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Weniger Gewalt gegen Frauen im Landkreis Görlitz

Laut Landkreis hat sich die Zahl der Fälle im Vergleich zum Vorjahr halbiert. Die Polizei ist vorsichtiger.

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© picture alliance / dpa

Von Matthias Klaus

Landkreis Görlitz. Matthias Schmidt zieht nach gut fünf Monaten eine positive Bilanz. Die Zahl der Fälle von Gewalt gegen Frauen sei seit Jahresbeginn im Vergleich zum Vorjahreszeitraum deutlich gesunken, habe sich halbiert, sagt der Leiter des Sozialamtes des Landkreises während der jüngsten Sitzung des Gesundheitsausschusses vor Kreisräten in Görlitz. Damit korrigiert er eine Aussage von Anfang 2016. Damals war Schmidt noch von einer steigenden Zahl schutzsuchender Frauen ausgegangen. Als Hintergrund führte er erste Fälle an, in denen ausländische Frauen im Zuge der Flüchtlingswelle Schutz suchen wollten. „Jetzt gehen die Flüchtlingszahlen zurück. Wahrscheinlich gibt es deshalb unter anderem auch eine rückläufige Zahl schutzsuchender Frauen“, sagt der Chef des Kreissozialamtes.

Seit Anfang des Jahres betreibt der Verein Soziale Projekte Zittau eine Schutzwohnung. Diese Aufgabe hatte vorher die Hillersche Villa Zittau übernommen. Zuvor gab es auch noch eine Schutzwohnung in Görlitz, die ist nun gestrichen, weil sich der Kreis mit dem Träger nicht über eine weitere Finanzierung verständigen konnte. „Für die Region Görlitz, Löbau und Zittau ist das sicher okay“, sagt der Zittauer Kreisrat Jens Hentschel-Thöricht (Linke). „Aber Niesky und Weißwasser hängen in der Luft.“

Deshalb sein Vorschlag: Mit den kommunalen Wohnungsgenossenschaften im Landkreis reden, sie nach freien Räumlichkeiten fragen und diese im gesamten Kreisgebiet verteilt nutzen. Betreuer könnten vom Kreisjugendamt je nach Bedarf eingesetzt werden, stellt sich der Kreisrat vor. Dass sich der Landkreis Görlitz finanziell an der Frauenschutzwohnung im Kreis Bautzen beteiligt, davon hält Hentschel-Thöricht nichts. „Frauenschutz sollte für den Kreis eine Pflichtaufgabe werden“, sagt er. Über den plötzlichen Rückgang der Fälle von Gewalt gegen Frauen in diesem Jahr kann auch der Kreisrat nur spekulieren. „Es könnte tatsächlich an der rückläufigen Zahl der Geflüchteten liegen“, vermutet er.

Gewalt gegen Frauen, dieses Thema wird in der Polizeistatistik nicht gesondert geführt. „Derartige Delikte können in den polizeilichen Auskunftssystemen beispielsweise als Fälle von Körperverletzung oder Bedrohung, aber auch schlicht als Gefahren abwehrende Maßnahme registriert sein – insofern im letzteren Fall noch keine Straftat geschehen ist“, schildert Thomas Knaup, Sprecher der Polizeidirektion Görlitz. „Ungefähren Charakter“ haben deshalb seine Informationen zu diesem Thema.

In den Landkreisen Bautzen und Görlitz werde die Polizei täglich mit derartigen Problemen konfrontiert, sagt er. Sie treten „zumeist in Familien beziehungsweise zwischen Personen auf, die nach einer oberflächlichen Betrachtung eher einer sozial am Rand stehenden Schicht zuzurechnen sind“, so der Polizeisprecher. Mangelnde Bildung, der Konsum von Alkohol oder Drogen, Arbeitslosigkeit, Überforderung bei der Bewältigung des Alltags oder der Erziehung der Kinder sowie wirtschaftliche Probleme, so die Erfahrung der Polizei, gingen häufig mit diesem Phänomen einher. Für 2015 liegen aus datenschutzrechtlichen Gründen keine vollständigen Informationen mehr vor.

„Im Jahr 2016 registrierte die Polizei in den beiden ostsächsischen Landkreisen rund 300 Einsätze“, so Knaup. Auf den Landkreis Bautzen entfielen etwa 170 Einsätze, auf den Kreis Görlitz etwa 130. „Für eine Trendaussage für das laufende Jahr ist es derzeit noch zu früh“, sagt der Sprecher der Polizeidirektion. Es gelte, dass die Polizei nur über die Fälle berichten könne, die der Behörde tatsächlich auch bekannt werden. „Eine entsprechende Dunkelziffer, bei der Beteiligte sich nicht an die Polizei oder andere Anlaufstellen wenden, ist zu vermuten“, sagt Knaup.

Ob es einen generellen Trend beim Rückgang bei Gewalt gegen Frauen in Sachsen gibt, dazu kann Amtsleiter Matthias Schmidt nichts sagen. „Im Nachbarkreis Bautzen ist aber ein ähnlicher Trend zu beobachten“, sagt er.