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Wenn der Büttenredner zu viel Stoff hat

Im Karneval wird die Politik auf die Schippe genommen. Doch wo soll man anfangen, wenn die Narren das ganze Jahr regieren?

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© Dirk Zschiedrich

Von Gunnar Klehm

Bad Schandau. Eine Büttenrede sollte vor Pointen nur so strotzen. Kein Problem für Christian Jäger, der seit Jahren in Bad Schandau zum Karneval auf die Bühne steigt. Die Rede sollte aber auch nicht zu lang sein. Doch welches Fettnäpfchen soll man denn weglassen, in das die Politiker das ganze Jahr über treten? Das ist die eigentliche Kunst.

Christian Jäger hat sein eigenes Rezept: „Nicht länger als zehn Minuten reden und Lokales mit Überregionalem mischen.“ Den Großteil müsse jeder verstehen können, auch wenn er nicht aus dem Ort kommt, sagt Jäger. Er ist seit fünf Jahren der Hofnarr in Bad Schandau. Der ist dort für die Büttenrede zuständig. Am Anfang half ihm noch Vorgänger Jürgen Kopprasch. Inzwischen ist das nicht mehr nötig. Bevor der Narr aufs Publikum losgelassen wird, muss er erst mal die Vereinsmitglieder bei den Proben überzeugen. „Das ist mein kritischstes Publikum“, sagt Christian Jäger. Wenn es dann heißt: kürzen und straffen, nimmt Jäger den Hinweis gern an.

Dass es bei Prunksitzungen in der Sächsischen Schweiz immer eine Büttenrede gibt, ist gar nicht so selbstverständlich, wie man denkt. Es ist offenbar eine hohe Kunst, an die sich nicht mehr jeder Verein herantraut. Das kann schnell peinlich werden, wenn sich die Zuhörer langweilen.

Ausgebuht wurde in Bad Schandau zwar noch niemand, aber Jäger hat auch die Erfahrung gemacht, dass dieselbe Rede bei verschiedenen Veranstaltungen ganz unterschiedlich ankommen kann. „Dass aber mal alle buhen, da müsste ich schon in einer Tour das Publikum beschimpfen“, sagt er. Doch er hat Respekt vor den Besuchern und die vor ihm.

70 Prozent der Ideen für die Büttenrede landen im Papierkorb

Meist geht es im Sommer los, dass er sich die ersten Ideen für die neue Büttenrede notiert. Mal spricht er sie aufs Handy oder schreibt es auf irgendeinen Zettel. „70 Prozent davon landen am Schluss aber wieder im Papierkorb“, sagt der gelernte Papiermacher. So viel, wie die Politiker übers Jahr verzapfen, könne man auch gar nicht in eine Rede einbauen. Natürlich kam auch er nicht am Präsidenten der USA vorbei. Doch zog er dabei geschickt den Bogen in die Heimat und ließ die Faschings-Crew verbal die Grenze passieren. „Dass Trump sie mag, sah auch ein Blinder, denn sind ja alles Mauerkinder!“ Die Pointe hat gesessen. Der Saal hat jedes Mal getobt.

Er selbst sieht sich aber nicht als geborenen Redner an. Passt ein Reim nicht, streicht er ihn sofort. Dass Jäger keinen Alkohol trinkt, macht ihn im Verein so manches Mal zum Außenseiter. Doch die Freude am Spaßhaben schweißt in Bad Schandau wieder alle zusammen.

Diese Saison steigt Christian Jäger nicht mehr in die Bütt. Trotzdem ist in Bad Schandau mit dem Aschermittwoch noch nicht alles vorbei. Im Gegenteil. Mit dem Faschingsumzug folgt an diesem Wochenende einer der Höhepunkte. Samba unterm Zuckerhut heißt das Motto. Dementsprechend farbenfroh und lautstark wird es zur Sache gehen. Dass erstmals so spät durch die Stadt gezogen wird, hat mit einer Absprache mit dem Karnevalsverein in Reinhardtsdorf zu tun, der am vergangenen Wochenende Straßenkarneval feierte. Im nächsten Jahr will man das Ganze tauschen. Dann beginnen die Schandauer. Und mittendrin wie immer der Hofnarr.

Großer Faschingsumzug in Bad Schandau, Sonnabend, 4. März, 14 Uhr ab Parkplatz am Elbkai;

Maskenball, 4. März, 20 Uhr, Kulturstätte an der Badallee, mit der Lunatic Disco und DJ Tommy Lucas.