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Weniger Probleme als gedacht

Die Unterkunft in der Nieskyer Fichtestraße ist häufig in den Schlagzeilen. Meistens negativ. Die SZ war vor Ort.

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© André Schulze

Von Sabine Ohlenbusch

Niesky. Wir kommen alle aus anderen Ländern“, stellt Tarek aus dem Libanon fest. „Das heißt nicht, dass wir nicht miteinander leben können.“ Tareks Beobachtung ist richtig, an dem Kaffeetisch sitzen in einer langen Reihe junge Männer kurdischer, iranischer, indischer, pakistanischer und albanischer Herkunft. Einige von ihnen sprechen englisch, nur ein einziger arabisch. Die Syrerin Rina, die aus Kollm zum Übersetzen mitgekommen ist, übersetzt also nur für Tarek, der für den kurdischsprechenden Shevan weiterübersetzt. Tarek selbst spricht auch Englisch.

Negative Nachrichten hat es aus der Fichtestraße gegeben. Feuer ist zwei Mal im Heim gelegt worden, durch Asylbewerber. Reparatur und Sanierung haben über 500000 Euro gekostet. Zudem hat eine Information vor wenigen Wochen für Furore gesorgt, wonach Flüchtlinge, die in anderen Einrichtungen gewalttätig würden, hierher verlegt werden. „Vor einigen Monaten hat es Probleme gegeben“, bestätigt Tarek, „aber seit die Betreffenden im Gefängnis sind, ist es ruhig.“ Er ist seit fünf Monaten hier und hat seitdem noch keine Probleme gehabt. Dass die Polizei jeden Abend vor dem Gebäude vorfährt, liegt schlicht daran, dass sie zu Kontrollen kommt. Dies findet auch an diesem Abend gegen sechs Uhr statt, als das Treffen vorbei ist. Die Beamten zeigen Präsenz, fragen nach. Es wirkt nicht so, als gebe es an diesem Abend Grund zur Beunruhigung.

Aus dem Gespräch wird deutlich, dass Sprache eine Herausforderung bleibt. Um hier nachzuhaken, sind heute einige Politiker der Gegend in die Fichtestraße gekommen, genauer Kreistagsmitglied Ralf Brehmer, der Nieskyer Stadtrat Harald Prause-Kosubek und Thomas Baum. Der SPD-Landtagsabgeordnete möchte die Bewohner fragen, wie sie sich in dem Heim fühlen und wo ihnen bürgerschaftliches Engagement helfen kann. „Der Landkreis hat die Aufgabe der Unterbringung in zumeist dezentralen Unterkünften gut gelöst“, sagt Thomas Baum, „das ist in anderen Kreisen nicht so. Mir geht es vor allem darum, zu fragen, was sonst noch zu tun ist.“ So haben zum Beispiel nur Menschen aus bestimmten Herkunftsländern Zugang zu professionell durchgeführten Deutschkursen. Alle anderen können nur von Ehrenamtlichen Sprachunterricht bekommen.

Dass die Sprache der Schlüssel dazu ist, sich wirklich in Deutschland einzuleben, sehen alle Anwesende. Sie alle leiden nach eigener Aussage darunter, nichts zu tun zu haben. Darin sieht Tarek auch die Ursache, wenn es zu Konflikten in der Flüchtlingsunterkunft kommt. Religion spiele hier eine untergeordnete Rolle, bestätigt auch Ron Bartoschek, der Sozialarbeiter des Heims. „Viele von uns sind vor islamistischem Terror geflohen; Sunniten und Schiiten liegen im Konflikt“, gibt Tarek zu bedenken. „Wir sind auch nicht hier, um Deutschland zu ändern. Wir respektieren, wenn jemand anders ist.“

Die meisten anwesenden Männer sind bereits seit einigen Monaten hier. Sie sind häufig auf dem Landweg gekommen, bevor die Grenzen geschlossen worden sind. Da ist der Iraner Adel, der als Christ in seiner Heimat verfolgt wird und dessen Onkel bereits in München lebt. Er trifft sich häufig mit Pfarrer Axel von Dressler, um seinen Glauben auch hier zu leben. Der Pakistaner Shiran ist zu Hause Sozialarbeiter gewesen. Die Taliban haben auf ihn geschossen, wäre er nicht geflohen, wäre er jetzt tot. Der Albaner Petro hat für sich keine Möglichkeit in seinem Land gesehen. Ob sie bleiben, wissen die meisten nicht.

Auf die Frage, ob Shevan als Kurde wieder in den Irak zurückkehren wolle, wenn es dort wieder sicher sein sollte, antworten alle durcheinander. Es sei nun einmal nicht die Realität, dass in ihrer Heimat Frieden herrscht. Die Entwicklungen zeigen, dass das Land ein Flickenteppich ist. Und viele fürchten, dass dies noch lange so sein wird. Wenn seine Heimat aber sicher sein sollte, schließt Shevan, möchte er natürlich zurück. Rina, die einer Minderheit in Syrien angehört, ergänzt: „Syrien war so ein schönes Land. Wir haben nachts unsere Haustüren offen gelassen, niemand hat sein Auto abgeschlossen.“Diese Zeiten seien nun vorbei. „Damit die Flüchtlinge hier ankommen können, ist es nun wichtig, aufeinander zuzugehen“, zieht Thomas Baum als Fazit. „Dazu brauchen wir das Engagement der Ehrenamtlichen.“