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Wenn das Schokoladenmädchen plaudert

Sandy Sanne ist Schauspielerin. Seit ihrer Kindheit liebt sie Märchen über alles. Seit einigen Jahren setzt sie diese in Szene.

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© privat

Von Sylvia Jentzsch

Ostrau. Märchen und Weihnachten gehören einfach zusammen. Genauso wie es in der Welt von Sandy Sanne schon immer Märchen gibt. Zuerst liebte sie es, wenn sie von ihrer Mutter vorgelesen bekam. Als Sandy Sanne selbst lesen konnte, gehörten Märchenbücher zu ihrem Schatz und standen immer auf dem Wunschzettel. Und nun hat sich die Schauspielerin schon seit vielen Jahren der Aufführung von Märchen verschrieben. Sie bedient sich dabei Puppen und haucht ihnen Leben ein. Sie selbst schlüpft in die Rolle so mancher Märchenfigur.

Sie wollte immer Prinzessin sein

„Märchen sind das Schönste, dass ich in der Kindheit mitbekommen habe. Jeden Abend habe ich sie vorgelesen bekommen. Es konnten nie genug sein. Ich wollte sie immer wieder hören“, sagte Sandy Sanne. Märchen seien ihr sehr lebendig und in ihrem Alltag anwesend. Sie liebt auch die Schallplatten aus DDR-Zeiten. „Die Märchen wurden künstlerisch gut umgesetzt“, so Sandy Sanne. Sie kannte die Stellen, an denen es in den Märchen brenzlig wurde und welchen Weg die Akteure gehen sollten, damit nichts Schlimmes passiert. „Ich habe immer gehofft, dass sie einmal einen anderen Weg einschlagen, einen Weg auf dem es keine Schwierigkeiten gibt. Doch irgendwie ist das nie passiert“, so die Schauspielerin, die in Pulsitz lebt. Als Beispiel nennt sie das Aschenputtel. „Warum muss erst eine Zehe abgehackt werden, damit der Prinz die Richtige findet“, fragt sie sich.

Begeistert ist Sandy Sanne vor allem von den Märchen, in denen künftige Prinzessinnen Dinge des Alltags bringen und diese auch anwenden dürfen. So kann die Bauerntochter beim König Drosselbart töpfern, die Goldmarie Brot backen und die Müllerstochter beim Rumpelstilzchen spinnen. „Diese Dinge berühren mich noch immer. Als Kind habe ich mir zum Beispiel im Garten einen Lehmofen gebaut, der dem aus dem Märchen sehr ähnlich sah. Auch ein Spinnrad hatte sie und brachte sich das Spinnen und Stricken selbst bei. „Ich habe auch wie manche Märchenfigur Holz geschlagen“, so Sandy Sanne. Sie wollte immer leben wie eine Prinzessin, aber mit alltäglichen Pflichten.

Nicht nur die deutschen Märchen haben es ihr angetan. „Ich habe Märchenbücher aus aller Welt. Mein Sammlungsschatz hat sich immer erweitert“, so die Schauspielerin. Märchen seien für Menschen etwas Archaisches, etwas Wichtiges und Innigliches, so Sandy Sanne. Sie begeistert die Verwandlungskraft im Märchen. Guten Menschen gelingt es, andere positiv zu beeinflussen, und Menschen mit schlechten Eigenschaften werden auf einem Weg mit Entbehrungen zu besseren Leuten. „Die Märchen gehören nicht nur in die Welt der Kinder. Es gibt auch Märchen von Erwachsenen für Erwachsene.“ Sandy Sanne spricht von einer großen Festlichkeit und Würde, die einem beim Zuhören und Sehen von Märchen empfängt. Und es sei immer ein Trost, dass die Märchen gut ausgehen. Dass sie Hoffnung machen, dass jeden Tag ein neuer Start möglich ist, auch wenn man etwas am Vortrag vermasselt hat. Und dass man mit seinen eigenen Händen etwas schaffen kann. „Da denke ich sofort an das Märchen vom Wunschring“, so Sandy Sanne.

Bevor sie Schauspiel studierte, erlernte sie ein Handwerk, „weil das auch etwas Königliches hat“, sagte die Pulsitzerin. Ihr hatte es das Gartenhandwerk angetan. Sie absolvierte eine biologisch-dynamische Landwirtschaftsausbildung. Selbst in dieser sieht Sandy Sanne etwas Märchenhaftes. Sie arbeitete im Kuhstall, verbrachte Weihnachtsabende dort mit den neugeborenen Kälbchen und sang ihnen zur Beruhigung Lieder vor. „Ich war dort für Leben und Tod verantwortlich, so wie manche Märchenfigur“, sagte die Schauspielerin. Später lernte sie, wie aus der Milch Käse hergestellt wird. Was sie bei ihrer Ausbildung und im Berufsleben an Erfahrungen sammelte, habe ihr bei ihrem späteren Schauspielstudium und auch jetzt im Alltag sehr geholfen. „Was ich erlebte und meine Erfahrungen, die ich sammelte, kann ich gut umsetzen“, so Sandy Sanne. Nun geht es bei ihr darum, wie sie die Kunst und die Märchen zusammenbringen kann. Die ideale Kombination fand sie im Figurentheater. Wie in einem Märchen puzzelten sich die Einzelteile zusammen. Ihr Partner Alexander Weber hat ebenfalls eine musikalische und schauspielerische Ader. Und so ist er in vielen Stücken der Begleiter im Hintergrund. Regisseurin Anne König fand die Idee des Figurentheaters wunderbar.

2010 wurde die Theaterimkerei Sanne Weber in Pulsitz gegründet, denn Alexander Weber hat auch Bienenvölker und stellt Honig her. Oft gelingt es Sandy Sanne, den Honig in ihre Stücke einfließen zu lassen. Besonders deutlich wurde das bei dem Stück Mascha und der Bär.

Figuren wird Leben eingehaucht

Erste Inspirationen fand Sandy Sanne im Norden. „Dort gibt es einige Kollegen, die in Märchenwelten leben“, sagte die Pulsitzerin. Ihr erstes Stück war „Der Raupe wundersame Wandlung“, das die Verwandlung einer hässlichen Raupe in einen schönen Schmetterling zeigt, 2011 war dafür in Pulsitz Premiere. „Die wollten wir dort feiern, wo wir leben.“

„Ich war schon immer verträumt, wollte gestalten, mit Formen und Farben umgehen und mich tänzerisch bewegen. Das alles zusammen ist im Theater möglich. Ich zeige etwas, damit andere Menschen träumen können“, so Sandy Sanne.

In diesem Jahr hatte ein recht ungewöhnliches Stück Premiere. Die kluge Bauerntochter, in deren Rolle die Schauspielerin schlüpft, zeigt ein Figurentheater auf dem Tablet. Sie lässt Keramikfiguren von Elisabeth Richter das Märchen erzählen. „Als ich die Figuren sah, war ich sofort fasziniert. Es gibt so viele liebevoll gestaltete Details zu entdecken. Die wecken in mir eine richtige Spielfreude“, so Sandy Sanne.

Der Gedanke eines Miniaturtheaters habe schon ein paar Jahre in ihr geschlummert. Auch das Stück an sich – die kluge Bauerntochter – war schon drei Jahre im Gespräch, um es auf die Bühne zu bringen. Dann sah ich einen Bericht vom Bauchladentheater von Gunter Gerlach, der in Kinderkrankenhäuser geht, um den Mädchen und Jungen etwas Freude zu bereiten und Abwechslung zu bringen.

„Das war der Punkt, an dem alles zusammenkam. Die Idee, die Auswahl des Märchens und die Keramik von Elisabeth Richter, die mit ihren Kreationen den Alltag verfestlicht“, sagte Sandy Sanne. Ich wollte Keramikfiguren lebendig werden lassen, das Märchen zu anderen Leuten bringen. Das sollte das berühmte Schokoladenmädchen des Künstlers Jean Étienne Liotard übernehmen, in dessen Rolle Sandy Sanne schlüpft. Selbst in dieser Rolle kann die Pulsitzerin wieder etwas Märchenhaftes ausmachen. Denn Schokolade war früher nur dem Hof vorbehalten und wurde zum zweiten Frühstück serviert.

Das Stück von der klugen Bauerntochter wurde bereits mehrfach im Hofladen des Hofgutes Pulsitz sowie drei Mal in der Imkerstube gezeigt, in der nur 25 Leute Platz haben. Aber auch eine 93-Jährige konnte sich anlässlich ihres Geburtstages am Märchenspiel von Sandy Sanne erfreuen, denn ihre Requisiten sind in diesem Fall leicht zu transportieren. Das Figurentheater von der klugen Bauerntochter ist für alle Märchenliebhaber ab sieben Jahren geeignet und kann am Krankenbett, in einer Kindertagesstätte oder Bibliothek aufgeführt werden.

Am 28. und 29. Dezember zeigt die Theaterimkerei das Märchen von der Eiskönigin.

Es beginnt jeweils um 15 Uhr im Hofladen des Hofgutes Pulsitz.

Wegen der beschränkten Platzkapazität wird um Vorbestellung unter Tel. 034324 399682 gebeten.