibt“, sagt Antje Schwerdtner. Immerhin hatte der Bundestag bereits 1980 festgestellt, dass „die Rentenberater sich bei der Unübersichtlichkeit und der zunehmenden Bedeutung des Sozialversicherungsrechts im Rechtsleben – insbesondere auch bei der Kontrolle der Versicherungsanstalten – als unentbehrlich erwiesen haben.“

Beim Bundesverband der Rentenberater in Berlin stößt daher eine Frage nach der Bekanntheit des Berufsstandes eher auf Unverständnis. Ständig würde doch darüber berichtet. Allein im Verband sind rund 350 Mitglieder, bundesweit sollen rund 830 bei den Landessozialgerichten registriert sein, allein in Sachsen sind es 40. Schon seit über 50 Jahren gibt es dieses Berufsbild in Deutschland, ohne dass es einen ähnlichen Bekanntheitsgrad erlangt hätte wie beispielsweise das eines Steuerberaters.

Dabei sind die beiden Berufsgruppen durchaus vergleichbar, findet Roland Schömann. Er berät wie seine Kollegen die Menschen im Rentenrecht. Er ist auf diesem Gebiet wie ein Rechtsanwalt tätig, muss sich an das Rechtsanwaltsvergütungsgesetz halten und kann seine Mandanten auch vor den Sozial- und Landessozialgerichten vertreten. Nur vorm Bundessozialgericht herrscht Anwaltzwang. Vielleicht sind sie so unbekannt, weil viele noch immer davon ausgehen, dass „Vater Staat“ bei der Berechnung der Renten schon keine Fehler macht.

Oder sie sich mit einer kostenlosen Beratung bei den Rentenversicherungsanstalten zufrieden geben. Denn natürlich kostet die Beratung bei den Rentenberatern. Doch mittlerweile decken Rechtsschutzversicherungen die Kosten gut ab, sagt Schömann. Bei erfolgreichen Verfahren muss auch mitunter der Versicherungsträger die Auslagen übernehmen.

Doch so weit muss es ja nicht gleich kommen. Am Anfang steht eben die Beratung. Und dafür gibt es rund um die Rente immer Fragen: Sind die Versicherungszeiten geklärt? Passt die Rentenhöhe? Wurde die Erwerbsunfähigkeitsrente abgelehnt? Auch bei Fragen der Vorsorge können die Berater helfen. Nur eines, darauf legt Schömann Wert, tun sie nicht: Sie verkaufen keine Versicherungen oder andere Produkte.

Auch Antje Schwerdtner erwartet einen verstärkten Bedarf an unabhängiger Beratung rund um die Rente. In ihrem Büro tauchen die Leute immer dann auf, wenn durch die Medien wieder Neuerungen gehen. So ist es derzeit mit der Mütterrente oder der Rente mit 63, auch die Angleichung der Ostrenten, die jetzt vom Bundeskabinett auf den Weg gebracht wurde und die Schlagzeilen füllte, könnte so ein Thema sein. Und manch Selbstständiger erfährt erst mit einem Bescheid seiner Rentenversicherung, dass er eigentlich Pflichtbeiträge hätte einzahlen müssen.

Roland Schömann in Görlitz will ein, zwei Jahre schauen, ob sein Angebot angenommen wird. Und davon abhängig machen, ob er den Beruf auf Dauer ausübt. Schließlich hat er ja noch ein paar Jahre bis zur Rente.

Kontakt: Roland Schömann, 0151 11144061; Antje Schwerdtner, Löbau, 03585 468978