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Wenn das Herz plötzlich stillsteht

Selten ist gleich ein Arzt zur Stelle. Doch auch ein Laie kann zum Lebensretter werden.

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© Egbert Kamprath

Von Regine Schlesinger

Dippoldiswalde. Der junge Mann im roten Sportdress liegt bewegungslos da. Er scheint nicht mehr zu atmen. Thomas Kischkel schüttelt ihn an den Schultern. „Hören Sie mich?“, ruft er mehrmals laut. Keine Reaktion. Jetzt zählt jede Minute. Thomas Kischkel greift zum Handy, wählt die Notrufnummer 112 und drückt die Freisprechtaste. Sobald er beide Hände wieder frei hat, legt er eine auf die Stirn des Mannes und hebt mit der einen dessen Kinn an. Jetzt müsste er wieder Luft bekommen. Doch nichts passiert. Thomas Kischkel hält sein Ohr dicht vors Gesicht des Mannes, spürt aber keinen Atemhauch. Der Brustkorb hebt und senkt sich keinen Millimeter. Atemstillstand. Jetzt ist keine Zeit mehr zu verlieren. Der Helfer legt seine Hände übereinander und drückt mit dem Handballen schnell und fest immer wieder auf den Brustkorb des Mannes. Dabei hat Thomas Kischkel etliche Zuschauer. Die gucken aber nur aufmerksam zu, statt ihre Hilfe anzubieten.

Müssen sie auch nicht, denn das Ganze ist zum Glück kein Ernstfall, sondern Teil eines Reanimationskurses. Pfleger Thomas Kischkel hat gerade an einer Übungspuppe die wichtigsten Handgriffe demonstriert. Zu dem Kurs im Rahmen der bundesweiten Herzwochen hatte das Dippser Krankenhaus am Donnerstag eingeladen. Immer noch wissen zu wenige, wie man als Laie bei einem Herzstillstand helfen kann. Knapp 20 Männer und Frauen machen von dem Angebot der Weißeritztal-Kliniken Gebrauch. Zu ihnen gehört auch Petra Schröter aus Glashütte, die mit Mann und Sohn nach Dipps gekommen ist.

Wie wichtig es sein kann, in so einer Situation zu wissen, was zu tun ist, hat sie erst vor Kurzem erfahren. „Eine Nachbarin hatte einen Herzstillstand. Zum Glück war ihr Sohn gerade da“, sagt sie. Der Nachbarin gehe es wieder gut, weil ihr Sohn wusste, wie reanimiert wird. Sie selbst habe sich zuletzt in der Fahrschule mit der Ersten Hilfe beschäftigt, sagt die Glashütterin. Die Fahrschulzeit liegt aber Jahre zurück. Nicht nur bei Petra Schröter, sondern auch den meisten anderen Kursteilnehmern. Da ist sicher nicht mehr viel hängengeblieben. Und es hat sich seither auch manches geändert, wie Jens Stoppok, der stellvertretende Pflegedienstleiter des Krankenhauses, den Kursteilnehmer erklärt. Zum Beispiel, was die Mund-zu-Mund-Beatmung betrifft. Sie steht seit einigen Jahren nicht mehr im Vordergrund. Denn sie erfordert Überwindung, was potenzielle Helfer vom Reanimieren abgehalten hat. „Man kann sie machen, aber in so einer Situation wird es ohne Hilfsmittel kaum gehen“, erklärt Jens Stoppok. Ein ganz einfaches ist eine Folie mit einem Ventil, die man zusammengefaltet in einem kleinen Täschchen als Schlüsselanhänger bei sich haben kann. „Wenn Beatmung, dann gilt, dass auf 30 Herzdruckmassagen zwei Atemspenden folgen“, sagt Jens Stoppok.

Im Kurs folgt der Theorie die Praxis an Übungspuppen. Immer zwei Kursteilnehmer versuchen, das eben Gelernte anzuwenden. Das ist etwas Übungssache, wie auch die Freitalerin Bärbel Busch feststellt, die mit Ehemann Hans-Jürgen nach Dippoldiswalde gekommen ist. Beide haben am Tag zuvor einen Vortrag zum Thema Herzerkrankungen im Freitaler Krankenhaus besucht. Nachdem sie dort gehört hätten, wie wichtig es ist, im Falle eines Herzstillstandes nicht hilflos dazustehen, sei der Kursbesuch für sie eine logische Folge, sagt die Freitalerin. Am Anfang habe das mit der Herzdruckmassage noch nicht richtig geklappt. Doch jetzt fühle sie sich sicherer. So geht es auch dem Höckendorfer Klaus Steinert. Der Kurs habe ihm auf jeden Fall etwas gebracht, sagt er. Es müsse auch niemand Angst haben, beim Reanimieren Verletzungen wie einem Rippenbruch zu verursachen, versicherte Jens Stoppok: „Eine gebrochene Rippe kann man überleben, einen Herzstillstand nicht.“