Merken

Weniger Lust, der eigene Chef zu sein

Die Zahl der Existenzgründungen im Handwerk sinkt. Dagegen steigen die Ausbildungszahlen im Kreis.

Teilen
Folgen
NEU!
© Pawel Sosnowski

Von Matthias Klaus

Görlitz. Bereut? Nein, bereut hat er den Schritt in die Selbstständigkeit nicht. „Ich muss eben viel arbeiten, damit ich aufs Geld komme“, sagt der Görlitzer. Steffen Gelbke arbeitet als Monteur. „Mit allem rund ums Holz“, schildert er. Vor 13 Jahren hatte sich Steffen Gelbke selbstständig gemacht.

Damals wagten im Freistaat noch relativ viele diesen Schritt. Inzwischen sinkt die Zahl der Existenzgründungen – im Haupt- wie im Nebenerwerb, im Handwerk. Beispiel Bau-Ausbau, in dem Gebiet, in dem Steffen Gelbke tätig ist. Über 1 800 Neueintragungen gab es da 2009 im Freistaat. Im vergangenen Jahr waren es laut Handwerkskammer Dresden keine 800 mehr. Von 2012 bis 2014 blieben die Zahlen der Neueintragungen im Handwerk relativ stabil. Inzwischen verzeichnet die Handwerkskammer seit zwei Jahren einen Rückgang über alle Bereiche hinweg. Das Sächsische Existenzgründer-Netzwerk (SEN) hat inzwischen die Gründe ausgemacht: die günstige Konjunktur, daraus folgend gute Arbeitsmarktbedingungen. Viele potenzielle Gründer würden wenige Anreize sehen, das vermeintliche Risiko einer Gründung einzugehen, heißt es beim SEN. „Als ich mich selbstständig gemacht habe, war die Situation eine ganz andere, als heute. Es gab viel mehr Arbeitslosigkeit“, sagt auch Steffen Gelbke.

Andreas Brzezinski, Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer Dresden fordert indes „Würdigung und Wertschätzung der Unternehmensgründung und der dahinterstehenden Personen“. Im Gegensatz zur sinkenden Zahl der Gründungen steht die der Lehrlinge im Landkreis Görlitz. 273 junge Leute, 68 Frauen und 205 Männer, beginnen eine Ausbildung bei einem Handwerksbetrieb, Stand Ende September. Das entspreche einem Zuwachs im Vergleich zum Vorjahr um zehn Prozent, heißt es von der Handwerkskammer Dresden. Der positive Trend auf dem Ausbildungsmarkt im Kreis Görlitz setze sich damit fort, so Andreas Brzezinski. Der beliebteste Ausbildungsberuf im Landkreis ist der zum Kraftfahrzeugmechatroniker, gefolgt vom Elektroniker, Tischler und Friseur. Das Handwerk biete jungen Menschen in der Oberlausitz hervorragende Möglichkeiten für berufliche Karrieren, so der Chef der Handwerkskammer. Eine davon sei der Gang in die Selbstständigkeit. Das Sächsische Existenzgründer-Netzwerk gibt in seinem aktuellen Gründerreport Empfehlungen, wie mehr Menschen dazu animiert werden könnten, sich selbstständig zu machen. Punkte sind unter anderem Bürokratieabbau, Ausbau der Beratung zum Thema Gründung, Einbindung der Hochschulen.

Bürokratieabbau, davon kann Danilo Kuscher aus Görlitz ein Lied singen. Er hat sich ebenfalls selbstständig gemacht und sieht noch einen weiteren Grund dafür, dass weniger Handwerker einen eigenen Betrieb gründen. Eigentlich möchte Danilo Kuscher als Elektriker arbeiten. „Aber da ich keinen Meister habe, darf ich das nicht“, erzählt er. Die Handwerkskammer schaue da ganz genau hin, erzählt er. Denn Elektrotechniker ist zulassungspflichtiges Gewerbe, das grundsätzlich eine Meisterpflicht voraussetzt. Insgesamt gibt es 41 Handwerke, die einen Meisterbrief erfordern. Nur in einem sehr bescheidenen Umfang kann Danilo Kuscher an die Elektrik: Im Hochbau darf er Kabel ziehen. Dennoch, bereut hat auch er den Schritt in die Selbstständigkeit nicht. „Ich brauche die Flexibilität, die damit zusammenhängt“, sagt er. Und leben konnte Danilo Kuscher mit dem Job auch ganz gut, wie er sagt. Der Görlitzer war unter anderem auf Montage unterwegs. „Ich hatte mein Einkommen, eignete mir über die Jahre immer mehr Fertigkeiten an“, sagt er. Inzwischen engagiert sich Danilo Kuscher verstärkt im Verein Kühlhaus in Weinhübel.

Monteur Steffen Gelbke setzt derweil weiter auf seinen Ein-Mann-Betrieb. Viel zu tun, wenig, was rauskommt, kommentiert er seinen Job. Aber Spaß mache es ihm trotzdem noch nach all den Jahren.