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Wenn der Klapperstorch mal später kommt

Der Nachzügler kam erst im Herbst. Jetzt wird er mit viel Liebe aufgepäppelt. Und kann bald zurück zu seinen Eltern.

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© Sven Ellger

Von Franz Werfel

Hinter einer Schiebetür aus Aluminium hockt er in seinem Bastkörbchen. Abgeschirmt von der Außenwelt, in einem Trakt der Vogel-Handaufzucht im Dresdner Zoo. Sand bedeckt den Betonboden, unter dem sich auch eine Fußbodenheizung befindet. Zwei Wärmelampen – UV- und Rotlicht – bestrahlen sein weiches Gefieder. Er soll es doch schön warm haben, der kleine Nimmersattstorch. Zu einer ungewöhnlichen Zeit wurde er geboren: im Herbst. Pflegerin Anna Klausnitzer macht dafür die milden Temperaturen verantwortlich. „Für Störche ist es unüblich, dass sie zwei Bruten im Jahr haben“, sagt sie. Der namenlose Storch hat nämlich schon drei kleine Geschwister. Die sind im Juni geschlüpft.

Jetzt ist er sechs Wochen alt und bereits 2 500 Gramm schwer. Jede Woche nimmt er nun ein Pfund zu. Damit liegt er voll im Soll, freut sich seine 25-jährige Pflegerin. Von ihr bekommt er frische Mäuse, kleine Süßwasserfische wie Rotfedern und Rotaugen, geschrotete Garnelen sowie Vitamintabletten. Und Rindfleisch, das vorher durch den Fleischwolf gedreht wurde. Dass Störche am liebsten Frösche äßen, hält Klausnitzer für ein Märchen. „Die nehmen alles, was auf der Wiese rumläuft“, sagt sie.

Die ersten drei Wochen seines Lebens konnte der junge Storch bei den Eltern verbringen. Als die dann in ihre Winterunterkunft im Ibis-Haus umgesetzt wurden, durfte er vorerst nicht mit. Zu klein war er noch, um sich schon selbst ernähren zu können. Aber er weiß, dass er ein Storch und kein Mensch ist. Damit das so bleibt, ist neben seinem Körbchen ein Spiegel angebracht. Die Wiedereingliederung in seine Familie soll so – vielleicht noch in diesem Jahr – leichter gelingen. Denn bald braucht der kleine Storch keine Nestwärme mehr. Er bekommt schon richtige Federn, das dünne Gefieder verschwindet.

Was auch seine Pflegerin noch nicht weiß: Männlein oder Weiblein? Um das Geschlecht zu bestimmen, muss ihm eine Feder gezogen werden. Anhand der kleinen Blutspuren kann im Labor anschließend die DNA bestimmt werden. Anna Klausnitzer tippt auf einen Jungen: „Er hat einen stark ausgeprägten Schnabel“, sagt sie.

In Dresden wird der kleine Storch aber nicht lange bleiben. Wenn der Frost vorbei ist und seine Familie wieder das Außengehege bezieht, soll er in einen anderen Zoo kommen. Wohin, steht noch nicht fest.