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Weniger Selbstmord in Mittelsachsen

Trotzdem haben sich 2013 fast 60 Menschen das Leben genommen. Nur jeder zehnte hinterlässt einen Abschiedsbrief.

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© Archiv/Dietmar Thomas

Von Frank Korn

Landkreis/Region. Statistisch gesehen stirbt in jeder Woche ein Mittelsachse durch Selbsttötung. Insgesamt 58 Männer und Frauen haben sich 2013 für diesen Schritt entschieden. Auf 100 000 Einwohner bezogen waren das 18,4 Suizidfälle. Im vergangenen Jahr lag die Selbstmordrate noch bei 20,4 Prozent und war damit die höchste in Sachsen. Damals haben 55 Männer und elf Frauen Suizid begangen. Im Freistaat Sachsen gab es 2013 insgesamt 664 Suizide, die Selbstmordrate liegt bei 16,3, die zweithöchste in Sachsen.

Diese Zahlen sind jedoch nur Statistik. Für die Verantwortlichen im Landratsamt kommt es darauf an, ein umfangreiches Netzwerk zu knüpfen, um Menschen vor einem drastischen Schritt wie der Selbsttötung zu bewahren. „Wir haben im Landkreis Mittelsachsen eine Reihe von Angeboten, um suizidgefährdeten Menschen zu helfen“, sagt Dieter Steinert, Zweiter Beigeordneter des Landrates. Dies seien zum Beispiel die Kontakt- und Beratungsstellen (KOBS) oder Suchtberatungsstellen. „Der Landkreis wirkt koordinierend zwischen den einzelnen Angeboten“, so Steinert. Gemeinsam mit dem Fachkrankenhaus Bethanien in Hochweitzschen wurde ein Faltblatt entwickelt, in dem Suizidgefährdete und ihre Angehörigen wichtige Hinweise zur Hilfe finden. „Suizid ist kein Ausweg“ lautet der Titel.

Selbstmord hat viele Gründe

Der Referatsleiter des amtsärztlichen und sozialpsychiatrischen Dienstes am Gesundheitsamt Mittelsachsen, Dr. Andreas Prokop, ist der Auffassung, dass der Landkreis Mittelsachsen ein flächendeckendes System für psychisch kranke Menschen hat. Wichtig sei die rechtzeitige Entdeckung von Selbsttötungsabsichten. „Das Beratungssystem muss weiter vorgehalten und möglichst ausgebaut werden“, fordert Prokop. Auch wenn es eine Dunkelziffer gebe, sei die Tendenz des Absinkens der Suizide deutlich.

Die Ursachen für Selbsttötungen sind vielfältig und im Einzelnen meist nicht zu klären. Nur jeder zehnte Selbstmörder hinterlässt einen Abschiedsbrief. Deshalb sind stets mehrere Faktoren zu betrachten, die ungünstig zusammenwirken, bevor sich ein Mensch wirklich für den Suizid entscheidet. Das sind unter anderem Arbeitslosigkeit, Konflikte in Partnerschaft und Sexualität, finanzielle, berufliche oder rechtliche Probleme, schwere Krankheit, psychische Erkrankungen oder auch frühkindliche und allgemein lebensgeschichtliche Erfahrungen. Betroffene Menschen beschreiben häufig eine Perspektivlosigkeit, die das Leben sinnlos erscheinen lässt und in die Lage versetzt, Probleme nicht mehr aus eigener Kraft lösen zu können. Sie sehen oft nur noch ihre Schwierigkeiten und den Suizid als einzigen Ausweg.

Auf Signale achten

Der Chefarzt und Ärztliche Direktor des Fachkrankenhauses Bethanien in Hochweitzschen, Dr. Rudolf Lehle, weist darauf hin, dass psychische Erkrankungen als Auslöser für einen Suizid nach wie vor unterschätzt werden. Der Chefarzt ist der festen Überzeugung, dass die Probleme behandelbar sind. So berichtet er von einem Mann, der chronisch nierenkrank sei. „Er wollte nicht mehr leben und lehnte die Dialyse ab. Wir haben es geschafft, dass er die Behandlung zulässt. Als er zurückkam, war von seinen Selbsttötungsabsichten keine Spur mehr.“

Ein Suizid wird meist plötzlich vollzogen. Dennoch lassen sich Anzeichen erkennen. Es gibt Personen, die eine Selbsttötung ankündigen. „Diese Äußerungen sollte man ernst nehmen“, warnt Dr. Lehle. Auch wenn ein Angehöriger oder Kollege plötzlich antriebslos wirkt oder sich völlig zurückzieht, sollte man mit ihm sprechen. „Falsch ist es, ihn mit den Worten ,Nun reiße dich mal zusammen’ aufbauen zu wollen.“ Vielmehr sei es wichtig, zuzuhören, Fragen zu stellen und zu vermitteln. Und notfalls Hilfe von außen zu holen.

Notfallnummer des Fachkrankenhauses Bethanien: 03431 6560 (rund um die Uhr).