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Weiter Chaos und Tote im Jemen

Nach der Ermordung von Ex-Präsident Saleh bereiten sich Regierungstruppen auf die Erstürmung der Hauptstadt vor.

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© dpa

Von Martin Gehlen, SZ-Korrespondent in Tunis

Sanaas Einwohner erlebten Tage und Nächte des Horrors. Stundenlang bombardierten saudische Kampfflugzeuge die jemenitische Hauptstadt. Mehrere Raketen trafen auch den Präsidentenpalast, der nahe am Weltkulturerbe-Zentrum liegt. In den Straßen lieferten sich Bewaffnete heftige Gefechte, die mindestens 234 Menschen das Leben kosteten. Mittlerweile sind die Kämpfe etwas abgeflaut, überall in der Stadt errichteten die Houthi-Rebellen Kontrollpunkte und postierten Panzer. Am Dienstag trommelte die Führung ihre Anhänger zu einer Großkundgebung zusammen, um „die Niederschlagung der Verschwörung“ zu feiern, wie es in ihrem TV-Sender Al-Masirah hieß. Die Vereinten Nationen versuchten derweil, ihre 140 Mitarbeiter aus Sanaa zu evakuieren.

Seit dem gewaltsamen Tod von Ex-Präsident Ali Abdullah Saleh, der 48 Stunden zuvor seine Allianz mit den Houthis aufgekündigt hatte, wächst die Gefahr, dass die beiden regionalen Verbündeten der jemenitischen Bürgerkriegsparteien, Iran und Saudi-Arabien, aneinandergeraten könnten. „Nach ihrem Versuch, den Houthis den Teppich unter den Füßen wegzuziehen, müssen die Saudis nun entscheiden, ob sie verhandeln wollen in einem Klima von null Vertrauen, oder ob sie mit ihrer bisher weitgehend erfolglosen Militärkampagne weitermachen wollen“, schrieb Jemen-Experte Peter Salisbury. Saleh sei eine umstrittene Figur gewesen. „Aber er war auch die Person, die am ehesten fähig gewesen wäre, irgendeine Art von Einigung auszuhandeln.“ Sein Tod werde zu einer noch tieferen Polarisierung führen.

Und so schaltete sich aufseiten der Houthi-Rebellen erstmals Irans Präsident Hassan Rouhani in den Konflikt ein und drohte, das jemenitische Volk werde dafür sorgen, dass die Angreifer ihr aggressives Vorgehen bereuten. Einen scharfen Ton schlug auch der Chef der Revolutionären Garden, Mohammad Ali Jafari, an. Die „Saudi-Verräter“ würden versuchen, auf Befehl der USA und mit Israel als Komplizen Unsicherheit in der Region zu erzeugen. „Wir erlebten einen Putschversuch gegen die Houthis, der sofort niedergeschlagen wurde“, sagte er.

Saudi-Arabiens Regierung dagegen äußerte die Hoffnung, das jemenitische Volk werde sich nun gegen die „terroristischen Houthi-Milizen“ erheben und ihre Heimat befreien. Salehs Ermordung und die Art, wie dies geschehen sei, offenbare die kriminelle Natur und Menschenverachtung der Houthis, sekundierte der Generalsekretär der Arabischen Liga, Ahmed Abul Gheit. Deren Kämpfer hatten am Montagnachmittag den Konvoi des Ex-Präsidenten 40 Kilometer außerhalb von Sanaa mit einer Panzerfaust gestoppt und den 75-Jährigen erschossen. Wenige Stunden später gab der im saudischen Exil lebende jemenitische Präsident Abed Rabbo Mansour Hadi seinen Regierungstruppen den Marschbefehl auf Sanaa. Seine Landsleute rief er in einer Fernsehansprache auf, sich gegen die „Verbrecherbande der Houthis“ zu erheben und „das geliebte Jemen von dem Albtraum zu befreien“. Sollten die sieben in der Nachbarprovinz Marib stationierten Bataillone Sanaa angreifen, droht der Bevölkerung ein Blutbad.

Über das Ausmaß der iranischen Unterstützung für die Houthis gibt es viele Spekulationen, aber wenig konkrete Fakten. Nach einer Analyse von Uno-Experten stammte die Rakete, die von der schiitischen Miliz auf den internationalen Flughafen von Riad abgefeuert wurde, aus iranischer Produktion. Einschränkend jedoch hieß es in dem Bericht, man habe keine Beweise zur Identität der Lieferanten. Bei dem am letzten Wochenende von den Houthis deklamierten Angriff auf den Al-Barakah-Atomreaktor in den Vereinigten Arabischen Emiraten ist auf dem Propagandavideo der Abschuss einer Cruise Missile zu sehen, die nach Angaben von Experten eindeutig das Aussehen einer iranischen Soumar-Rakete hat. Doch auch hier lässt sich nicht feststellen, ob die Waffe eine ins Land geschmuggelte Soumar-Rakete war oder ein baugleiches russisches Modell, das die jemenitische Armee Jahre zuvor auf dem Schwarzmarkt erworben haben könnte. Sicher ist nur, dass das Geschoss nicht ins Ziel kam. Es zerbrach über jemenitischem Territorium, seine Trümmer schlugen in der Nordprovinz Al-Jawf ein.