Merken

Welch’ ein Glück für Frau Pech!

Hildegard Pech hat am Dienstag ihren 102. Geburtstag gefeiert. Die halbe Stadt hat früher bei ihr Schnaps und Kaffee eingekauft.

Teilen
Folgen
NEU!
© André Braun

Von Heike Heisig

Roßwein. Freundinnen und Nachbarinnen haben sich am Dienstagvormittag um Hildegard Pech versammelt. Die zierliche, schick gekleidete Dame feiert ihren 102. Geburtstag. Kaum zu glauben, aber wahr. Das bestätigen auch die Gratulanten. Bürgermeister Veit Lindner (parteilos) begrüßt die später hinzukommenden Verwandten schon mit den Worten: Ah, jetzt kommt der Schwarzwald! Kein Wunder, schon seit dem Hundertsten versprechen sich der Rathauschef und die Jubilarin ein Wiedersehen in genau einem Jahr.

Hildegard Pech, von Familie und Freunden Hilde genannt, ist in Roßwein geboren, im Haus neben dem damaligen Fleischer Werner am Brückenplatz aufgewachsen. An ihre Nachbarn und die Geschäfte von damals erinnert sie sich noch genau. Auch von ihrer Arbeit im Armaturenwerk und später als Hausangestellte bei einer Betriebsleiterfamilie berichtet sie, ohne groß nachzudenken.

Die meisten älteren Roßweiner werden Frau Pech hinter dem Ladentisch kennen. Nach der Heirat betrieb sie gemeinsam mit ihrem Mann Rudi Am Gottesacker 4 ein kleines Geschäft, in dem es unter anderem Kaffee und Spirituosen gab. Sie selbst habe mit den harten Sachen weniger am Hut gehabt – „höchstens mal einen Magenbitter“, den habe sie sich gegönnt.

Seit ihr Mann 1984 verstorben ist, lebt Hildegard Pech allein in ihrer Wohnung. Über ihr ist vor ein paar Jahren eine nette Familie mit drei Kindern eingezogen. Probleme, dass es da manchmal etwas turbulenter zugeht, hat die Jubilarin damit nicht. Schon seit Kindesbeinen ist sie auf einem Ohr taub, das Hörvermögen auf dem anderen Ohr lässt jetzt nach. „Und mit der Galle habe ich neuerdings Probleme“, erzählt Hildegard Pech. Ansonsten sei sie sehr zufrieden.

„Ich hatte ein schönes Leben“, sagt sie mehrmals, „trotz Zeiten der Not.“ Auch als sie mit ihrem Mann den Laden führte, sei sie immer noch halbtags arbeiten gegangen, um sich mal einen Mantel oder etwas anderes Schönes leisten zu können. „Wir hatten nicht viel“, sagt die Jubilarin. Traurig stimmt sie das offenbar nicht. Vielmehr zeigt sie sich lebenslustig und mit ihrer Wohnung am Gottesacker verbunden. Einen freien Platz im Pflegeheim hat sie bislang immer abgelehnt. Sie will, so lange es geht, zu Hause bleiben.

Der Pflegedienst unterstützt sie. Dreimal pro Tag kommen die Helfer vorbei. Das warme Essen wird in einer Warmhaltebox jeden Mittag aufs Fensterbrett gestellt. Um rechtliche Sachen kümmert sich eine Betreuerin. Die Obermieter sagen ab und an Hallo und schauen, ob es ihr gut geht. Mit 102 Jahren ist Hildegard Pech seit Kurzem die älteste Roßweinerin. Noch vier Jahre älter ist eine Frau aus Littdorf, die aber indes weggezogen ist.