Merken

Welche Folgen hat der Welterbeverlust für Dresden?

Donnerstag - um 16.43 Uhr sickerte es durch: Nach fünf Jahren streicht die Unesco das Elbtal von der Liste der Welterbestätten. Drei Jahre stand Dresden wegen des Baus der Waldschlößchenbrücke auf der Roten Liste gefährdeter Orte. Ein Kompromiss wurde nicht gefunden.

Teilen
Folgen
NEU!

Kommen nun weniger Touristen?

Branchenvertreter verneinen. Der Direktor des Kongresszentrums und Maritim-Hotels, Jörg Bacher, betonte: „Dresden hat einen guten Ruf. Ich kann mir nicht vorstellen, dass es zu Stornierungen kommt.“ Seit der Titelverleihung 2004 verlief die Tourismusentwicklung uneinheitlich. Weihe der Frauenkirche, Eröffnung des Grünen Gewölbes und das Stadtjubiläum lösten einen Boom aus, dem ein Absturz folgte. Die städtische Tourismusgesellschaft wurde liquidiert. Das legt nahe: Der Titel hat wenig Einfluss auf das Reiseziel Dresden.

Was wird aus Denkmalen wie dem Lingnerschloss?

Jährlich 106.000 Euro gibt die Stadt für das dort untergebrachte Welterbebüro aus. Das Geld kann sie sich sparen. An anderer Stelle büßt die Kommune aber Millionen ein. Denn schon vor dem Entscheid war klar: Als einzige deutsche Welterbestätte erhält Dresden wegen des Brückenbaus kein Geld aus einem 150-Millionen-Euro-Programm des Bundes. Für Sanierungen am Lingnerschloss sowie an den Schlössern Übigau, Albrechtsberg und an der Busmannkapelle sollten rund sechs Millionen Euro fließen. Die gibt es definitiv nicht, wie Bundesminister Wolfgang Tiefensee (SPD) gestern noch einmal klarstellte.

Muss die Stadt ihre Werbung umstellen?

Mit dem prestigeträchtigen Titel kann Dresden nun nicht mehr werben. Allerdings hat die Stadt bereits in der Vergangenheit auch die Kunstsammlungen und die Frauenkirche in den Fokus ihres Marketings gerückt. Unklar ist derzeit, ob Dresden die Unesco-Urkunde zurückgeben muss.

Welche Folgen hat der Verlust fürs Stadtimage?

„Dumm baut gut“, titelte vor Monaten die „Zeit“ aus Hamburg über Dresden und den Brückenstreit. Überregionale Urteile gestern fielen differenzierter aus. Zwei spiegeln die Stimmung: Die „Hessisch/Niedersächsische Allgemeine“ schrieb zwar von einer „Schmach“, hob aber hervor: „Gleichwohl: Es geht beim Brückenstreit um einen bloßen Titel. Deshalb bleiben Dresden und das Elbtal für ihre Freunde eine Reise wert.“ Die „Märkische Allgemeine“ verwies auf den Konflikt zwischen Kulturlandschaft und Mobilität und befand mit dem Hinweis auf den Bürgerentscheid pro Bau: „Dresden braucht diesen Titel nicht.“ Der Chef des Dresdner Tourismusvereins, Jeffrey Pötzsch, hofft, dass nun der Streit endet: „Der hat der Stadt geschadet.“

Können die Elbwiesen nun bebaut werden?

Nein. Eine Fülle von Regelungen wie Wassergesetze und Landschaftsschutzgebiete macht die Bebauung unmöglich, wie Sachsens Umweltminister Frank Kupfer (CDU) sagte. Der Welterbetitel biete dagegen keine rechtliche Grundlage für Landschaftsschutz. Dessen ungeachtet befürchtet SPD-Kunstministerin Eva-Maria Stange einen „Dammbruch, dass ins Elbtal hineingebaut wird“, warnte sie. Dresdens CDU versicherte, die Elbauen weiter schützen zu wollen.Kann Sich Dresden erneut bewerben?Ja. Das mag kurios klingen, ist aber für den verfahrenen Streit um Welterbe und Waldschlößchenbrücke typisch. Der Direktor des Unesco-Welterbezentrums, Francesco Bandarin sagte, Dresden habe die Möglichkeit zu einer weiteren Bewerbung, ließ aber Details offen. Oberbürgermeisterin Helma Orosz (CDU) sagte: „Es ist jetzt meine Aufgabe, dafür einen Weg zu finden. Ein neuer Antrag ist aber nur vertretbar, wenn er von einer großen Mehrheit der Bürgerschaft mitgetragen wird.“

Wie könnte diese Bewerbung aussehen?

Eine unwahrscheinliche Variante ist, dass es Dresden mit der dann vollendeten Brücke am Waldschlößchen versucht. Eher möglich ist, dass die Stadt nur einen Teil des Elbtals als Welterbe anerkennen lassen will. Unlängst hatte ein Hellerauer Bürgerverein sogar die vor 100 Jahren erbaute Gartenstadt im Norden Dresdens als Weltkulturerbe ins Gespräch gebracht. In jedem Fall muss der Stadtrat über die Bewerbung beschließen, die dann über Sachsen und das Auswärtige Amt an die Unesco geleitet wird. Ob das eine Mehrheit findet, ist derzeit aber offen.

Ist Helma Orosz nun angeschlagen?Der Titelverlust sei „keine Persönliche Niederlage“, betonte die Oberbürgermeisterin, die zur Unesco-Tagung nach Sevilla gereist war. Geknickt wirkte sie dennoch. Allerdings: Eine schlechte Figur, darin sind sich Beobachter einig, hat Orosz in Spanien nicht gemacht. Sie versuchte in vielen Gesprächen, die Delegierten aus 21 Nationen umzustimmen. Hinter sich hat Orosz die Mehrheit der Dresdner. In einer SZ-Umfrage hatte eine Mehrheit der Einwohner den Titel für verzichtbar erklärt. Und auch der Bürgerentscheid über die Waldschlößchenbrücke fiel 2005 eindeutig aus – zugunsten des rund 160 Millionen Euro teuren Großprojekts im Elbtal.

Welche Folgen hat der verlust für Deutschland?

Der Einfluss der Unesco auf Bewerber und bestehende Welterbestätten dürfte größer werden. Beispiel Loreleytal: Im Welterbegebiet plant Rheinland-Pfalz die Mittelrheinbrücke. Der dortige SPD-Wirtschaftsminister Hendrik Hering hob die enge Abstimmung des Landes mit der Unesco hervor. Anders als in Dresden würden die Pläne gemeinsam mit der Organisation besprochen, sagte er.