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Wenn dem Fleischer die Tüte nicht Wurst ist

Der Handel soll weniger Kunststoffbeutel ausgeben. In Löbau und Zittau testen Händler schon erste Neuerungen.

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© SZ Thomas Eichler

Von Anja Beutler und Sebastian Kositz

Weihnachten ist für Frank Schüttig ein magischer Termin. Der Fleischerei-Chef aus Zittau will dann nämlich einen radikalen Schnitt machen: Schüttig wird so weit wie irgend möglich Folie- und Plastikverpackungen aus seinem Geschäft verbannen: Die Weihnachtsbratwurst und der Festtagsbraten werden dann nicht mehr in Folie gewickelt und in ein kleines, dünnes Plastetütchen verpackt. „Wir werden stattdessen durchsichtiges Wachspapier benutzen, das auch die Nässe gut aushält, und die Ware in Papiertüten packen“, sagt der Fleischerei-Chef. Außerdem sollen auch die angebotenen Salate in geeigneten Pappbechern angeboten werden. Derzeit knobelt Schüttigs Verpackungszulieferer noch an optimalen Lösungen. Prinzipiell ist das kunststofffreie Einkaufen aber auch beim Fleischer möglich, ist der Zittauer sicher. Die Beschichtung des Papiers soll mit lebensmittelechtem Bienenwachs geschehen. Das steht schon fest.

Für den Fleischer ist der Wechsel vor allem eine persönliche Entscheidung: „Ich trinke mein Wasser auch lieber aus der Glasflasche, weil es besser schmeckt“, gibt sich der Geschäftsmann überzeugt. Doch abgesehen von persönlichen Gründen treibt viele Einzelhändler und Handwerksbetriebe vor allem der öffentliche und politische Druck bei diesem Thema um: Bereits vor einem Jahr hatte die Europäische Union per Beschluss ein ambitioniertes Ziel festgezurrt. Im Schnitt schleppt der EU-Bürger jedes Jahr 200 Plastetüten aus den Geschäften. Diese Quote möchte Brüssel bis 2026 auf 40 Tüten senken. Der Grund: Plaste ist umweltschädlich und braucht mehrere Hundert Jahre, bis es sich zersetzt. Gelangen die kleinen Plasteteilchen in die Umwelt, haben sie dort gravierende Folgen fürs Ökosystem.

Um die Forderungen umzusetzen, haben sich nun Vertreter des deutschen Handels und der Bundesregierung ihre Gedanken gemacht und auf eine Selbstverpflichtung geeinigt. Demnach sollen in wenigen Wochen 60 Prozent der in den Läden ausgereichten Plastetüten, in zwei Jahren 80 Prozent, etwas kosten. Ausgenommen sind lediglich ganz dünnen Foliebeutel für Obst, Bäckerei- oder Fleischwaren, weil man fürchtet, dass sonst noch umweltschädlichere Schalen genutzt werden. Prinzipiell wird es wohl künftig auf die Dicke der Plastetüten ankommen: je dicker, desto teurer.

Erste Anzeichen eines Wandels sind bei den Drogeriemarktketten schon seit einiger Zeit zu erkennen: Rossmann verzichtet seit Kurzem auch in den Löbauer und Zittauer Filialen auf die kleinen Plastebeutel, die an den Kassen bislang gratis zu haben waren. Mitbewerber „dm“ hat im Zittauer Markt bereits seit Längerem keine Gratis-Tütchen mehr. Während bei Rossmann die Verantwortlichen dennoch weiterhin an der Plaste festhalten wollen, setzen „dm“ oder große Supermarktketten wie Lidl, Kaufland oder Edeka längst auf Alternativen. Papiertaschen liegen dort ebenso am Kassenband griffbereit wie der Klassiker aus Baumwolle. Und die aus recyceltem Material gefertigten, meist großen und bunten Tragetaschen der Drogeriemärkte sind inzwischen fast Einkaufskult.

Für viele regionale Unternehmen geht es durchaus um eine grundsätzliche und auch finanziell weitreichende Entscheidung. Auch bei der Bäckerei Schwerdtner in Löbau kennt man das Thema nur zu gut: „Ja, wir haben die viel im Einsatz, die Zeiten, wo viele Kunden einen Semmelbeutel dabei hatten, sind leider vorbei“, sagt Sprecherin Jana Pfennig. Konkrete Pläne gibt es noch nicht, kundig gemacht haben sich die Löbauer aber schon: „Für 1 000 Stück dieser Hemdchen-Tragetaschen zahlen sie im Schnitt zwischen zehn und zwölf Euro, für die gleiche Menge an Papiertüten etwa das Zehnfache“, rechnet Frau Pfennig vor.

Solche Preisunterschiede schrecken ab. Jetzt, nachdem viele Betriebe den Mindestlohn einigermaßen eingepreist haben, ist der Aufschlag für Verpackung ein neuer Kraftakt, den einige Bäcker in diesen Tagen angehen. „Über kurz oder lang wird das kommen und am Ende tragen die Kunden die Mehrkosten“, fürchtet Jana Pfennig.

Dass der Kunststoff-Verzicht mehr kostet, bestätigt Fleischer Schüttig: „Das macht bei mir beim Verpackungsmaterial Mehrkosten von etwa 40 Prozent aus, am Gesamtumsatz ein bis zwei Prozent“, bilanziert er. Das sei es ihm wert. Dass die Fleischer generell beim Verzicht auf die Plastetüte weitaus mehr zu beachten haben als beispielsweise Bäcker, ist kein Geheimnis. Deshalb ist die Skepsis bei Schüttigs Kollegen zum Teil recht groß. Auf ein Wort