Merken

Wenn das Auto plötzlich weg ist

Viele Senioren sind auf Hilfe angewiesen. Pfleger haben in Dresden allerdings ein gravierendes Problem.

Teilen
Folgen
NEU!
© René Meinig

Von Nora Domschke

Es ist schon wieder passiert. Ein Parkplatz des Großvermieters Vonovia am Hochhaus in der Grunaer Straße 12 scheint sich zur Goldgrube für einen Abschleppdienst zu entwickeln. Dieses Mal erwischte es Brigitte Hunger und Silke Müller. Beide Frauen pflegen ältere Mieter, die in dem Hochhaus leben, und nutzen dafür einen der drei Parkplätze vor dem Eingang, die mit einem Rollstuhlfahrer markiert sind. Der Mieterparkplatz am Hochhaus ist mit einer Schranke gesichert. Wer dort parkt, hat also in jedem Fall einen Schlüssel dafür.

So wie auch die beiden Helferinnen. Silke Müller ist Altenpflegerin, kümmert sich seit etwa acht Jahren um Senioren in dem Hochhaus und stellt ihr Auto seitdem stets auf einem der Behindertenparkplätze ab. Viermal täglich kommt sie, maximal für jeweils eine Stunde, um einem alten Herrn im Alltag zu helfen. Am 4. April ist der Parkplatz vor dem Eingang aber plötzlich leer, als sie am Abend mit ihrem Patientenbesuch fertig ist. „Ich wusste gar nicht, was los war, musste erst einmal herausfinden, wo mein Auto ist“, sagt Silke Müller. Vom Hausmeister erfährt sie, dass es abgeschleppt wurde. Um es von der Firma wiederzubekommen, zahlt sie 359 Euro – inklusive 90 Euro Nachtzuschlag und Bereitstellung nach 18 Uhr, wird auf der Rechnung erklärt.

Brigitte Hunger zahlt „nur“ 269 Euro. Ihr Auto verschwindet am 10. April in der Mittagszeit. Die 74-Jährige kümmert sich seit zehn Jahren um ihre Tante, die schon 95 Jahre alt ist und einen Schwerbehindertenausweis besitzt. Brigitte Hunger kommt zweimal in der Woche aus Luga gefahren; auch sie nutzt dabei immer einen der markierten Parkplätze vor dem Haus. „Wir behindern hier niemanden, bislang gab es nie Probleme“, sagt Brigitte Hunger, sichtlich ergriffen, vor allem verärgert über die regelmäßigen Besuche der Abschleppfirma. „Irgendjemand muss doch sofort Bescheid geben, wenn hier ein Auto steht.“

Als ihr Auto an jenem Mittag weg ist, glaubt sie zuerst an einen Dienstahl. „Ich war völlig fertig, der Hausmeister hat mir dann am Telefon erklärt, dass es abgeschleppt wurde.“ Warum gab es denn keinen Aushang im Haus, wenn dort nicht mehr geparkt werden darf, fragt die Rentnerin. „Dann hätten wir wenigstens reagieren können.“ Silke Müller ärgert sich über die hohen Kosten. „Bei einem Stundenlohn von 13,50 Euro tut es weh, so viel Geld für einen Abschleppdienst zu bezahlen.“

Seit dem Vorfall parkt sie außerhalb des Mieterparkplatzes – mehr als 90 Euro Parkgebühren hat sie bis jetzt dafür bezahlt. „Und die drei Parkplätze, die ja genau dafür gedacht sind, behinderten oder pflegebedürftigen Menschen zu helfen, bleiben leer.“ Sie schüttelt mit dem Kopf, ist enttäuscht von Vonovia. Auch, weil ihr weder bei der telefonischen Hotline des Vermieters noch im Vonovia-Kundenzentrum an der Pfotenhauerstraße jemand weiterhelfen konnte.

Und es ist nicht der erste Fall, bei dem der Abschleppdienst auf besagtem Parkplatz anrückte. Bereits im Februar berichtete die SZ über einen Dresdner, der zweimal pro Woche einer pflegebedürftigen Dame im Hochhaus hilft. Auch er stellt seit etlichen Jahren sein Auto auf dem Parkplatz ab. Den Schlüssel bekam er – wie die beiden Frauen übrigens auch – von Mitarbeitern des Vonovia-Vorgängers Gagfah ausgehändigt. Trotzdem kam bei Jürgen Mütze gleich zweimal der Abschleppdienst, fast 800 Euro wurden fällig, um das Auto auszulösen. Nachdem die SZ nachhakte, übernahm Vonovia die Kosten und stellte der älteren Mieterin einen eigenen Parkplatz zur Verfügung. Das wäre auch für Silke Müller und Brigitte Hunger eine Lösung.

Also fragt die SZ erneut beim Vermieter nach. Auch, ob es nicht eine dauerhafte Lösung für Pflegekräfte geben kann. Vonovia-Sprecherin Bettina Benner kümmert sich um die Angelegenheit und plötzlich geht alles sehr schnell – wie auch beim letzten Fall. Sie erklärt, dass eine Mieterin regelmäßig zum Telefonhörer greift und den Abschleppdienst informiert. Das soll sich ändern: „In Zukunft dürfen bei Verstößen nur noch unsere Mitarbeiter den Abschleppdienst rufen.“ Dieser sei zudem angewiesen worden, auf diesem Parkplatz derzeit nicht mehr abzuschleppen. Die bereits entstandenen Kosten von Silke Müller und Brigitte Hunger würde Vonovia übernehmen. Und noch besser: „Wir werden zwei der drei Behindertenparkplätze als Kurzzeitparkplätze kennzeichnen.“